Donnerstag, 8. Dezember 2011

Wortwirrwarr

Meinungsfreiheit


Eine Meinung haben alle Menschen zu allen Sachverhalten, von denen sie etwas gehört oder gesehen haben. Sie ist die erste, oberflächliche geistige Widerspiegelung der Umwelt durch jedes Einzelwesen. Tiere widerspiegeln ihre Umwelt auch. Dabei können, oft dürfen sie nicht besonders „tiefsinnig“ werden. Es ist zweckmäßig, eine Art Ur-Meinung zu haben. Dabei gibt es sinnvolle Erstinstinkte und Überlagerungen durch Erfahrungen. Ein sinnvoller Erstinstinkt ist, alles, was man nicht kennt, als feindlich anzusehen, das Rascheln im Unterholz, wenn man es nicht sofort deuten kann, als Aufforderung zur Flucht oder zur Gegenoffensive anzusehen, damit nicht das Unbekannte den Überraschungseffekt ausnutzt. Auch die Erfahrung ist sehr oberflächlich. Aus äußeren Ähnlichkeiten wird auf allgemeine Ähnlichkeit geschlossen. Auch dies muss sehr schnell gehen. Ein einziger Irrtum kann tödlich sein. Eingeschlafenes Misstrauen ist der gefährlichste „Irrtum“.
Dieses Urtierische kommt im menschlichen abstrakten Denken am ehesten als „Meinung“ zum Vorschein. Es ist ein sinnvolles Hilfsmittel, nicht über alles neu nachdenken zu müssen. Wen einmal eine Blondine betrogen hat, dessen Unterbewusstsein „weiß“, dass Blondinen betrügen. Wäre das menschliche Denken insgesamt nicht vielschichtiger, würde der Betroffene die Nähe aller Blondinen meiden.
Eine Meinung ist also eine widersprüchliche Sache: Auf der einen Seite sorgt sie dafür, dass wir überhaupt auf alles reagieren können, was uns begegnet, weil es uns hilft, etwas schnell gut oder böse zu finden, andererseits ist jede Meinung nah verwandt mit dem Vorurteil, weil wir schon „wissen“, bevor wir wissen, und allzu kompliziertes Durchdenken nicht mehr nötig erscheint – je komplexer eine Sache wird, umso nötiger wäre es jedoch, sich über das Einerseits und Andererseits zu informieren und es dann erst zu beurteilen.
Wer sich anmaßt, anderen eine Meinung zu „bilden“, der versorgt sie gezielt mit Teilwahrheiten, dass sie nicht mehr näher nachdenken – befangen im Irrglauben, schon „alles“ zu wissen (davon gehört zu haben).
Gegen „Meinungsfreiheit“ zu sein bedeutete, den Menschen zu verbieten, ihr Gehirn in der Art zu benutzen, in der es funktioniert.
Wer allerdings möchte, dass sich die Menschen weiter entwickeln, sollte sich bemühen, fundiertes Wissen an die Stelle oberflächlicher Meinungen zu setzen. Dazu gehört auch, die Unsinnigkeit bestimmter Meinungen aufzuzeigen – möglichst nicht dadurch, dass man sagt, meine Meinung ist die richtige oder … ist die richtige, weil die schon … gehabt hat. Eine Meinung wird ja nicht dadurch wahrer, dass die Mehrzahl der Menschen sie vertritt. Die Erde hat sich auch zu Zeiten, als mehr Menschen als heute anderer Meinung waren, um die Sonne gedreht.
Aber trotzdem greift jede Meinung irgendetwas „Richtiges“ auf. Dies gilt es zu durchdenken.
Das ist zumindest meine „Meinung“ ...

Stalinismus – Leninismus – Marxismus

Man kann alles in sein Gegenteil umkehren - allein schon dadurch, dass man Zeitbezug und sachliche Ebene verwirrt. Nach dem Motto „Die meisten Menschen freuen sich auf Eis im Sommer – aber kein Mensch freute sich, im Eis stecken zu bleiben“.
Im entfalteten Kommunismus würde jeder Mensch anarchistische Forderungen nach Abbau aller „Macht“ als seltsam, weil längst verwirklicht auffassen – warum sollte man etwas Vorhandenes fordern? Im reifen Sozialismus sind dieselben anarchistischen Forderungen progressiv, treiben die Gesellschaft vorwärts. In einer Übergangsgesellschaft oder im Kapitalismus sind dieselben (!!!) Forderungen entweder reaktionär, insoweit sie auf die bewusste Selbstentwaffnung der progressiven Kreise hinauslaufen, oder naiv, da die Kapitalistenklasse als solche aggressiv ist und insofern ein einzelner zur Gewaltlosigkeit bekehrter Kapitalist nur aus seiner herrschenden Klasse ausgestoßen würde. Es kommt also nicht darauf an, eine Sache ( zum Beispiel hier den Anarchismus) „an sich“ zu bewerten, sondern sie in die Zusammenhänge einzubetten, in denen sie sich in eine bestimmte Richtung auswirkt.
Insofern ist eine gesunde Skepsis im Umgang mit Ismen, besonders solchen, die sich auf den Namen einer einzelnen Person beziehen, immer angebracht. Sie sind von vornherein immer ein Stück unwahr: Jeder Mensch macht Fehler, hat Schwächen, begreift einige der Bedingungen, unter denen sich seine persönliche Sicht entwickelte, nur einseitig oder falsch – so wie jeder Mensch manches richtig sieht und in manchen Situationen richtig handelt. Ismen maßen sich also immer an, eine Person auf die Teile reduzieren zu dürfen, die denen, die diese Ismen als Begriff prägten, gerade ins System passen. Und so kann man unter dem Deckmantel der Berufung auf eine „Größe“ das Wesen von dessen Lehre u.U. in sein Gegenteil verkehren. So wie häufig Zitate aus ihrem Zusammenhang gerissen nicht das aussagen, was sie meinten.

Ich halte eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen „Stalinismus“ für unbedingt erforderlich für eine letztlich in tatsächlichen Kommunismus führende Gesellschaft. Allerdings ist der Begriff extrem belastet. In seiner Hauptbedeutung ist er ein ideologischer Kampfbegriff übelster Antikommunisten. Mit mehr oder weniger psychologischer Raffinesse wurde er geprägt, um einen Pawlowschen Reflex auszubilden: „Stalinismus“ ist „Kommunismus“ und zwar „Kommunismus“ so, wie er in der Wirklichkeit „kommunistischer“ Machtausübung aussieht. Mit anderen Worten: Die Begriffsprägung „Stalinismus“ ist in diesem Sinn ein Versuch, dem Nachdenken über „Kommunismus“ vorzubeugen, eine Art Schutzimpfung für Denkfaule, deren Unterbewusstsein auf „Kommunismus“ sofort „Stalinismus“ aktiviert und sich dabei eine Art „Sowjetfaschismus“ vorstellt.
Nun ist dialektisches Denken an sich etwas Unbequemes: Immer soll man unterscheiden zwischen Wesen und Erscheinung, aber auch noch zwischen Erscheinungen, die das Wesen außen sichtbar machen, und solchen, die das Wesentliche „ergänzen“, von ihm abweichen, ihm sogar widersprechen – zumindest auf einer bestimmten Ebene.
Bisher habe ich mich stärker auf die wesentliche Seite konzentriert. Also dass unter dem Druck der durchlebten Interventionen für das Sowjetreich eine besonders militante Verteidigungsform nahe lag, die auch „Auswüchse“ billigend in Kauf nehmen MUSSTE.

Für Kommunisten unter sich sollte stärker die andere Seite eine Rolle spielen. Also das nicht Notwendige, das nicht Wesentliche. Ein solches Herangehen ist insofern wichtig, eben weil diese Elemente von „Stalinismus“ bei einem künftigen Weg zum Kommunismus vermieden werden können und müssen. Wie aber sollten wir das unterscheiden, wenn wir alle geistige Kraft für die Verteidigung vergangener Notwendigkeiten verausgeben?
Gemeint sind zwei böse Seiten einer Medaille: Auf der einen Seite steht das persönliche Machtstreben auch jener Menschen, die sich „Kommunist“ nennen. Eben weil auch Kommunisten „nur“ Menschen sind, sind sie nicht vor dem unterbewussten Gedanken gefeit, das, was sie denken, für das Richtige zu halten, das, was sie für „Kommunismus“ halten, mit dem Kommunismus gleichzusetzen… und demzufolge alle von ihren persönlichen abweichenden Positionen für „feindliche“ zu halten. Als Mensch können sie also ihr persönliches Machtstreben mit der Durchsetzung der neuen Gesellschaft verwechseln und die Beseitigung eines persönlichen Kontrahenten für Klassenkampf halten, bei dem sie selbst selbstverständlich immer auf der richtigen Seite stehen. Sie können damit gelegentlich sogar Recht haben ...
Im entfalteten Kommunismus wird diese Übereinstimmung von persönlichem Streben und gesellschaftlicher Notwendigkeit tendenziell immer wahrscheinlicher – im Ausgang aus dem entfalteten Kapitalismus ist es in erster Linie aus den bestehenden Verhältnissen erwachsener gewöhnlicher Egozentrismus.

Hier stößt „Stalinismus“ auf den Kampfbegriff „Leninismus“. Die diesen Begriff verwenden, verengen den Namensgeber meist in fürchterlichster Weise. Während der reale W.I. Lenin das gesamte System des „Marxismus“ auf die Verhältnisse des 20. Jahrhundert zu aktualisieren und in praktische Einzelschritte zu zerlegen versuchte, wird der Begriff häufig auf eine Entwicklungsphase Lenins verengt: Seine unter brutalster zaristischer Verfolgung entwickelten Überlegungen zu einer erfolgreichen „Partei neuen Typs“. Wer undialektisch an diese Überlegungen herangeht, vernachlässigt die Notwendigkeit, bei schlimmster Verfolgung zu sofort umsetzbaren Beschlüssen kommen zu müssen. Im Prinzip enthält auch „Was tun?“ alle Gedanken zur „Basisdemokratie“ - allerdings unter harten Kampfbedingungen. Es ist einfach unfair, den Willensaufbau von unten nach oben in der Partei der Beschlussdurchsetzung von oben nach unten entgegenzustellen und Letzteres Leninismus zu nennen.
Aber es gibt eben Vereinfachungen: Der oberste „Entscheider“ entdeckt als charakterlich ungefestigter Mensch den Rausch der Macht … und kann ihn missbrauchen. Wasser predigen, Wein trinken ...

Nun kommt die andere Seite der Medaille: Zum praktizierten „Stalinismus“ gehören natürlich auch alle bin ins Groteske getriebenen Auswüchse von Personenkult, den die Untergebenen treiben. Wenn Kindergruppen in ihrer Zusammenkunft im Präsidium einen Platz für den Genossen Stalin frei hielten, war dies einfach lächerlich. Insgesamt ist es aber das System des sich Andienens, das erst die gigantische Macht einzelner „Führerpersonen“ ermöglicht. Es gehört neben der Machtgier Einzelner eben die Akzeptanz der Anderen dazu. Und dies ließ sich leider nicht auf die Person des Josef Stalin beschränken, sondern zumindest begünstigte es die Erschleichung von Machtpositionen durch inzwischen als Feinde einer gemeinschaftlichen Gesellschaft entlarvte Täter vom Typ Gorbatschows oder Jelzins.

Das Problem „Stalinismus“ deckt allerdings ein grundlegendes geschichtliches Phänomen auf. Ich nenne es hier einmal „Konservatismus des Faktischen“. Dies ist insofern wichtig, als es eine potentielle Bedrohung des Kommunismus darstellt.
Eine grundlegende natürliche Eigenart des Lebens ist seine Fähigkeit zur Anpassung an gegebene (und sich ändernde) Verhältnisse. Dabei nimmt der Grad der Bewusstheit der Anpassung mit dem Grad der Bewusstheit der Lebensform zu. Aber das Prinzip bleibt. Sozusagen auf eine aus dem Tierreich herausragende Intelligenz aufbauend analysiert „der Mensch“ die ihn umgebenden Verhältnisse und entwickelt Strategien, sich ihnen entsprechend zu verhalten. Das ist der urtümliche Kodex des Verhaltens. Sich bewusst revolutionär zu verhalten, also eine die eigene Person als Horizont übersteigende Erkenntnis von Notwendigkeiten als Handlungsgrundlage zu entwickeln, bedeutet einen zumindest partiellen Bruch mit diesem Prinzip, der normalerweise nicht von eine Mehrheit erwartet werden kann. Es ist eine Art Selbsterhaltungstrieb, sich im „Kapitalismus“ „unsolidarisch“ zu verhalten, weshalb das Verschwinden des egoistischen Grundschemas erst nach dem Ende der „Übergangsgesellschaften“ möglich wird.

Der natürliche Mechanismus stärkt also die jeweils bestehenden Machtverhältnisse – das trifft eben auch einen Machtapparat, bei dem einige Personen an der Macht für sich den „Aufbau des Sozialismus“ als Ziel in Anspruch nehmen. Da der Sozialismus aber nicht das Werk weniger Personen sein kann - die können nur leichter seine Fundamentsteine wie Gemeineigentum juristisch setzen – wirkt der „Konservatismus des Faktischen“ hier doppelzüngig: Zum einen hilft er bei der Festigung der Machtposition der bestimmenden Personen, zum anderen reproduziert er bereits unter der Oberfläche des „Aufbaus des Sozialismus“ privatkapitalistische Konkurrenzdenkstrukturen.
Und was mindestens genauso wichtig ist: Ein solcher „Mechanismus“ ist „antikommunistisch“. Er ist eine „natürliche“ Strategie zur Anpassung an Macht. In gewisser Hinsicht „denkt“ da „der Mensch“ wie ein Tier und richtet sich in der einen wie der anderen Machtstruktur ein. Im Kommunismus gibt es aber im herkömmlichen Sinn keine Machtstrukturen. Kommunismus existiert gerade nur durch die kreativen Ideen Einzelner – wahrhaft kreative, also solche, die das System ohne „Eigennutz“ vorwärtsbringen.
Es kann sein, dass ich das mit der Brille eines Heutigen völlig falsch sehe. Wir sind gewohnt, „Eigennutz“ als etwas Egoistisches, GEGEN „die Anderen“ Gerichtetes zu verstehen. Wer sagt uns denn, dass nicht dieselbe Selbsterhaltungsstrategie einmal eine „Anpassung“ an „herrschende“ kommunistische Verhältnisse sein wird? Dass der „Egoismus“ „des Menschen“ sich in den Drang wandelt, positiv aufzufallen? Dass die ständige Wiederholung und Festigung solcher Verhaltensweisen nicht zu ihrer Verinnerlichung führen kann? Dies setzte aber logisch voraus, dass sich bereits kommunistische Verhältnisse durchgesetzt hätten. Und es bedeutet, dass immer neu Anreize gefunden werden müssen, über das vorhandene Niveau des Kommunismus hinausweisende Aktivitäten zu stimulieren.
Ich meine damit nicht die Doppelzüngigen aus DDR-Zeiten. Die Gesamtverhältnisse förderten damals real noch eine Strategie, laut „Hurra Sozialismus“ zu rufen und leise in die eigene Tasche zu scheffeln. Außerdem waren mit den Parteisekretären sogar noch neue Machtstrukturen, graue Eminenzen, installiert worden.
In solch einem Sinn gibt es aber im e. K. keine „Mächtigen“ mehr. Es gibt höchstens Sachentscheider, Kapitäne vor Ort, okay … Aber größere Bedeutung gewinnen kommunistische „Facebook-Gruppen“, also solche, wo das Austreten aus dem „sozialen Netzwerk“ ähnlich unkompliziert funktioniert wie das Eintreten, ein identifiziertes „Ekel“ also sehr schnell allein dasteht. Kann denn jemand, der – und das über Generationen - „seinen Egoismus“ peinlichst verbergen muss, Egoist bleiben … wenn er sich mit „Schwein-Sein“ schadet?
Wie immer man über „Stalinismus“ im Einzelnen denken mag – die Erscheinungen, die man mit dem Ausdruck verknüpfen kann, sind dem Kommunismus aus seinem tiefsten materiellen Wesen heraus fremd. Selbst da, wo „Kapitäne“ wirken, fördern offene soziale Netzwerke die Achtung wegen charakterlicher Stärken. Der Zwang, sich einem William Bligh1 zu unterwerfen, ist gering. Er könnte aus technischen Gründen höchstens bei interstellarer Raumfahrt auftreten, weil das Kollektiv über einen längeren Zeitraum im Kleinen funktionieren muss.

Warum bin ich dagegen, den Begriff „Diktatur des Proletariats“ zu gebrauchen?

Begriffe sind immer Teile eines Begriffssystems. Sie erhalten ihren Sinn aus dem Zusammenhang mit anderen. Eine Sprache, die keinen Ausdruck „Krieg“ kennt, weil es für das diese Sprache sprechende Volk keine Kriege gibt, hat auch keinen Begriff „Frieden“, obwohl Frieden allgegenwärtig ist.
Für Menschen, die sich mit Gedanken auseinandersetzen, die über den Denkhorizont der jeweils herrschenden gesellschaftlichen Ordnung hinausreichen, gibt es ein zusätzliches Problem: Die Begriffswelt einer Zeit wird durch die in dieser Zeit Herrschenden geprägt. Ihre Begriffe sind dabei nicht nur, aber zuerst einmal Mittel, um die eigenen Machtverhältnisse mit positiv getöntem Äußeren zu versehen. So sind sie medial allgegenwärtig. Es ist also logisch, dass zur Emanzipation der die bisherigen Machtverhältnisse in Frage stellenden Kräfte auch gehört, die tatsächlichen Verhältnisse ungeschminkt darstellende Begriffe zu prägen. Aus diesen Begriffen erwächst zum neuen Verständnis der Welt ein ganzes geschlossenes Begriffssystem. Das Problem dieses Begriffssystems: Es ist mit dem herrschenden nicht kompatibel. Selbst wenn es vertraute Wörter gebrauchte, so wären sie anders bewertet.
Es ist eine bedeutsame Leistung von Karl Marx, das Gerüst von klar definierten Begriffen – so klar definierten, dass sie wissenschaftlich sind – für eine neue Weltanschauung gebaut zu haben.
Einer dieser Begriffe ist die „Diktatur des Proletariats“, die die Arbeiterklasse als ersten Schritt zum künftigen Sozialismus/Kommunismus errichten muss. Diese Aufgabe zu leugnen hieße Selbstaufgabe.
Nun hat aber dieser Begriff innerhalb des Begriffssystems des Marxismus eine logische Voraussetzung: Das Wesen des Kapitalismus besteht in der Diktatur des Kapitals (der Kapitalistenklasse). Wohlgemerkt das Wesen! Marx ging es dabei nicht um Erscheinungen. Natürlich hätte er den Hitlerfaschismus als formale Diktatur verstanden. Er schloss in seinen Begriff aber ein, dass auch das, was der Form nach „parlamentarische Demokratie“ heißt, dem Wesen nach nur die Diktatur des Kapitals verhüllt. In dem Sinne, dass, egal, was in den Schwatzbuden erzählt wird, das Kapital herrscht. Es bedient sich dabei diverser Hüllen, eines Apparats aus Gewalt, Beamtentum, verselbständigtem Geist der herrschenden Klasse usw. Ohne jede Mühe verkündeten ja Vertreter der faschistischen Diktatur in Deutschland kurz darauf das Funktionieren der „Demokratie“ - dieselben Menschen!
Nur in Entgegenstellung zur „Diktatur des Kapitals“ gewinnt die „Diktatur des Proletariats“ ihre Berechtigung. Es war nie gemeint, dass einzelne Personen oder Parteien neue Alleinherrscher werden sollten. Es ging immer darum, dass auch nach der formalen „Regierungsübernahme“ von Vertretern der „Arbeiterklasse“ ein wirtschaftspolitisches Netzwerk besteht, das die vorigen Machtverhältnisse reproduziert – und zwar immer wieder - wenn es nicht mit außerökonomischen Mitteln, also mit der politischen Macht daran gehindert wird. Ich nenne dies Überkompensation der Macht. Es müssen zum Beispiel besonders geförderte Wege eröffnet werden, damit der „Arbeiter“ in Führungspositionen in der Wirtschaft, in der Bildung, in den meinungsbildenden Medien usw. gelangt – ansonsten reproduzieren sich die „alten Seilschaften“.
Nun haben wir also das Problem, dass nur der „Diktatur des Proletariats“ richtig versteht, der um die „Diktatur des Kapitals“ weiß. Die Masse ist aber die manipulierenden Ausdrücke der Machtmedien gewöhnt. Dort steht eine begrifflich positiv belegte „Demokratie“, in der jeder alles sagen kann, was die Machtverhältnisse nicht real verändert, und jeder alle vier Jahre seine Vertretung an verschiedene vom Kapital gesteuerte Parteien abtreten kann und muss, dem Begriff „Diktatur“ einer Einzelperson oder einer kleinen Gruppe gegenüber. Da noch dazu die Definition der „Arbeiterklasse“ / des „Proletariats“ schwierig, auf jeden Fall kein Allgemeingut ist, ist es leicht selbstmörderisch, sich selbst mit dem Umhang eines im Massenbewusstsein eindeutig negativ belegten Begriffs bedecken zu wollen. Noch dazu, da das, was Marx „Diktatur des Proletariats“ nannte, wissenschaftlich betrachtet, bereits eine Höchstform der Demokratie wäre, wenn sie marxistisch umgesetzt würde: Sie bezöge die größten Teile der Menschheit real in die Gestaltung ihrer Angelegenheiten ein … Das müsste „man“ gleich mit verstehen ...


geldlos

Gäb es kein Geld,
so lautet ganz konkret die Frage,
ging dann noch wer
zur Arbeit alle Tage.

Ich meine ja
obwohl
die Gründe sind verschieden
so wie du und ich
und von Mal zu Mal
gelegentlich.

Der erste Grund
scheint schon allein,
einfach so
unter Menschen zu sein.

Und für wen ist es denn
nicht ein echter Gewinn,
erkannte er klar,
was er macht,
das hat Sinn.

Und es müssen die Arbeiten
andere werden,
zum Freuen mit Freunden
für alle auf Erden.

Und nicht so viel,
bis sie quälen als Last,
und nicht überwacht
und nicht voller Hast.

Und wer sie vollbringt,
der kann sich gut leiden,
und wird dann die Faulen
nicht wie heute
beneiden.

Was bringt mir das heute?
Wahrscheinlich kein Geld.
Doch schön träumt sich´s trotzdem
von ner besseren Welt.Habele?
1Kapitän der Bounty, gegen dessen Regime gemeutert wurde

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