Donnerstag, 8. Dezember 2011

Bedürfnisbefriedigungsanstalt Kommunismus

Nach der Geldzeit

1
Ich stell mir vor, worauf man dann, gäb es kein Geld, verzichten kann.
Da hätten erstmal, klar, die Banken, die Aktienhorter abzudanken.
Wir müssten keine Steuern klären, nicht Börsenfuzzis miternähren.
2
Kein Grenzer würde übrig bleiben. Es wär egal, was wir wo treiben.
Kein Polizist hätt´seine Not mit denen ohne täglich Brot.
Nur kleine Reste würden alt bei Schlichtung ohne Staatsgewalt.
3
Kein Phrasenfreund im Parlament verdirbt der Tage Happyend.
Kein Betteln, Kriechen, „Hartz“-Almosen zernagt´ den „Wert“ von „Arbeitslosen“.
Kein Wochenwerk gehasster Stunden wär „unternehmerisch“ verschwunden.
4
Ob Chrysler, Kia, BMW - sie tun der Erde nicht mehr weh.
Als Frage auch im Autofalle bleibt nur, was gut wär für uns alle.
Wär das Profitinteresse weg, ersparte das viel Umweltdreck.
5
Was tausend Kriege schon vernichtet, wird zwar nie wieder neu errichtet.
Doch wärn sie weg, die vielen Waffen, die Tote, Krüppel, Trümmer schaffen,
weil niemand, der sie fabrizierte, noch auf dem Erdball existierte.
6
Tat früher sehr viel Arbeit not, um abzusichern täglich Brot,
bleibt nicht stupides Buckeln, Klotzen, je mehr vor Technik wir nur strotzen.
Wie wenig Arbeit könnte reichen, die Welt an Reichtum anzugleichen.
Das Erdengut, wir werdens teilen, gemeinsam kreativ verweilen,
einander nicht mehr fertigmachen, worüber fremde Konten lachen.
7
Glaubt ihr, dann gäb es nichts zu tun, ein jeder würde geldfrei ruhn?
Man ränge auf dem Erdenrund, dass, wer da lebt, auch wär gesund.
Dafür dann lohnten sich auch Mühen - wer wollt´nicht vor Ideen sprühen!
8
Wär keiner arm und keiner reich, wär überall ein jeder gleich.
Man malte, schriebe, musizierte, man spielte, lernte, fantasierte,
gemeinsam mal und mal alleine, man hülfe Nachbarn auf die Beine …
Welch leben voller Poesie - dahin kommt heut´ nicht Fantasie!
9
Ich stell mir vor, was alles dann, gäb es kein Geld, sich ändern kann.
Doch bin ich dafür leider zu allein. Das muss ein Werk von vielen sein.
Wie viel könnt mensch wohl noch erreichen, zerstörte er nicht Seinesgleichen.





Die Frage, wie „realistisch“ eine Formel „Jedem nach seinen Bedürfnissen“ ist, habe ich noch nicht beantwortet, richtig. Du ahnst aber, dass ich an die Sache herangehe wie der Indianer, der sagt, Mensch kann kein Stück von Mutter Erde besitzen, und der trotzdem, nein, gerade deshalb schonend mit all dem umgegangen ist, was diese Mutter Erde ihm gewährte.
Dass ich die Frage aufwerfen muss – auch linke Kritik zwingt mich dazu – liegt eben an unserem Denken, das selbst bei Linken von aktuellen Verhältnissen, also unserem Verständnis ausgeht. Also immer wieder: Nach kommunistischen Prinzipien allgemein zusammenzuleben, setzt Bedingungen voraus, die wir zuvor schaffen müssen - solche, die uns teilweise sogar seltsam vorkommen, und solche, die heute einige Menschen bereits angedacht haben.

Wieder müssen wir beim Grundproblem beginnen, was „Bedürfnisse“ sind und wie sie entstehen. Es gibt elementare Bedürfnissen und solchen „gesellschaftlicher Natur“.
Elementare Bedürfnisse sind von der Natur vorgegeben. Wenn der Körper Energie braucht, dann „produziert“ er Hunger, wenn Flüssigkeit erforderlich ist, Durst; „irgendetwas“ muss gegen das Frieren gemacht werden, unter anderem die Spermienproduktion animiert zu schönen Gefühlen, die die Fortpflanzung der Menschheit zur Folge haben … ohne dass ein einziger Sexualpartner auf der ganzen Welt dabei an die „Fortpflanzung der Menschheit“ denken muss.

Alle anderen Bedürfnisse sind „gesellschaftliche“ - selbst solche, die sich auf die Qualität der Befriedigung der elementaren beziehen. Dem Hunger ist es egal, ob er durch Fleisch eines toten Rehs, Kartoffeln, Reis … oder Kaviar befriedigt wird. Es gibt natürlich Übergänge, also für eine „Rundumentwicklung“ wäre es das Beste, sich abwechslungsreich zu ernähren und regelmäßig auf bestimmte Inhaltsstoffe zu achten. Das Niveau der Befriedigung elementarer Bedürfnisse muss für den Kommunismus weltweit auf relativ hohem Niveau gesichert sein. Es darf im weitesten Sinne niemand „hungern und frieren“ müssen – und zwar bedingungslos kein Mensch. Es gibt seriöse Untersuchungen, die dies bereits heute technisch für machbar halten. Wenn ein gebildeter Europäer von „Bedürfnissen“ spricht, denkt er aber meist nicht an die elementaren. Er geht bereits davon aus, dass die befriedigt sind, weil er es im Gegensatz zu Bewohnern der „dritten Welt“ nicht anders kennt.

Schwieriger ist es mit den gesellschaftlich beeinflussten Bedürfnissen. Dort wirken Mechanismen, die wir uns heute schwer wegdenken können, um den Kommunismus zu verstehen, aber zumindest teilweise wegdenken müssen. Den wichtigsten dabei nenne ich „Neid“. Ich würde es für den heute entscheidendsten Antrieb nach dem Elementaren ansehen, dass viele Menschen etwas deshalb besitzen möchten, weil sie wissen, dass Andere das schon haben. Dieser „Neid“ lässt sich in Marxscher Weise noch weiter auseinandernehmen:
Zuerst muss ein begehrbares Gut vorhanden sein. Das Begehren nach kernlosen Apfelsinen hielt sich in Grenzen, solange alle wussten, dass es keine gab. (Die störenden Kerne regten „nur“ die Fantasie an, wie schön es wäre, wenn es kernlose Früchte gäbe).
Zum Wesen klassenorientierter Marktwirtschaften gehört das bewusste Wecken des Besitz-Begehrens. Der, der ein beliebiges Gut zur Profit bringenden Ware machen will und muss, will unabhängig von allem Anderen (und sei es die Gefährdung der Gesundheit der Käufer), dass genau sein Gut Anerkennung als Ware findet, er es verkaufen kann. Deshalb drängt er es potentiellen Kunden auf verschiedene Weise auf. Durch die gesellschaftlichen Verhältnisse unterliegt jeder Mensch (in jeder Gesellschaft) einem andauernden Anpassungsdruck. (Besonders drastisch ist dieser Druck natürlich dort, wo man besonders eng einer Normen bildenden Gruppe angehört, wenn die Anderen zum Beispiel wissen, dass du eben das gerade angesagte Handy NICHT hast.)
Nun wächst Neid zuerst einmal aus dem Wissen um tatsächliche Ungleichheit. Die erste Folge der Ausbeutungsverhältnisse im Feudalismus war keine Revolutionsbewegung, sondern der allgemeine Wunsch, auch zu DENEN zu gehören. Du kennst doch die alten Märchen: Das Ideal heißt da Prinzessin, Prinz, (guter) König. Aber erscheint es nicht einleuchtend, dass immer weniger es für erstrebenswert halten, eine Prinzessin zu sein, wenn a) es keine Prinzessinnen gibt, b) keine Hochglanzpostillen höfische Welten als erstrebenswert darstellen, c) keine wesentlichen Gruppen sich nach einem unerfüllten „besseren“ Leben sehnen müssen und d) es alternative Ideale gibt?

Oder nimm die Mode: Sie ist ja von „Markt-Bedürfnissen“ bestimmt: Damit möglichst viel verkauft wird, muss man dem Kleidungsstück ansehen, aus welchem Jahr es stammt. Das hat zur Folge, dass viele das jeweils Neueste kaufen, um nicht als „unmodern“ abgestempelt zu werden. Ich behaupte nicht, das dies im Kommunismus vollständig verschwinden wird. Es wird aber zurückgedrängt durch die mehr oder weniger dezente Betonung der speziellen Individualität der Einzelnen. Die Zahl derer, die selbst etwas zu ihnen Passendes kreieren, wird drastisch zunehmen. Die Möglichkeiten, solch eigene Kreationen auch umzusetzen, sind ja nicht beschränkt. Sich Ideen zu beschaffen ermöglicht das Medium Internet genauso wie die Schaffung einer eigenen „Modegemeinde“ - die dann eine eigene Produktions- und Vertriebskette organisiert. Das kostet ja nichts außer Ideen und etwas Zeit … und ist eine Frage des Selbstbewusstseins – für die sich Kleidenden, wenn sie eine echte „Stumphusen“ tragen, und für die Stumphusen, dass sie eben „die Stumphusen“ ist. Neu ist nur, dass die normale Massenproduktion aussehen darf wie die Stumphusenkollektion … aber nicht muss, weil kein materieller Status gezeigt wird. ...

Sieh aber immer beide Seiten: Auf der einen die manipulierten „Bedürfnisse“, die „der Markt“ erst schafft, fördert, verstärkt und die in dem Moment zu schrumpfen beginnen, in dem es keinen Markt mehr gibt. Man darf also auch keine DDR-Verhältnisse als Maßstab heranziehen, wo natürlich direkt und indirekt die Marktblicke nach Westen bestimmend blieben und der (die) „etwas Besseres“ war, der (die) das hatte, was andere haben wollten.
Auf der anderen Seite werden wir natürlich auch im Kommunismus Bedürfnisse vorsätzlich wecken - nur eben andere. Das setzt bereits im frühen Kindesalter an. Da es in der Absicht der Gesellschaft liegt, dass sich ihre Mitglieder zu allseitig entwickelten Persönlichkeiten entfalten, wird auch der frühkindlichen Ausprägung musischer, mathematischer, sportlicher, wissenschaftlicher, handwerklicher und immer wieder andersartiger künstlerischer Empfindsamkeit eine ganz andere praktische Wertschätzung entgegengebracht, als wir das bisher je erlebt haben (obwohl die DDR-Verhältnisse in diese Richtung gingen). Also nicht in jedem Menschen im Kommunismus wird ein Supertalent entdeckt werden – worin auch immer. Aber es werden anteilig viel mehr Kräfte aufgewandt, um Talente zu wecken und entfalten, vor allem jedoch wird in der Breite die Aufnahmebereitschaft für verschiedenartige „Sinnes-Reize“ erhöht, die Genussfähigkeit gezielt verstärkt werden.
Hier ist sicher am leichtesten zu begreifen, dass das kein abschließend harmonischer Prozess ist. Das tatsächliche Niveau jedes Einzelnen wird unterschiedlich weit hinter den Möglichkeiten zurückbleiben und jeder muss sich mit seinen Mängeln auseinandersetzen. Das wird jeder auf eigene Weise tun. Im Trend aber werden die Möglichkeiten jedes Einzelnen immer mehr erkannt und „ausgereizt“ ...

Um sich vorzustellen, dass und vielleicht wie so etwas geht, ein ganz praktisches Beispiel: Wenn du ein Musikstück hörst, unterliegst du unterbewussten „Mechanismen“. Dein Gehör ist nicht allein, aber auch Gewohnheiten unterworfen. Wenn du auf eine Musikrichtung fixiert bist, wirst du eher „schön“ finden, was dem Gewohnten ähnelt. Dies prägten zu großen Teilen Entwicklungszeiten, an die wir uns nicht mehr erinnern können. Oft sind wir aber auch bereit, unterbewusst ein Musikstück eher als „schön“ zu empfinden, wenn es uns als „Hit“ vorgestellt wird oder wenn Freunde es stark finden usw. Mit einer verengten Weltsicht verengt sich auch die Aufnahmefähigkeit für Schönes. Es geht dabei sowohl um das aktive Produzieren von „Schönem“ als auch einfach das Genießen dessen, was andere gemacht haben. Das schließt ein, Harmonien in vordergründigen Disharmonien zu entdecken, Auseinandersetzungen als kreativ annehmen zu können. Das erklärt zum Beispiel mit, warum immer wieder neu Elterngenerationen den Musikrichtungen ihrer Kinder so skeptisch gegenüberstehen, sie häufig nicht einmal als Musik akzeptieren. Wenn du dann nachfragst, ist denen das mit ihren Eltern genauso gegangen, und eigentlich müsste ihnen einleuchten, wenn der nächste Stil für die spätere Generation … und immer weiter so fort ...

Vielleicht kann man sich ein winziges Startbild machen, wenn man das System der Sportförderung in der DDR auf alle Bereiche der Persönlichkeitsentfaltung ausdehnte. Also eine Wechselwirkung von „Breitensport“ und „Leistungssport“. Dass dabei nicht jeder „Sport“ mögen wird, ist Element seiner besonderen Persönlichkeit. Um eine solche Entscheidung aber treffen zu können, muss er natürlich in Berührung mit dem „Sport“ gekommen sein. Oder anders: Bach nicht zu „mögen“, weil man nur Bohlen kennt, ist genauso doof wie umgekehrt.

Die Abgrenzungen kommen im Kommunismus fast von allein … aber mit der erworbenen Fähigkeit, das der eigenen Persönlichkeit am ehesten Entsprechende aus einer breiten Vielfalt auszuwählen. Zumindest was Musik angeht, wäre dies heute technisch bereits gut umsetzbar, stößt aber gerade hier auf marktbedingte Schranken.
Es ist einfach etwas Anderes, nach dem Erwerb der nächsten Sache zu „streben“ und, kaum, dass man sie erworben hat, nach der nächsten, als „sich rundum zu entfalten“.

Nicht alle Menschen werden irgendwo super sein – genau das würde ja dem Grundsatz der Vielseitigkeit widersprechen -, aber man kann es „Synergie-Effekt“ nennen, was jene „allseitig entwickelten Persönlichkeiten“ für die Gesellschaft erbringen werden: Leonardo da Vinci hat die Qualität der Leistungen auf einem Gebiet auch aus der Vielseitigkeit der verwirklichten Interessen auf anderen Gebieten gewonnen, Goethe war kein „Genie“ der Farbenlehre … aber seinen Leistungen als Dichter hat die Beschäftigung mit Farben sicher nicht geschadet usw.
Die Zeit der Universalgenies ist zwar vorbei. Die Zeit der vielseitigen Menschen aber bricht erst mit der kommunistischen Gesellschaft an – und diese Menschen werden „modern“ sein. Ihretwegen wird es wenig bedeutsam sein, ob alle mitmachen – es reicht, wenn, mit einem schrecklichen heutigen Wort bezeichnet, die „Leistungsträger“ in den Superkreativen ihre Vorbilder sehen. Anerkannte Vorbilder aber besitzen Sogwirkung. Insofern kommen Schul-Coaches (um nicht „Lehrer“ zu sagen) viel größere Bedeutung zu. Sie sind eine von mehreren Gruppen, die darauf achten müssen, dass sich Jugendgruppen keine ihre Mitmenschen missachtenden Idole wählen.
Wir sind heute zu wenig in der Lage, „Neben-Fähigkeiten“ zu nutzen und schätzen. Selbst ein „Partylöwe“ ist eben mehr als ein Nichtsnutz. Praktisch ist er doch jemand, der für Augenblicke die Laune seiner Mitmenschen zu verbessern vermag. Vielleicht ist das genau die Laune, die ihnen bisher (leicht übertrieben) für die nächste Erfindung gefehlt hat?!
Wir haben es mit einer total anderen Welt zu tun: Wenn wir das Wirken der dann bereits funktionierenden Roboter berücksichtigen, so bleibt an Tätigkeiten, die wir heute im weitesten Sinne als Arbeit bezeichnen, weniger als acht Stunden übrig … pro Woche. Sofern es sich dabei um Arbeiten handelt, die nicht von „zu Hause“ aus erledigt werden können, die also die körperliche Anwesenheit des „Arbeitenden“ erfordern, lohnt sich ein Arbeitsweg aber erst bei einer ausreichend langen Arbeitszeit.

Es gibt mehrere Lösungen:
Für einen Teil der Menschheit wird die „klassische“ Arbeit zu einem „Luxus“, um den sie sich bemüht, weil sie darin den Weg zu ihrer Selbstentfaltung sieht. Dazu gehören die wachsenden Anteile von Umlernzeiten, in denen die, die keine Fachidioten sein möchten, ihre Fähigkeiten in den unterschiedlichsten Bereichen erweitern.
Vereinfachend sage ich „für einen anderen Teil der Menschheit“ (obwohl dies oft dieselben Menschen sein werden) beginnt die freie Suche nach erfüllender Tätigkeit in Künsten im weitesten Sinne. Die Übergänge zwischen dem, was wir heute in „Hobby“ und „Kunst“ unterteilen würden, werden fließender. Da jeder sich dazu bekennen kann, was er so treibt, finden sich auch weltweit gleich Gesinnte zusammen. Letztlich erfüllen sie füreinander, aber eben auch für andere die „Funktion“, Freude zu bereiten. In verschiedenartigsten Umfelden begegnen sich Menschen und kommunizieren.

Insofern verselbständigt sich auch die Kommunikation als solche. Sich frei mit anderen Menschen auszutauschen ist wieder normaler Bestandteil des Lebens – weil es keinen gesellschaftlichen Beschränkungen unterliegt. Keine Kommunikation ist im Gegensatz zu den vorkapitalistischen „Gemeinschaften“ durch die Natur – oder wie im Kapitalismus durch ein entfremdetes Arbeits- und Erwerbsleben - erzwungen: Der Urmensch brauchte seine Gruppe zum Überleben. Die Gruppenmitglieder hingen aneinander und mussten daraus das Beste machen. Der Bauer im Feudalismus war an seine Scholle „gefesselt“ und musste ein Verhältnis zu seinen Nachbarn schaffen. Der Mensch im Kommunismus kann zu jedem Mitmenschen bewusst seinen Weg suchen … oder es bleiben lassen: sich in eine Internet-Gemeinde einfinden, jemanden ansprechen, jemanden besuchen, jemanden auf Veranstaltungen treffen … oder eben bei einer Arbeit, die beide von vornherein interessant finden – sonst hätten sie sie ja nicht gewählt. Er kann der Masse seiner Mitmenschen aber eben auch bewusst aus dem Weg gehen. Er wird sich aber tendenziell schwerlich selbst aus aller Gesellschaft isolieren, weil dies die Lebensfreude mindert …

Andererseits hatte begleitende Kommunikation einen eigenen Wohlfühleffekt, bevor sich die kapitalistisch reine entfremdete Arbeit durchsetzte. Viele Menschen hatten eben Vergnügen daran, sich bei ihren Handarbeiten mit den Nachbarn zu unterhalten. Der Ertrag war nicht akkordhoch, aber die Stressschäden der Beteiligten waren deutlich geringer, würde ich einmal behaupten. Solche Situationen werden im Kommunismus wieder normaler sein ...

Und eines darfst du nicht vergessen: Jedem Menschen steht frei, Dinge zu tun, die wir heute „direkte Demokratie leben“ nennen würden. Die Zahl der Foren wird sehr groß sein, in denen Fragen des „gesellschaftlichen Zusammenlebens“ diskutiert und letztlich entschieden werden, Projekte, die „Investitionen kosten“, Entscheidungen, die von Bedeutung nicht nur für Wenige sind. Im Prinzip kann jeder ein solches Forum gründen oder sich einem anschließen. Es wird nur der organisatorischen Sicherheit wegen Schlichterräte und Sprecher geben. Weltweit, regional und fachbereichsbezogen. Ich hatte ja schon begründet, dass die Masse an Möglichkeiten verhindert, dass jeder überall mitredet und damit jede Entscheidungsfindung zähflüssig ermüdend wird. Man wird sich entscheiden müssen, wo man kompetent sein und mitreden will.
Einen Bereich habe ich noch nicht angesprochen: die Fortpflanzung. Noch mehr als in den anderen Lebensbereichen überlagern sich Gemeinschaftliches und zutiefst Persönliches. Als gesellschaftliche Frage muss gemeinschaftlich geklärt werden, wie Wirrköpfen der heutigen Art „Deutschland schafft sich ab“ der sachliche Boden entzogen wird. Die neue Frage hieße in etwa „Was ist Menschheit für die nächsten Jahrhunderte?“ Das könnte das größte „Forum“ überhaupt sein. Der makabre Zyklus der Vergangenheit muss verschwinden: Bisher war Bevölkerungswachstum in Erwartung kommender „Katastrophen“ (und seien sie als „Krieg“ menschengemacht) ein Ziel, um die Bevölkerung überleben zu lassen. Die Bevölkerungszahl wuchs mit den verbesserten Überlebensbedingungen. Die Entscheidung für oder gegen Kinder wird auch heute noch durch Existenzängste beeinflusst. Die Pille bedeutet erst einmal die technische Möglichkeit, bewusst zu planen und entscheiden. Wie wenig „frei“ bisher trotzdem entschieden wird, belegen heute „Planungen“ in China und Indien. Entweder erzwingt administrativer Druck einer Führungsgruppe die für die Entwicklung künftiger „Harmonie“ als notwendig angesehene Ein-Kind-Ehe oder materielle Traditionen und Existenzängste bewirken Massenabtreibungen von Mädchen.
Doch auch für den Kommunismus ist die Frage legitim, wie viele Menschen „vernünftigerweise“ auf der Erde leben sollten, also wie viele Milliarden für die Umwelt Erde eine Katastrophe wären – selbst, wenn die Versorgung solcher Massen gesichert wäre.

Kinder sind im Kommunismus nur noch im Dreieck von Liebe, Verantwortung und „Individualität“ zu sehen. Nichts wird letztere von Natur aus so eindeutig ausdrücken wie eigene Kinder. (Individualität ist auch die Fähigkeit und Bereitschaft zu dauernder Verantwortung für Andere.) Man wird sich viel freier für oder gegen das Kinder-Bekommen und -Aufziehen entscheiden.
Wenn wir unterstellen, dass die kommunistische Gemeinschaft nicht mehr an heute eingeleiteten ökologischen Katastrophen zu leiden haben wird (zum Beispiel massenweisen genetischen Schädigungen durch radioaktive und andere Umweltbelastungen), also dass der Untergang der kapitalistischen Verhältnisse „weich“ gelingt, wird sicher eine weitere „Senioren-Generation“ entstanden sein: die Ururgroßeltern. Während eine bewusste Manipulation der Kinderzahl in beide Richtungen vorstellbar ist – also Kampagnen „Schafft euch mehr oder schafft euch weniger Kinder an“ – kann die kommunistische Gesellschaft beim Umgang mit älteren Menschen nur in eine Richtung denken: weg mit Krankheiten und Verfall. Da ist auch Erfolg wahrscheinlich: Die lebenden Menschen werden älter und sind länger zu umfassender Aktivität fähig. Wenn die Familien weiter gleich viel Kinder bekämen, würde die Weltbevölkerung noch einmal sprunghaft anwachsen.
Dies macht unter anderem den Weg freier für vielfältigere Lebensentwürfe, also auch zu solchen, in denen „egoistischerweise“ keine Kinder vorkommen, „man“ sich dann in angenehmem Umfang „nur“ um biologisch fremde Kinder kümmert.
Spaß haben, nur um für den Moment Spaß gehabt zu haben, lässt die Betroffenen verkümmern. Aber auch Workaholics sind deformierte Persönlichkeiten. Auf Dauer kann es ja nicht gesund sein, sich mit Arbeit betäuben zu wollen ... Je mehr du bereits als Kind gelernt hast, womit du dich alles beschäftigen könntest (ohne damit gequält worden zu sein), umso mehr wirst du es in deinem langen Leben auch wirklich ausprobieren wollen. Als eines von vielem gehört die „Kommunikation“ mit Kindern dazu. Wie gesagt: unabhängig von biologischen Beziehungen werden Kinder eine Vielzahl von Partnerschaften erleben, die mit Beziehungen zu „Großeltern“ und guten Tanten und Onkeln vergleichbar sind.

Die Entfaltung des Bedürfnisreichtums der heranwachsenden Menschen bekommt einen total neuen Stellenwert, sobald sie nicht, zumindest im „normalen“ Einzelfall, existenzielle Probleme heraufbeschwört. Bei allen Problemen, die Kinder auch bedeuten, ist eines weg: Die Frage, wie soll ich sie / müssen die mich versorgen. Sie steht allein im großen Rahmen „Menschheit“, also überspitzt: Wenn jede Familie 10 Kinder bekäme, bliebe dann genug Sauerstoff zum Atmen? Die Kinder sind trotzdem einer der wenigen verbleibenden Zwänge. Wer auch immer die Bezugspersonen sein mögen, es müssen welche da sein. Das können biologische Eltern genauso gut sein wie Wahleltern, eine Mehrpartnergemeinschaft und anderes. Nur relativ stabil müssen diese Beziehungen sein.

Ich reibe mich hier an dem konventionellen Familienbild, das auch Friedrich Engels vertrat. Wahrscheinlich wird es im Kommunismus etwas geben, das den Namen „Familie“ tragen kann. Aber selbst dabei ist eine Mann-Frau-Beziehung mit dazugehörigen Kindern eine unter vielen Formen. Inwieweit „Wohn- und Lebensgemeinschaften“ eine große Rolle spielen werden, ist von unserem Horizont aus schwer zu bewerten; wahrscheinlich in einer neuen Zweckgemeinschaft von Individuen eine größere als heute.
Der Mietkostendruck ist genauso weggefallen wie wirtschaftliche Abhängigkeiten verschiedenster Art innerhalb konventioneller Ehen. Warum sollten kommunistisch lebende Menschen nicht als Totalindividualisten leben, vor allem aber wohnen? Also jeder Einzelne hat einerseits einen kleinen Bereich allein für sich, der sich andererseits leicht verbinden lässt mit unterschiedlich ausgerichteten „Gemeinschaftsräumen“ unterschiedlicher Sympathie- und Zweckgemeinschaften? Das wäre eine Komplexlösung für große Wohnobjekte.
Letztlich muss man ja alles neu denken: Wie viele Einfamilienhäuser mit großen Gärten es gibt, regelt heutzutage „der Markt“. Nun wäre es eine grausige Zukunftsvision, wenn das von Marx beschworene Verschwinden des Unterschieds von Stadt und Land so aussähe, dass die bewohnbaren Teile der Erde von einer einförmigen ewigen Stadt inmitten von „Futtermittelwerken“ bestünde. Und diese Stadt bestünde wiederum aus lauter Einfamilienhäusern. Jedem sein kleines Glück. Es wäre schon heute ernüchternd, auszurechnen, wie viel „Lebensraum“ jedem einzelnen heutigen Menschen so zustünde.

Die Wohnverhältnisse spiegeln die Lebensverhältnisse wider. Die aber können die kommunistischen Menschen bewusst gestalten. Sie haben ja jenen Büro- und Arbeitsstress nicht mehr, nach dem sie eine Schrebergartenidylle zum Abtauchen brauchten. Man kann mehr ausprobieren. Warum keine Gemeinschaft einer Wohnblocketage? Es ist ja vieles leichter, wenn es nur noch darum geht, wer welchen geliehenen Gegenstand vergessen hat zurückzugeben, aber nicht mehr etwas gestohlen werden kann. Man kann also den Nachbarn eher trauen. Es bedarf nur der Anstöße zusammenzukommen. „Facebook“ ähnliche Netzwerke ohne Hintergedanken und mit der Aussicht auf mehr. Eben ohne Druck, sich aus einem anderen Grund für eine Variante zu entscheiden als seine individuelle zu finden. Heute merkst du ja erst später, ob du auf Abzocker oder eine Form der Prostitution hereingefallen bist. Umzüge werden nur noch ein Problem, weil sie organisatorisch Mühe bereiten können. Aber du musst nicht unbedingt mit allem möglichen Hausrat umziehen – du brauchst nur mitzunehmen, was dir persönlich besonders wichtig ist, die Grundausstattung kann in der neuen Wohnung bereitstehen.

Auch hier gibt es eine klare Trennung: Jeder hat überall das, was zweckmäßig ist. Er machte sich in der großen Gemeinschaft „unmöglich“, wenn er nicht sorgsam damit umginge.
Wir kreisen immer wieder um bestimmte Grundpfeiler des Zusammenlebens. Da die Menge der Sanktionen klein ist, verbindet sich das riesige Maß an individueller Freiheit mit gesellschaftlicher Offenheit. Es ist (wieder) selbstverständlich, dass man weiß, was bei den Anderen los ist. Nur so kann ja Verhalten missbilligt werden, das das Gemeinschaftsleben schädigt. Weil man viel miteinander zu tun hat, wird für dich zur harten Strafe, wenn die anderen mit dir nichts zu tun haben wollen ...

Aber du hast ja am meisten Probleme mit dem Gedanken, dass jemandem Arbeit überhaupt ein Bedürfnis sein kann. Dabei könntest du dich gründlich umsehen und dir fielen bestimmt Leute ein, die auch ohne den ganzen Kommunismus-Kram wirklich Arbeiten gehen, weil sie das, was sie da machen, gern machen. Ich spitze das sogar noch zu: Es gibt auch in der Gegenwart zwar wenige, aber doch einige Firmen, die sich eine Arbeitsorganisation leisten, als hätten sie schon den Kommunismus erreicht. Im Wesentlichen kommen und gehen die Mitarbeiter dort wie sie wollen.

Das Ganze nennt sich Holacracy. Das ist der Name für eine in bestimmten „kapitalistischen“ Unternehmen tatsächlich umgesetzte „kommunistische Organisation“ der Arbeitsabläufe. Viele der dabei verwendeten Begriffe und Überlegungen sind allerdings nur mit virtuellen Kneifzangen anzufassen.

Es geht um Organisation von Arbeit. Nicht hierarchisch organisierte Abläufe, sondern „Getting Things Done Methode“, also einfach Formen der Selbstfindung von Strukturen, die nur darauf ausgerichtet sind, dass zum Schluss das Beabsichtigte herauskommt.
Wenig verwunderlich finde ich, dass die ersten praktischen Erfahrungen aus einer Software-Firma stammen. Ähnliche Tendenzen gibt es überall dort, wo die geistige Verantwortung des einzelnen „Mit-Arbeiters“ für das Gesamtprodukt besonders groß ist.

Mit der Verwunderung begeisterter Kinder suchen Betrachter bestimmter Insellösungen dem Beobachteten wissenschaftliche Namen zu geben. Gibt es so etwas wie eine „kollektive Intelligenz“, mitunter auch „Schwarmintelligenz“ genannt? Unerklärlicherweise funktioniert es, dass sich dabei Teams / Kollektive zielobjektbezogen selbst „Leitungsebenen“ wählen. Also etwas schräg ausgedrückt: Die Mitarbeiter bestimmen, wer wann in welchem Umfang über sie zu bestimmen hat.
In so „anarchisch organisierten“ Firmen bestehen meist nur minimalste Anforderungen an einzuhaltende Arbeitszeiten, Anwesenheit und anderen äußeren Druck. Das Merkwürdige: Es bricht nirgendwo „Anarchie“ aus. Zwar kommen und gehen die Kollegen, „wie es ihnen gefällt“, aber sie arbeiten dabei nicht weniger sondern bewusst mehr. Die Betrachter stehen vor einem Rätsel: Ohne Kontrolle, Stechuhren oder Ähnliches, ohne, dass man irgendeine Form bemerkte, in der sich die Kollegen gegenseitig kontrollierten … verhalten sich alle, als kontrollierten sie sich mit einem unsichtbaren Mechanismus eben doch. Dies war dann der Ansatz, solche biologischen Vergleiche wie „Schwärme“ heranzuziehen, bei denen sich „irgendwie“ die Einzelwesen sehr effektiv in ihrem Verhalten am Kollektiv, der Masse, dem Schwarm orientierten. Da müsse eine besondere „Intelligenz“ wirken, meinten die in ihrer Denkwelt Befangenen und wunderten sich noch über etwas Anderes: Der tierische „Schwarm“ ersetzte individuelle Intelligenz, bei Menschen fiel dies „Organisationsprinzip“ (?!) besonders bei intelligenzintensiven Tätigkeiten auf.

Ohne dies soziologisch oder auf welche Weise auch immer auszudeuten, können wir durchaus einige Schlussfolgerungen für künftige Gemeinschaften ziehen. Dabei müssen wir uns allerdings vor Verallgemeinerungen hüten, wie man sie mitunter bei occupy-Aktivisten antrifft. Die vorliegende Klassensituation – und wir müssen bei jeder Betrachtung davon ausgehen, was gerade da ist – produziert vorsätzlich in dem hier gedachten Sinn „dumme“ Menschen. Das ist kein Werturteil, sondern nur Ausdruck dafür, dass den meisten Menschen nicht wirklich all die Denkstrukturen vermittelt werden, um für ein Ganzes mitzudenken. Wer die Gesellschaft als Ganzes nicht begreift, kann zumindest bezogen auf diese „Gesellschaft als Ganzes“ in keine Richtung steuern. Jener seltsame „Schwarmeffekt“, nämlich dass eine Gruppe wesentlich bessere Ergebnisse erbringt, als dies der Summe der einzelnen Mitglieder nach möglich zu sein scheint, setzt immer eine „elementare Gemeinsamkeit“ voraus. Also wenn jeder das Gesamtziel „weiß“, organisiert sich die Masse so, dass die Aussicht auf Erreichen des Ziels am größten ist – in gewisser Hinsicht tatsächlich „spontan“.

Aber zur Perspektive.
Schon im Sozialismus ist die „Notwendigkeit“ weggefallen, dass „der einfache Mann“ die Funktionsweise der Gesellschaft nicht versteht, weil er sie dann radikal ändern wollte. Er soll sich im Gegenteil fürs Ganze verantwortlich fühlen, soll die Solidarität mit ihm individuell fremden Menschen als nützlich begreifen. Also die Voraussetzung des Kommunismus wäre, dass die dort lebenden Menschen wirklich möglichst gut begriffen haben, wie ihre Gemeinschaft funktioniert. Gleichzeitig fallen jene Elemente des Zusammenlebens weg, die uns unmittelbar korrumpieren könnten.
Unter solchen Vorzeichen, versuchte ich schon anzudeuten, verändert sich auch der technische Charakter der Arbeiten. Tätigkeiten mit vorsätzlicher Verantwortung wie bei den Holacracy-Beispielen nehmen zu, solche, bei denen abgestumpfte Massen die Kommandos Macht besitzender Vorarbeiter ausführen, verschwinden allmählich. So wie Fließbänder, denen Arbeiter getaktete Handreichungen machen müssen, durch vollautomatisierte Abläufe ersetzt sein werden.
So wie solche vereinzelten Organisations-“Wunder“ unter den heutigen Bedingungen der durch die Warenwirtschaft geprägten Menschen Insellösungen bleiben werden, so beweisen sie gerade in ihrer Existenz im eigentlich ungeeigneten Umfeld, dass sie bei geeignetem zur „Normalität“ werden könnten. Sie werden aber auch dann nicht die einzige Form des Zusammenarbeitens sein.
Eine insgesamt reiche Gesellschaft kann sich eine allgemein größere Vielfalt von Bedürfnissen erlauben. Das schließt „Sonderbedürfnisse“ nicht aus. Entscheidend wird aber sein, in einem extrem langfristigen Prozess eine Bedürfnisstruktur auszubilden, die wirklich den Ausdruck „allseitig entwickelte Persönlichkeit“ rechtfertigt.


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