Dienstag, 16. August 2011

6.2. Nicht alle Arbeit ist Kunst – manche muss sein



In der Welt wird es immer notwendige unangenehme Arbeiten geben. Sagen wir als tatsächliches Beispiel, dass hilflosen Menschen der vollgeschissene Arsch geputzt werden muss (nicht nur im übertragenen Sinn). Es verändern sich nur die Arbeiten, die als solche empfunden werden.
Solche Arbeiten wird man gesellschaftlich bekämpfen, soweit dies möglich ist. Durch welchen Fortschritt, durch welche Erfindung müssen welche Tätigkeiten nicht mehr ausgeführt werden? Im konkreten Fall hieße das also, immer wieder neu auf das Kernziel eines lange erfüllten Lebens auszurichten. Kampf den Krankheiten und den mit dem Alter verbundenen Verfallsprozessen. Forschung nach technischen Hilfen. Das lässt sich auch verallgemeinern: Immer wieder neu wird Menschen bewusst werden, dass einige notwendige Arbeiten ihre Würde verletzen. Die meisten von ihnen werden früher oder später durch technische Systeme gelösbt – um den Preis, dass dahinter die nächsten auftauchen. Und manches geht ja auch nicht. Wann wird ein Androide den Arsch seines menschlichen Gebieters putzen? Und liegt eine Inkontinenz vor, kann man ja nicht warten, bis die Krankheit als solche besiegt wäre … Manchmal dauern solche Lösungen viele hundert Jahre.
Es kommt also eine zweite „Lösungsebene“ hinzu: Prinzipielle Freude an der gesamten Arbeitsaufgabe lässt uns auch einzelne „unappetitliche“ Teil-Arbeiten mit Freude, zumindest aber leichter erledigen. Oder sagen wir es so: Es bereitet Befriedigung, sich selbst als sinnvoll zu erkennen. Es hat eben – auch wenn es nicht Jedermanns Sache ist – etwas für sich, abrechnen zu können „Patient sauber, fühlt sich wohl!“. Alle die, die schon die Dankbarkeit von Hilfebedürftigen empfangen durften, wissen um diesen Wert. (Wobei das Problem der Würde im konkreten Fall eher auf Seiten dessen liegt, der wie ein hilfloses Baby gepflegt werden muss.) Dem steht heutzutage in erster Linie der Zeitdruck entgegen. Das Auskosten zwischenmenschlicher „Belohnungen“ ist im Pflegeberuf nicht vorgesehen. Auch bei anderen Berufen gibt es vom Inhalt her „unangenehme“ notwendige Tätigkeiten, die „attraktiv(er)“ würden, erkannte man sie angemessen an. Dabei könnte (!) auch heute schon ein Schreibtisch-“Arbeiter“ anerkennen, dass er zu mancher „Drecksarbeit“ gar nicht fähig wäre, dass er sich über andere Menschen freuen sollte, die solche Arbeiten verrichten. (Er sieht nur, dass umgekehrt die seine Arbeiten nicht packen.) Was spricht dagegen, dass es einmal für einen solchen Zweck bei heute ganz abwegig erscheinenden Berufsgruppen Versionen von „Restauranttestern“ geben könnte? Das setzt natürlich immer voraus, dass jedes Ergebnis auf einen „Verantwortlichen“ zurückgeführt werden kann.
In beiden Fällen liegt ein „innerer Zwang“ zur Arbeit vor. Die Einzelnen erkennen aus freien Stücken die Notwendigkeit bestimmter Arbeiten und übernehmen bewusst Verantwortung für deren Lösung.
Trotzdem wird immer ein Rest bleiben, der gelöst werden muss, für den sich aber gerade niemand findet. Sei es nun wegen der Lage des Problems oder weil sich für bestimmte Aufgaben insgesamt zu wenige Menschen begeistern lassen.
Was spricht in solchen Fällen gegen ein allgemeines Findungs- und Bewährungsjahr?
Zum normalen, frei harmonisierten Arbeitswahlprozess tritt ergänzend ein stärker restriktives System hinzu. Je nach Notwendigkeit kann dies wie eine „allgemeine Wehrpflicht“ oder wie ein „freiwilliges soziales Jahr“ funktionieren. Für beide Systeme gibt es Argumente.

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