Seiten

Dienstag, 4. Juni 2013

Aus der Debatte

daher ja auch der Hinweis mit der Bespitzelung und Bestrafung der nicht normkonform lebenden Nachbarn. Wie willst Du einen Nichtsstaat mit staatlichen Organen haben?
Ich brauche jedenfalls keine Stasinachbarn wie im Buch gefordert. Wie ich mich kleide und was ich zu Hause tue ist doch meine Sache, wieso muss mein Nachbar (der mir vermutlich auch noch durch "Die Gemeinschaft" zugeteilt wird) darüber richten dürfen? Und ja, ich würde lieber allein vor mich hingammeln als dauern wen bei mir schüffeln haben zu wollen.


Was ist denn “die Gemeinschaft“, „Gesellschaft“ oder wie immer man das ausdrücken will, wo du versuchst, einen Macht ausübenden Staat zu sehen?
Stell dir vor, du gehst gestylt wie eine Nutte zum Bewerbungsgespräch bei der Bank! Stell dir warmen Regen vor und dir ist danach, rauszurennen und splitternackt auf dem Bürgersteig zu tanzen!
Da stößt du auf „die Gesellschaft“. Du brauchst da noch keinen Polizisten, der dich wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses wegsperrt. Du wirst es einfach nicht tun, weil du mit einer bestimmten Reaktion der anderen rechnest. Du nimmst also dein Scheitern beim Bewerbungsgespräch und die pikierten Blicke fremder Passanten quasi vorweg und benimmst dich überwiegend so, dass du erwarten kannst, dass dein Verhalten akzeptiert wird.
Das Neue im Kommunismus ist eben nicht, dass es das gibt, sondern dass das im Wesentlichen der einzige „Mechanismus“ ist. Deshalb steigt relativ(!) seine Bedeutung. Nicht absolut! Du übersiehst offenbar, dass du dich immer „gesellschaftlichen Zwängen“ unterwirfst, weil du gewohnt bist, Zwänge in einer Verkörperung zu sehen. Eine „Staatssicherheit“ eben.
Verhaltensnormen entstehen AUCH, indem man sie aufschreibt, also wenn die Büroordnung festlegt, was „angemessene“ Kleidung ist. In umfassendem Sinn entstehen sie aber durch die Erwartung der Reaktion der Mitmenschen. Es gibt keine Gesellschaftsform, in der das nicht so ist. Die Gesellschaften, die Machthierarchien kennen, als beispielsweise Kapitalismus und Sozialismus, ergänzen diesen natürlichen „Vergesellschaftungsprozess“ durch Sanktionsapparate.
In „Gemeinschaft der Glückssüchtigen“ wählte ich das Beispiel Mode. Es bedarf keiner Sittenpolizei, damit die meisten Menschen ihre Mitmenschen als modern oder unmodern gekleidet auffassen und sich bemühen, nicht als unmodern aufzufallen. Was da psychologisch abläuft, dass wird nur unter kommunistischen Verhältnissen zum im Wesentlichen einzigen Mechanismus. (Bevor du dich über die Einschränkung „im Wesentlichen“ aufregst: Du möchtest sicher auch nicht von einem Sexkranken vergewaltigt werden und dann wissen, dass du das eben hinnehmen musst.)
Das Prinzip wirkt eben allgegenwärtig. Normalerweise wirfst du deinen Müll eben nicht irgendwohin, sondern in die dafür vorgesehenen Behälter, weil „man“ das eben so macht. Da musst du den nervigen Nachbarn nicht heraufbeschwören, der angerannt kommt, um dir den einen Schnipsel zu zeigen, der danebengefallen ist.

Dass dir niemand „zugeteilt werden“ kann, versteht sich eigentlich von selbst. Ich versuche ja im Buch gerade aufzuzeigen, dass das Internet dass fast ideale Mittel ist, damit du dir deine Nachbarn, Partner, deinen Umgang, deine Gesellschaft in weitem Umfang aussuchen kannst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen