Mittwoch, 29. Juni 2011

1. Abschnitt: Wie ich trotz und wegen der DDR (20)

Aber ich muss noch einmal zeitlich weiter zurück greifen. Schließlich ist es nicht allein eigene ausufernde Fantasie, dank derer es mir leichter fällt, mich in Bedingungen hineinzuversetzen, die es in der uns vorliegenden Welt einfach nicht gibt, egal ob nicht mehr oder noch nicht.
Im Anschluss an das Studium war mir nämlich eine Reise vergönnt, die mir in gewisser Hinsicht als eine Zeitreise vorkam. Dabei begann sie mit einem für mich typischen Reinfall. Gegen Ende des Studiums wurde ich mit einer Studentin verkuppelt, die ihre Semesterferien bereits verplant hatte. Ohne meine körperlichen Probleme zu berücksichtigen, stimmte ich spontan zu, mit ihr und ihren Freunde mitzukommen. Wir würden also durch die rumänischen Karpaten wandern. Einfach Rucksack gepackt und los. Bei den ersten Beanspruchungen meine Knie wurde dann deutlich: keine Chance. Alleine zurück? Liane hatte den rettenden Einfall. Sie trennte sich auch von den Anderen und zu zweit begann eine Tour, bei der ich nicht sagen kann, ob sie sich heute irgendwo auf der Erde wiederholen ließe ...

Also ich gebe zu, dass ich die Route nicht beschreiben kann, den wir da zurückgelegt haben. Wir haben keine „offiziellen“ Stationen gemacht, also irgendetwas Hotelartiges aufgesucht. Wir sind getrampt ohne konkretes Ziel. Höchstens: In der Gegend gab es viele Leute, die Deutsch sprachen. Solche Leute wollten wir finden, bei ihnen übernachten, uns unterhalten und Vorschläge bekommen, was wir als nächstes unbedingt ansehen sollten. Es gab keine Kontaktprobleme und kaum ein Fahrzeug fuhr an uns vorbei, ohne zu halten und nach unserem Ziel zu fragen. Nun schien Liane zwar einem Fotoalbum über Blumenkinder entstiegen, aber das war trotzdem nicht der entscheidende Grund. Die Freundlichkeit war allgegenwärtig, beschränkte sich nicht auf die Solidarität der sich verfolgt fühlenden deutschen Minderheit. Obwohl für einen Deutschlehrer die Begegnung mit Menschen, die ein „Deutsch“ sprachen, das in ihrer heimatlichen Landschaft wohl vor 150/200 Jahren gesprochen worden sein mochte, bereits ein Erlebnis für sich war. Gerade die Assimilierungspolitik unter Ceaucescu förderte als Anti-Haltung das Festhalten an überlieferten Traditionen. (Insoweit kann ich heute die „Migranten“ in Deutschland leichter verstehen, dass sie sich nicht zu Deutschen dritter Klasse umwandeln lassen wollen.) Am drastischsten erlebten wir dies in einer Familie, in der der „Patriarch“ eine Ungarin geheiratet hatte. In seiner Umgebung, in seinem Haus durfte nur DEUTSCH gesprochen werden. In der Schule durfte die Tochter nicht deutsch, musste Rumänisch sprechen. Die Mutter freute sich, weil sie wenigstens heimlich jemanden hatte, mit dem sie sich in heimischen ungarischen Klängen verständigen konnte – wie gesagt: jeweils vor den anderen Parteien geheim zu halten.
Doch das war nicht das, was mich am stärksten beeindruckte. Das nämlich ereilte uns total unverhofft. Man stelle sich vor, ein Fahrzeug hatte uns in einem abgelegenen Dorf abgesetzt. Wir waren ein Stück fröhlich in Richtung Ortsausgang gelaufen. Da überraschte uns ein Gewitterguss

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