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Dienstag, 21. Juni 2011

1. Abschnitt: Wie ich trotz und wegen der DDR (15)

Dies etwa war die Ausgangssituation zu jenem Wandel, den ich mehrmals zu erzählen versuchte … was mir allerdings immer nur mit wenig Erfolg bzw. sogar Schaden für mich gelang.
Es reichte natürlich nicht, dass ich eine Flasche auf den Tisch stellte. Spätestens beim zweiten Mal war ich gefordert, wenigstens mit anzustoßen. Trotz aller Vorbehalte gegeneinander kamen bald Gespräche zustande. Eines dieser Gespräche drehte sich um Verschraubungen für Ventile, von denen bei mir buchtechnisch viele vorrätig waren, von denen die Arbeiter aber behaupteten, es seien keine da. Nach einigem Hin und Her stellte sich heraus, dass die Gesuchten bei einem der Aggregate vor der Montage gegen die Originalverschraubungen ausgetauscht würden. Die laut Plan passten nämlich nicht. Je länger wir uns unterhielten, umso spannender wurde die Angelegenheit. Konnte es sein, dass da irgendwo ein Fehler vorlag?
Es lag einer vor. Der war, wie´s aussah, bei der Projektierung entstanden. Plötzlich ahnten wir, dass wir einen Punkt entdeckt hatten, wo wir sowohl Arbeitszeit als auch Material einsparen konnten. (Die abmontierten nicht passenden Verschraubungen wurden bisher als Abfall behandelt.) Da es weder leicht war, den schuldigen Punkt zu finden noch fachgerecht zu formulieren, wo was verändert werden musste, wuchs eine kleine Forschungsgemeinschaft zusammen. Dieselben Menschen, die während der ganzen vorangegangenen Zeit sich eigentlich als gesellschaftliche Schmarotzer aufgeführt hatten, empfanden sich plötzlich als Miteigentümer, die selbstverständlich sparsam mit „ihrem“ Volkseigentum umgehen wollten. Man erkannte sie kaum wieder. Aus den Säufern wurde eine Jugendbrigade. Das war alles das Ihre. Unser Staat, unsere Gesellschaft, Unseres, was wir verbessern konnten. Eine beeindruckende Wandlung, wie ich sie sich sonst nur als Erfindung von Staatsschreibern des DDR-Sozialismus hätte vorstellen können.
Nun ja, die Angelegenheit geriet „natürlich“ später in die Fänge sozialistischer Bürokratie. Plötzlich hatte eine bedeutungslose Kollegin, die das „Büro für Neuererwesen“ gewesen war, etwas Reales zu tun. Und was sie zu tun hatte, war etwas, was dem Ideal des Staates so nahe kam: Dort hatten sich doch tatsächlich richtige Arbeiter mit Angestellten und Angehörigen der Intelligenz zusammengefunden, um einen Arbeitsablauf zu verbessern. Das war zwar spontan geschehen. Von nun an sollte es also endlich einen planmäßigen Rahmen bekommen. Wir sollten gezielt und geplant Verbesserungen erarbeiten. Wir erstellten auch tatsächlich ein Jugendobjekt. Allerdings bestand dessen Hauptkreativität in der Fixierung eines Nutzens, der nie eintreten konnte. Ich weiß nicht, wie klar das den Einzelnen war, aber die Sache begann mir peinlich zu werden. Die planorganisierte Nützlichkeit verwandelte sich schnell in eine Form des sich in die Taschen Lügens. Ich suchte im Unterbewusstsein bereits ein Fluchtmöglichkeit. Sofern die Angelegenheit noch eine Weile positiv blieb, dann insoweit, als dass der Spaß am Tüfteln nicht gleich wieder verschwand. Es war ein Keim aufgegangen, dass man am kleinsten Nebenschauplatz positiv in ein großes Ganzes eingreifen konnte – und dieses große Ganze war UNSERE Gesellschaft. … wäre unsere Gesellschaft geworden ...

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