Donnerstag, 8. Dezember 2011

Gedanken zu Gesetzen, nach denen sich Menschen richten, ohne sie aufgeschrieben zu haben



Gedanken zu Gesetzen, nach denen sich Menschen richten, ohne sie aufgeschrieben zu haben


Moritat vom Tal der Blinden




Oh, höret die Geschichte, was einst geschehen ist.
Es hatte angefangen vor unbekannter Frist.
Vielleicht war es das Wasser, vielleicht die schlechte Luft:
Wer lange lebt im Tale, gewöhnt sich an den Duft.
Wer lange lebt im Tale, gewöhnt sich an den Duft.

Es ist, wie schlimm, geschehen, dass niemand mehr was sah,
von seinem grünen Tale, der Sonne, wunderbar.
Bald wurde dort geboren ein jedes Unschuldskind
mit eben jenem Makel: Die Augen waren blind.
Mit eben jenem Makel: Die Augen waren blind.

Jedoch der Kreis der Menschen hat später es geschafft,
zu sehen ohne Augen durch Ohr und Geisteskraft.
Sie fanden eine Höhle für ihre Sicherheit.
Der Sonne Licht und Bilder - längst nur Vergangenheit.
Der Sonne Licht und Bilder - längst nur Vergangenheit.

Die Schönheit der Geschlechter als Bild sich schnell verlor;
doch durch der Finger Spitzen war warm sie wie zuvor.
Das Tal war abgeschieden, die Höhle unbekannt.
In Hunderten von Jahren kein Mensch sie wiederfand.
In Hunderten von Jahren kein Mensch sie wiederfand.

Ein Flugzeug, das schon brannte, gab den Piloten frei.
Am Fallschirm ging er nieder ins Tal der Blindenei.
Der Mann sah dort ein Mädchen beim Höhleneingang stehn.
Das hatte blonde Haare, war blass, doch wunderschön.
Das hatte blonde Haare, war blass, doch wunderschön.

Der Mann ging hin es küssen, es blieb leicht zitternd stehn.
Er haucht ihr in die Ohren, wie herrlich, dich zu sehn.
Sie hat ihn nicht verstanden, was er damit gemeint.
Doch weil sie Liebe fühlte, sich zart mit ihm vereint.
Doch weil sie Liebe fühlte, sich zart mit ihm vereint.

Die Andren sind gekommen bald in der Abendstund´.
Das Paar gab voll Entzücken die reine Liebe kund.
Man hat sehr wohl empfunden des Mannes Eigenheit.
Doch war man noch gewogen der Liebe Mächtigkeit.
Doch war man noch gewogen der Liebe Mächtigkeit.

Der Mann war voll Entsetzen: Ihr seid ja alle blind!
Verstand nicht ihre Worte vom Fühlen zart im Wind.
Er fand der Blindheit Wurzel, er fand der Rettung Weg.
Doch niemand ist gegangen auf seinem lichten Steg.
Doch niemand ist gegangen auf seinem lichten Steg.

Du kannst das Mädchen haben, doch bist du krank, kannst sehn.
Wie willst du wie wir fühlen; wie willst du uns verstehn.
Du sollst ein Unsrer werden, von Krankheit ganz geheilt.
Nur wer wie wir so blind ist, voll Glück im Tal verweilt.
Nur wer wie wir so blind ist, voll Glück im Tal verweilt.

Die Liebe war so mächtig, das Universum fern.
Der Mann hatte das Mädchen so wie die Sonne gern.
Am Tage seiner Hochzeit die Augen waren leer.
Er ließ vom Weib sich führen; er nahm es noch nicht schwer.
Er ließ vom Weib sich führen; er nahm es noch nicht schwer.

In all den spätren Jahren hat Fühlen er gelernt,
doch blieb trotz größter Mühe von allen er entfernt.
Es wurd ein Kind geboren, das in die Höhle schaut.
Zuerst war es mit Fühlen und dann mit Seh´n vertraut.
Zuerst war es mit Fühlen und dann mit Seh´n vertraut.

Die Eltern wollten hüten das fehlerhafte Kind.
Das war nicht wie die Andern, zwar hörend, doch nicht blind.
Die Eltern hießen´s schweigen, so lang es möglich war.
Doch wuchs, entdeckt zu werden alltäglich die Gefahr.
Doch wuchs, entdeckt zu werden alltäglich die Gefahr.

Der Mann ist fortgegangen, das Kind hat ihn geführt.
Es hat die Welt gesehen, es hat die Kraft gespürt.
Doch denkt es an die Mutter, der Mann denkt an sein Weib,
von dem er fortgezogen trotz Flehen, bitte bleib,
von dem er fortgezogen trotz Flehen, bitte bleib.

Nun kann der Mann nicht sehen in seiner eignen Welt.
Gar mancher stellt ihm Beine, zu sehen, wie er fällt.
Er möchte gerne retten, sein Weib, von Liebe still,
und dass sie letzten Endes auch selber sehen will,
und dass sie letzten Endes auch selber sehen will.





Erinnerst du dich noch, wie du „Geschichte“ gelernt hast? Als Abfolge von Ereignissen, bei denen große Persönlichkeiten zur rechten Zeit am rechten Ort waren oder eben nicht? Mit Daten, an denen die Entscheidungen Einzelner den weiteren Gang der Dinge in die eine oder andere Richtung lenkten? Kennst du Brechts „Fragen eines lesenden Arbeiters“? (Wenn nicht, google jetzt schnell nach!) Worauf kam es deinem Geschichtslehrer an? Dass du große Zusammenhänge nachvollziehen kannst oder dass du Fakten griffbereit hast, was wann wo war? Hältst du den Gang der bisherigen Geschichte für das Ergebnis von den Naturgesetzen vergleichbaren Entwicklungsgesetzen? Nein? Wenn aber ja … denkst du, die Geschichte geht dann mit gleicher Naturnotwendigkeit weiter? Und … wohin? Ich habe ja schon damit begonnen, dir etwas zum Thema „Gesetze“ aufzuschreiben. Lass mich daran anknüpfen …

In der Masse, sagen wir der „Menschheit“, wirkt, was jeder Einzelne von uns macht, chaotisch. Von dem Moment an, in dem es eine „menschliche Gesellschaft“ gab, wirkten in materialistischem Verständnis die Entwicklungsgesetze so, dass diese chaotischen Handlungen zu einem letztlich notwendigen (allerdings nur theoretisch vorherbestimmbaren) Ergebnis führten … nämlich den Verhältnissen, die wir heute haben. Egal, wer diese Gesetze erkannt hat. Irgendein einzelner Mensch, eine Gruppe von Menschen oder die ganze Menschheit. Oder ob überhaupt einer.
Alle gesellschaftlichen „Gesetze“ haben ihre Wurzel in Mechanismen, mit denen die Natur ihre eigene Existenz erhält. Die wirken weiter, obwohl der Mensch sie erkennen und damit beeinflussen könnte, erst einmal noch (aber nicht nur) deshalb, weil er sie nicht erkannt hat. Insofern ist es wichtig, solche Gesetze, Naturregeln, genau zu erforschen. Mit der Herausbildung der menschlichen Intelligenz hat sich die Natur eigentlich die Kraft geschaffen, mit der sie sich bewusst selbst regeln könnte. … Siehst du: Schon lachst du, wenn du die Menschen zum Maßstab nimmst, die du erlebt hast. Aber hast du nicht auch schon welche erlebt, die Verantwortung für ihre Umwelt entwickelt haben? Wenn ich nicht vorschnell verallgemeinern darf, dann darfst du das aber auch nicht.

Sagen wir, es findet sich ein Mensch, der auf andere glaubhaft wirkt, wodurch auch immer.
Sagen wir weiter, dieser Mensch behauptet, dass wenn alle anderen Menschen zu einem von ihm bestimmten Zeitpunkt in einen See steigen, so wird der ewige Schöpfer der Welt machen, dass dieses Gewässer über seine Ufer tritt.
Sagen wir, genug andere Menschen handeln, wie dieser eine es ihnen sagte.
Was passiert? Das Gewässer tritt tatsächlich über sein Ufer. Der Mensch hat ein „Wunder“ eines angeblichen Schöpfers bewiesen, das gar keines war. Er hat etwas vorausgesagt, dass unter den von ihm genannten Bedingungen notwendig so eintreten musste.
Stellen wir weiter fest: Wären nicht genug Menschen, der Wunderverkündung glaubend, ins Wasser gestiegen, so wäre der Wasserspiegel nicht gestiegen, also das vorher verkündete Wunder ausgeblieben. An der Existenz der naturgesetzlichen Wasserverdrängung hätte sich nichts verändert. Ihr hätten nur die Voraussetzungen gefehlt, wirklich wirksam zu werden.
Die Kraft der Idee (der Übereinstimmung seiner Erkenntnis mit dem tatsächlichen Handeln seiner Mitmenschen) des Mannes hat, unabhängig, ob ehrenwert begründet oder nicht, zu einer sichtbaren Veränderung geführt.

Nun meckere nicht! Was heißt hier eine „einfache“ Wasserverdrängung? Falsch!!! Es geht in diesem Beispiel darum, dass die vorangegangene „Prophezeiung“ des Mannes das Handeln der anderen Menschen und dieses wiederum das Auftreten eines Naturgesetzes hervorrief, das potentiell immer vorhanden war, ist und sein wird – unter bestimmten Voraussetzungen …
Nun sind eben „gesellschaftliche Gesetze“ solche, die immer erst durch das Handeln von Menschen wirken. Das Handeln des Menschen erwächst wie das Denkniveau, auf dem es beruht, aus dem „Entwicklungsstand der Produktivkräfte“. Beim heutigen Durchschnittsdeutschen würde unser Prophetenspiel nicht funktionieren - der kennt die Wasserverdrängung aus der Schule gut genug, um den „Propheten“ zu belächeln. (Heute müsste er also fragen „Wollen wir einmal zeigen, dass wir diesen See über sein Ufer treten lassen können?“)

Bei unserem Beispiel bliebe es gleich, ob der Mann die anderen betrügen will, um zu Macht zu kommen, oder ob er den Menschen zeigen will, welche Macht sie über die Naturgewalten haben. Entscheidend ist, er hat über die Wasserverdrängung nachgedacht, die richtigen Schlüsse gezogen … und über das Handeln der Massen die beabsichtigte Wirkung wirklich eintreten lassen.
Dies ist eine, wenn auch zugegeben etwas makabre, Verbildlichung von Marxens Satz „die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift.“1
Gäbe es die Wasserverdrängung nicht, hätte der Mann sie nicht erkennen und ausnutzen können. Die Gesetze in der menschlichen Gesellschaft kann man natürlich nur beim Handeln der Menschen beobachten, weil sie ja eben die Gesetze sind, nach denen sich dieses Handeln richtet … und das heißt, du solltest sie kennen, wenn du wissen willst, ob das, was du willst, zum Schluss auch herauskommen kann.

Der moderne Marxismus steht gerade vor diesem Problem.
Die Entwicklung der Materie führt vom Niederen zum Höheren. Das ist ein „Naturgesetz“ der Dialektik. Das Höhere gegenüber dem Kapitalismus wäre dabei (denken zumindest die Kommunisten) der Kommunismus, aber sobald die Menschen meinen, sie wären schon in diesem Gewässer gewesen (was ein Trugschluss ist) und der Wasserspiegel ist nicht gestiegen, wollen sie nicht „noch einmal“ hinein. Bekommt die Masse nicht aus einer neuen Richtung einen Anstoß zum erneuten Tun unter neuen Bedingungen, tritt das alte Gewässer nie über seine Ufer und verfault. Diee Menschheit geht unter.

Marx hatte es in dem Punkt leichter. Er war noch in der Rolle des Mannes, der zu „Unschuldigen“ sprach. Ihn bremste „nur“, dass „natürlich“ die Gegner der von ihm gewollten Entwicklung alles unternahmen, damit sein Wort einfach nicht genug Menschen für das richtige Handeln erreichte.
Das tun ihre modernen Nachfolger heute immer noch. Die „Erben“ der Macht im Kapitalismus unternehmen natürlich weiter alles, um ihre „Erbschaft“ zu bewahren. Und ihre Möglichkeiten sind gewachsen. Unter anderem nutzen sie die Begrenztheit des „gesunden Menschenverstandes“. Der nur mit solchem ausgestattete Betrachter sieht eine Menge Menschen, so wie sie gerade sind und wie er sie gut verstehen kann. Die verhalten sich nicht so, dass man mit ihnen „Kommunismus machen“ könnte, und der Betrachter schlussfolgert vereinfachend: „DIE Menschen sind eben so.“ und „Kommunismus kann man nicht machen.“ Okay, du auch ...

Übersiehst du dabei dabei nicht aber, dass du eben heutige Menschen vor Augen hast? Wenn du dir vorzustellen versuchst, dass der gläubige Mensch vor 700 oder der „unberührte“ Indianer vor 300 Jahren ganz Anderes als „vernünftig“ angesehen haben, dann erscheint es hoffentlich eher vorstellbar, dass unsere Nachfahren in 300 oder 700 Jahren ganz anders denken werden, als wir uns das ausmalen können … Einmal unterstellt, es gäbe dann noch welche.
Das Dumme ist, dass wir uns heute in einer Chaos-Welt befinden. Ohne eine Wertung abgeben zu wollen, ob Marx und Engels die richtigen Voraussagen getroffen haben, was den Weg angeht, so ist doch eines sicher: Der von ihnen beschriebene Zielpunkt der menschlichen Entwicklung, den sie Kommunismus nannten, ist davon abhängig, dass möglichst viele Menschen tatsächlich in jenen „See“ der Geschichte hineinsteigen. Wirklich handeln. Bleiben zu viele am Rande stehen – zum Beispiel mit der Entschuldigung, sie wären ja schon drin gewesen und der Wasserspiegel sei nicht angestiegen, sie hätten sich nur nass gemacht dabei – dann bleibt die notwendige Weiterentwicklung der Menschheit einfach aus.

Nun weiß die Wissenschaft, dass es eine allgemeine tendenziell gerichtete „Entwicklung“ gibt. Damit meine ich nicht den „Marxismus-Leninismus“. Der hat solche Erkenntnisse „nur“ zusammengetragen, zu einem Weltanschauungssystem verdichtet und vor allen Dingen ihre Anwendbarkeit auf die menschliche Gesellschaft dargestellt. Ich meine hier die Dialektik als System von Zusammenhängen und Methode, an die vereinzelten Zusammenhänge heranzukommen. Ich mache dir keinen Vorwurf daraus, wenn du noch nichts Richtiges von Dialektik gehört hast. Wer hätte es dir beibringen sollen? Zum Erhalt des Bestehenden gibt es mehrere Mittel. Damit, dass unruhige Geister das System ablehnen, müssen die Herrschenden rechnen. Wenn die dann wirksam genug geimpft sind, dass sich ja sowieso nichts außer Kleinigkeiten ändern lässt, sie also eine Weltanschauung des verzweifelten Achselzuckens entwickelt haben, dann bleibt alles wie es ist … und die Kritiker dürfen sogar ihre Meinung sagen ...

Wobei … Eigentlich wäre der Marxismus das richtige System für denkaktive Menschen. Das war nicht als Kritik gedacht. Gegen dich schon gar nicht. Leider ließen sich Denkfaule mit ihm die Erklärung der Welt kaugerecht in den Mund schieben. In der Vergangenheit wurde häufig „das Kind mit dem Bade ausgeschüttet“. Man bildete sich ein, dass wenn es „objektive Gesetze“ gibt, also Zusammenhänge, die unabhängig von einer bewussten Absicht notwendig und wiederholbar in einer bestimmten Weise auftreten, dann siege der „Fortschritt“ zwangsläufig. Richtig. Es gibt diese Gesetze. Aber sie heben sich oft gegenseitig auf. Und genau das haben auch viele „Marxisten“ übersehen. Marxismus ist – wie jedes Denksystem – bedroht von verkrustendem Dogmatismus auf der einen und verfälschendem Revisionismus auf der anderen Seite. Dabei musst du ihn als Handwerkszeug verstehen, um die Zusammenhänge in der Welt zu erfassen. Dann kannst du sie gestalten, indem du die Bedingungen herstellst, unter denen sie sich wunschgemäß entwickelt (wie unser Prophet oben). Ich bin der Möchtegern-Prophet … und du hast vielleicht einen neuen Impuls, durch den Massen den faulenden See über sein Ufer treten lassen.

Das Grundgesetz der Dialektik ist (wahrscheinlich) das einzige echte „Universalgesetz“. Es besagt, dass alle Formen der Materie sich in Bewegung, Veränderung befinden, sich nur als „Einheit und Kampf von Gegensätzen“ erklären lassen. Bedingungslos. Wobei der Ausdruck „Kampf“ missverständlich ist: Er ist nicht so zu verstehen, dass die eine Partei die andere besiegt und dann allein übrig bleibt, sondern es wird immer neu die Ausgewogenheit sich dabei selbst verändernder und einander bedingender Faktoren eines Ganzen hergestellt. Also solche Systeme wie Masse-Energie oder Atomkern-Atomhülle. Die Seiten der Systeme sind ohne die andere nicht das, was sie sind.

Eine zweite Ebene sind „Relativgesetze“. Wie leicht wäre die Welt zu verstehen, gäbe es nur lauter eindeutige und wiederholbare Wenn-dann-Beziehungen. Es gibt zwar eine Unmenge solcher gesetzmäßigen Zusammenhänge, sie treten aber in den seltensten Fällen für sich allein auf. Also zu jedem Wenn-dann kommt meist noch ein „… und-wenn-dann …“ mitunter sogar ein „...aber-wenn-dann-auch ...“.
Die meisten Relativgesetze sind deshalb nur erkennbar, wenn man von allem „Störenden“ abstrahiert. Man muss alle Bedingungen, die notwendig sind, damit eine Ausgangslage zu einer konkreten Endlage wird, kennen und als gegeben annehmen oder herstellen. Die „Störungen“ sind aber eben in der Wirklichkeit immer da.

Die dritte und problematischste Ebene nenne ich „Trendgesetze“. Hier bewegen wir uns auf philosophischen Höhen. Solche Trendgesetze versuchen nämlich eine „gesetzmäßige Ordnung“ in komplexe Zusammenhänge als Ganzes zu bringen.
In der Dialektik sind das zum Beispiel das Gesetz der „Negation der Negation“ und das vom „Umschlagen von Quantität in eine höhere Qualität“, letztlich eben die Behauptung einer Entwicklungsrichtung vom „Niederen“ zum „Höheren“. Prinzipiell sind auch das alles „objektive Gesetze“. Im Gegensatz zur Universalität aller Bewegung ist das Auftreten dieser Gesetze aber immer an Bedingungen gebunden. Fürs große Ganze stimmen sie, aber konkret praktisch überlagern sich verschieden gerichtete Trends, heben sich im Einzelfall sogar auf. Erst „letzten (!) Endes“ setzt sich der Trend durch. (Im Gegensatz zu Chaostheorien, bei denen sich solche Trends im Ganzen letztlich alle gegenseitig aufheben.)

Du hast ja Recht. Man kann lange darüber streiten, was wobei eine „höhere Qualität“ sein soll. Und vielleicht werden wir uns nie einig. Ich mache dir zumindest zwei Angebote. In der Natur könnte es die größere Vielfalt der Informationsverarbeitungsformen sein oder die wachsende Sicherheit der Selbsterhaltung von Systemen durch immer mehr Elemente, die Störungen der Harmonie des Ganzen ausgleichen können. Und nun schau dir die Masse der unterschiedlichen Formen von Leben an, die zusammen ein System bilden. Schon das interessante Phänomen des „intelligenten Lebens“ wirft ein Grundproblem dabei auf: Als denkende Lebewesen sind wir Menschen natürlich überzeugt, eine höhere Qualität der Existenz von Materie zu sein. Darüber können ganze Bierfässer leer diskutiert werden. Nehmen wir die Behauptung als richtig an, so bedeutete dies, dass sich alle Materie erst in Richtung Leben und dann in Richtung intelligentes Leben bewegen müsste (ohne allerdings niedere Stufen zu beseitigen).

Ja, und genau das sagt das „Gesetz“ wirklich aus. Aber eben nur als Trend, als prinzipielle Richtung. Wir haben bisher real im gesamten erreichbaren All noch keine unwiderlegbaren Spuren von fremdem Leben entdeckt. Zumindest im Moment fehlt uns jede Nachricht kluger Aliens.

Jedes „Wenn ..., dann …“ (also Relativgesetz) gilt immer dann, wenn das „Wenn …“ vorhanden ist. Die Menge der einander widersprechenden Einzelzusammenhänge ist bei den Trendgesetzen aber so groß, dass man eben nur sagen kann, dass es, (unterstellt, dass das Universum unendlich ist) dort irgendwo weiteres intelligentes Leben geben muss. (Und dass es im Laufe weiterer Milliarden Jahre Entwicklung insgesamt häufiger intelligentes Leben geben wird – was aber vom Verschwinden intelligenter Lebensformen in einzelnen Galaxien wie der Milchstraße begleitet sein kann. Als intelligentes Alien würde ich der Menschheit eine solche Untergangsprognose stellen.)
Das heißt nicht, dass es solches Leben im Umkreis von 100 Lichtjahren um die Erde gäbe. Das heißt nur, dass prinzipiell zwischen Intelligenzen gegenseitig befruchtende Kommunikation möglich ist beziehungsweise aus Sicht der Menschheit möglich werden könnte.

Es geht mir hier nicht um Spekulationen. Es geht mir um eine Besonderheit von Trendgesetzen: Der grundsätzliche Trend, über den sich „Höheres“ letztlich durchsetzt, wird ergänzt und überwuchert von einer zahlenmäßig weit überlegenen Zahl von Einzelvorgängen, bei denen entweder der dialektische Sprung noch nicht eintritt oder aber eine bereits eingeleitete Entwicklung zum Höheren abbricht und im Chaos versinkt … wie auch immer das konkret aussehen mag …
Und dies gilt für ALLE Trendgesetze. Auf einen Fall, in dem sich eine höhere Entwicklungsstufe durchsetzt, kommen zig Fälle, die so lange im Hamsterrad kreisen bis sie absterben. Aber wenn man zum Beispiel die Erdgeschichte betrachtet, ist eben neben aller Masse von untergegangenen Lebensformen schon die Menschheit entstanden - mit der Potenz, das Zusammenwirken von Lebensformen bewusst zu harmonisieren.
Die Anfangsstufe aller Entwicklung ist eine Natur, die ihre „Harmonie“ ohne jeden Vorsatz Beteiligter rein durch das Zusammenwirken von immer mehr chaotischen Kräften auf immer höherer Stufe neu herstellt.

Die erste Negation dieses Zustands ist das Auftreten des Homo sapiens. Schon unsere Urahnen wirkten mit Vorsatz auf ihre Umwelt ein und veränderten sie. Vom Trend her veränderten sie sie gemäß ihres Vorsatzes, also die beabsichtigte (Teil-)Wirkung trat immer wahrscheinlicher ein. Allerdings waren alle diese vorsätzlichen Eingriffe Störungen der Harmonie des Gesamtsystems Natur, das sich in veränderter Struktur wieder neu herausbildete. (Manche Landschaften blieben aber „zerstört“.)

Die Notwendigkeit zum Übergang zur nächsten Stufe ist von dem Moment an gegeben, in dem „der Mensch“ in das Gesamtsystem Erd-Natur so allumfassend eingreifen kann, dass eine Wiederherstellung eines natürlichen „harmonischen Systems“ nur unter (Wieder-)Ausschluss der Menschen möglich wäre. (Sicher wäre ein harmonisches Miteinander von Ratten und bestimmten Mikroorganismen auch innerhalb einer radioaktiv verseuchten Atmosphäre denkbar.) Allerdings gehören in die Gruppe solcher Systemeingriffe auch längerfristig wirkende wie ein die Erdoberfläche modifizierendes verändertes Klima und die direkte (vor allem aber indirekte) Erschaffung von (aus menschlicher Sicht) universalen (Anti-)Schädlingen. (Genetische Manipulationen, Krankheiten usw.) Also ist eine neue Verantwortung herangereift, sobald die unmittelbare Vernichtungstechnik in Händen einzelner Menschen das Potential enthält, die Menschheit als Ganzes zu eliminieren.

Ich mag an dieser Stelle nicht darüber nachdenken, was wichtiger ist: Die Möglichkeit des Menschen, bewusst mit seinem und dem Leben seiner Mitmenschen umzugehen, und dass kein Mensch mehr aus „natürlichen“ Ursachen heraus vorzeitig sterben müsste, oder die Wirklichkeit, dass trotzdem Massen verhungern und verdursten, beim Gebären krepieren und Ähnliches, was im weiten Sinn für einige Menschen ein herausgehobenes Leben ermöglicht. Ja, ich bin überzeugt, inzwischen besitzt „die Menschheit“ bereits die technischen Möglichkeiten, „vernünftig“ in und mit ihrer Umwelt zu leben.

Egal: Ein höheres Stadium der Entwicklung der Materie ist es, wenn eine intelligente Form die Harmonie ihrer Umwelt vorsätzlich herstellt. Sie muss sie also erkennen und als Gesamtsystem bewusst beeinflussen. Dass dies kein Zustand, sondern wie in der „ursprünglichen“ Natur ein immer währender Prozess ist, sollte klar sein. Immer wieder sind neue einzelne Zusammenhänge zu erkennen und einzuordnen ins beabsichtigte Ganze.
Du als Pessimist sagst, das kommt nie. Damit akzeptierst du aber, dass wir uns möglichst schnell noch den Mars ansehen sollten: Früher oder später haben wir die Erde so zugerichtet, dass unsere Kinder keine Kinder mehr haben werden. Nie mehr. Die Erde würde der nächste Mars.

Wir haben etwas erlebt, was die Idee des Kommunismus diskreditiert hat, und wir Deutschen haben dabei eine negative Hauptrolle gespielt. Die Produktionsverhältnisse entsprechen dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte?! Dies ist das (ökonomische) Hauptgesetz aller menschlichen Geschichte?! Das bedeutete logisch auch, dass es Produktionsverhältnisse geben kann, die sozusagen „zu früh“ geschaffen werden. Das bedeutet doch aber nicht, auf die Revolution zu verzichten, sofern die äußeren Bedingungen gerade günstig sind. Das waren sie eben wegen des schrecklichen Weltkriegs. Dass die technische Entwicklung bis 1990 noch gar nicht reif gewesen sein könnte für die Entfaltung des Sozialismus, können wir jetzt erahnen, weil wir jetzt besser wissen, welche „Produktivkräfte“ für einen „richtigen“ Sozialismus / Kommunismus nötig wären. Und wenn wir wissen, dass wir sie heute haben, dann ist das ein Grund zur Hoffnung auf einen erfolgreicheren Neuanfang. Denn jetzt – das möchte ich im Folgenden behaupten – sind die Produktivkräfte reif, sofern man das allgemein sagen kann. Meiner Meinung nach hat längst die Zeit begonnen, wo wir zwangsläufig in eine von mehreren möglichen Katastrophen hineinsteuern, wenn wir diese Produktivkräfte in den Händen zerstörerischer Produktionsverhältnisse belassen.

Noch etwas Grundsätzliches: Die Klassengesellschaften hatten etwas gemeinsam. Es gab einen Grundwiderspruch zwischen den Hauptklassen in ihrer gegensätzlichen Stellung im gesellschaftlichen Reproduktionsprozess, nämlich dass die einen im Wesentlichen besaßen, womit sie die anderen zu ihnen fremden Handlungen zwingen konnten. Dieser eine grundlegende Widerspruch ist im Kommunismus weggefallen. An seine Stelle treten Widersprüche zwischen den vielen Menschengruppen mit unterschiedlicher Stellung im Reproduktionsprozess. Diese lösen sich ja nie auf. Es ist auch nicht pauschal zu sagen, wie „positiv“ oder „negativ“ sie im einzelnen wirken werden. Denn der Stolz auf eine besondere eigene Leistung grenzt an „Standesdünkel“ … und dann wäre er negativ. Es ist also immer wieder neu ein „Kunststück“, jeder vollbrachten Leistung die nötige öffentliche Anerkennung zu vermitteln.
Und es gibt einen sich wieder offen entfalteten Widerspruch: Auf der einen Seite stehen alle individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten, auf der zweiten alle vielfältigen individuellen Hemmnisse, diese Möglichkeiten zu entfalten, auf der dritten Seite(!) das erreichte Niveau der allgemeinen und einzelnen Bedürfnisse, auf der vierten das Niveau ihrer Befriedigung und mindestens auf der fünften „Seite“ stehen die neuen Bedürfnisse, die sofort erwachsen, sobald vorige befriedigt worden sind. Dies ist sehr mangelhaft dargestellt. Es soll nur eines aufzeigen: Man wird im Kommunismus ein grundsätzlich neues Bild vom Gesetz der Einheit und dem Kampf der Gegensätze entwickeln. An die Stelle einer A-B-Beziehung treten mehrdimensionale Beziehungsmuster, die unauflösbar bleiben und deren „Harmonie“ darin besteht, dass sie nicht in ein Niveau zurückfallen, auf dem sie nur durch den „Sieg“ einer Seite aufgelöst werden können.

Die (Produktions-)Verhältnisse, die unser Zusammenleben bestimmen, müssen dem Niveau der „Produktivkräfte“ entsprechen. Ich behaupte, dass sie dies heute schon nicht mehr tun und demzufolge geändert werden können und müssen. Woran man dies ersehen kann, sollte noch genauer betrachtet werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir da zu gleichen Schlüssen kommen.








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