Montag, 17. Dezember 2012

Kapitelanfang DDR (5)


Es begann mit einem für mich typischen Reinfall. Im Frühsommer, mein Studium war gerade zu Ende, wurde ich mit einer Studentin verkuppelt, die ihre Semesterferien bereits verplant hatte. Ohne meine körperlichen Probleme zu berücksichtigen, stimmte ich spontan zu, mit ihr und ihren Freunden durch die rumänischen Karpaten zu wandern. Einfach Rucksack gepackt und los. Bei den ersten Beanspruchungen meiner Knie wurde dann deutlich: Ich konnte nicht. Alleine zurück? Liane hatte den rettenden Einfall. Wir trennten uns von den Anderen und zu zweit begann eine Tour, bei der ich nicht sagen kann, ob sie sich heute irgendwo auf der Erde wiederholen ließe.
Unsere Route kann ich nicht beschreiben. Wir haben keine „offiziellen“ Stationen gemacht, sind getrampt ohne konkretes Ziel. Höchstens: In der Gegend gab es viele Leute, die Deutsch sprachen. Solche Leute wollten wir finden, bei ihnen übernachten, uns unterhalten und Vorschläge bekommen, was wir als Nächstes ansehen sollten. Es gab keine Kontaktprobleme und kaum jemand fuhr an uns vorbei, ohne zu halten und nach unserem Ziel zu fragen. Die Freundlichkeit war allgegenwärtig, beschränkte sich nicht auf die Solidarität der sich verfolgt fühlenden deutschen Minderheit. Das war Erlebnis eins: Wir wurden laufend durch Gemeinschaften gereicht, die alle bedingungslos offen und herzlich zu uns waren, etwas gaben ohne Gegenleistung. Für einen Deutschlehrer war natürlich die Begegnung mit Menschen, die ein „Deutsch“ von vor 150/200 Jahren sprachen, ein Erlebnis für sich. Gerade die Assimilierungspolitik unter Ceausescu förderte als Anti-Haltung das Festhalten an überlieferten Traditionen. (Insoweit kann ich heute die „Migranten“ in Deutschland leichter verstehen, die sich nicht in Deutsche dritter Klasse umwandeln lassen wollen.)
In einem abgelegenen Dorf überraschte uns dann ein Gewitterguss. Der Regen kam schneller, als ich das aufschreiben kann, und mit urwüchsiger Kraft. Vom nächsten Grundstück war nur ein Rasenstück mit Baum zu erkennen. Liane reagierte und dirigierte schneller, als ich denken konnte. Ehe ich mich versah, hatten wir unser Zelt aufgebaut und waren darin dabei, uns aus den nassen Sachen zu schälen. Da hob sich die Plane am Eingang. Ein Frauengesicht tauchte auf. So wie zuvor vom Regen wurden wir nun von Schimpfworten überschüttet. Wir verstanden nur, dass die Frau Rumänisch sprach und unsere Versuche, auf Deutsch oder Englisch zu antworten, ignorierte. Nein: Wir verstanden noch, dass wir weg sollten. Wollte die Frau uns bei dem Wetter von ihrem Privatgrundstück vertreiben? Fragte sie, was wir uns einbildeten, ohne zu fragen darauf zu zelten? Sie war ausdauernd und trieb uns ins Haus, das wir bei dem dichten Regen zuvor nicht gesehen hatten. Wir wurden in ein Zimmer mit Doppelbett und vielen Handtüchern eingewiesen und kaum getrocknet, hatten wir der „Hausherrin“ zu folgen.
In der „guten Stube“ empfing uns „die Familie“, die im Laufe des Nachmittags und Abends immer weiter anschwoll. Was sich da ereignete, war höchstens mit einer großen Hochzeitsfeier vergleichbar. ...

Sonntag, 16. Dezember 2012

Kapitelanfang Schlusssätze


Keine bisherige Revolution hat eine Gesellschaft erreicht, die zu Recht Sozialismus oder gar Kommunismus genannt werden könnte.

Vorrangiger Grund: die Produktivkräfte im Allgemeinen, erst recht die in den Sozialismus anstrebenden Ländern, waren noch nicht für die neue Gesellschaft reif.

Etwa seit der Jahrtausendwende haben wir in den am weitesten entwickelten Erdregionen ein Produktivkraftniveau, das den realen Übergang zum Sozialismus / Kommunismus fordert.

Durch die moderne Informationsverarbeitungstechnik könnte eine gemeinschaftlich organisierte Wirtschaft erstmals ihre Vorzüge gegenüber der privatwirtschaftlich organisierten entfalten.

In den Händen privatwirtschaftlich Denkender und Handelnder werden dieselben technischen Mittel zur Bedrohung, ja „Entwertung“ für die meisten Menschen auf der Erde, die im „Kommunismus“ ihre Selbstentfaltung ermöglichen. ...

Samstag, 15. Dezember 2012

Kapitelanfang Lebensbereiche


„Kommunismus“, also die höchste Form der angestrebten kommunistischen Gesellschaftsformation, unsere erfüllte „Gemeinschaft der Glückssüchtigen“, ist auf jeden Fall kein „Regime“, denn es ist ja gerade eine Gesellschaft ohne „Staatsgewalt“ im herkömmlichen Sinne, die Gemeinschaft der Gleichen, die nach ihren Möglichkeiten zum Wohlbefinden der Allgemeinheit beitragen und sich dafür nach ihren entwickelten Bedürfnissen am Reichtum aller beteiligen. Die „Gleichheit“ verstehe ich dabei als Anerkennung der totalen persönlichen Unterschiedlichkeit, die so weit geht, dass wir uns im Sinne eines sozialen Höher oder Niedriger überhaupt nicht vergleichen können. Aber was muss dann praktisch funktionieren? Arbeit wird anders und wichtig sein, aber nicht nur:

Eine schrumpfende Bedeutung, wenn auch eine, die nie auf Null sinkt, hat wohl die Arbeit in der materiellen Produktion. Tendenziell sinkt die Gesamtarbeitszeit und weiter erforderliche Tätigkeiten werden fortwährend neu von der Technik (Robotern) übernommen.

Relativ geringfügig zunehmen werden Kreativarbeiten, also solche, die entweder den Produktionsprozess weiter optimieren oder nach Lösungen suchen, wie welche menschlichen Bedürfnisse besser befriedigt werden können. Letztere werden wohl die häufigeren sein.
Arbeitsaufgaben im „Dienstleistungsbereich“ bleiben erhalten. Soweit sie mit öffentlicher Gewalt verbunden sind, wurden sie hier gesondert aufgegriffen.

Der Bereich mit dem größten Umfang an „Arbeit“ wird der der Fürsorge und Kommunikation sein. Dort ist aber auch der Übergang zum „Privatleben“ besonders fließend. So hat die Kinder- und Jugendbetreuung noch Schulelemente; zumindest wird es Situationen geben, die an heutige „Schule“ erinnern. Die verschiedenen „Unterrichts“-Elemente ordnen sich allerdings ins umfassende „Persönlichkeitscoaching“ ein. Ein Konzept allseitig entwickelter Persönlichkeiten ist mit Schulklassen, die von einem Fachunterricht zum nächsten strömen, nicht zu bewältigen. Da müssen „Eltern“ und Coach sich fast lückenlos bei der Begleitung und Anleitung der Heranreifenden ergänzen und ablösen. Selbst wenn die Schülerzahl weltweit kleiner als heute wäre, muss die Zahl derer, die hier Anteile einbringen, deutlich zunehmen. Zum fließenden Übergang zwischen „professionellem“ und „eher privatem“ Coachen werden auch mehr Formen der Eltern-, Großeltern- und Gruppenleiter-Anleitung gehören. ...

Freitag, 14. Dezember 2012

Kapitelanfang Sanktionsgemeinschaft


Es wird wohl im „Kommunismus“ nicht viele Untaten geben, mit denen man sich die moralische Ächtung seiner Mitmenschen als schwerste gesellschaftliche Strafe „verdient“. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass „Verschwendung von gemeinschaftlich Geschaffenem“ dazugehört. Wenn jemand versuchte, ein eigenes „Schloss“ mit Park (bildhaft gesprochen) allein zu nutzen (oder Ähnliches) würde dies sofort bemerkt, der Zusatzreserve-Privatwagen auch. Aber bei kleinen Dingen? Hier muss ja gleichfalls eine allgemeine Ausgewogenheit entstehen ohne Denunziantentum. Nicht dass der Eine dem Anderen seine private Sammlung verübelt. Die ist ja Zeichen der Individualität des Sammlers und ist sogar erwünscht, wenn andere Interessierte auch etwas davon haben, sie also gezeigt wird. Aber beispielsweise, wenn jemand so viel Milch oder Obst privat „hortet“, dass laufend ein Teil davon ungenutzt, weil inzwischen verdorben, weggeworfen würde, geht das auch den Nachbarn etwas an. Dazu kommt, dass niemand wirtschaftlich genötigt ist, abgetragene oder ausgesonderte Sachen anzuziehen. Es gibt ja Menschen, die ihre Sachen „abtragen“, aber das ist doch nicht der Regelfall. In der Masse könnte dies zu einer beträchtlichen Menge zusätzlich zu Produzierendem führen. Es gibt ja auch keine Erzeugnisse mehr, die deshalb „billig“ sind, weil die, die sie hergestellt haben, schlecht bezahlt, also als wenig wert eingestuft wurden.
Wir sollten den Haupttrend, die Hervorhebung der Individualität nicht vergessen. Im Wesentlichen wird es also normal sein, dass die meisten Menschen Sachen tragen, die zu ihnen (ihrer Meinung nach) besonders gut passen und nicht bestimmter Trendmerkmale wegen. Das heißt nicht, dass es keine Mode mehr gäbe – aber da die Zahl der Mode-“Schöpfer“ größer wird, nimmt die Zahl derer, die ihnen folgen, genauso ab, wie die Zeit zunimmt, in der „man“ einem Einzeltrend folgt. Es gibt also wesentlich weniger Druck, im Trend „modisch“ zu sein. Das, was die individuelle Note betont, tut dies auch im Folgejahr. Der Effekt, sich ein neues Stück „geleistet“ zu haben, tritt zurück hinter der Frage, ob die bisherigen weiter passen bzw. dass man kein Verschwender sein möchte.
Die Ess- beziehungsweise Speisekammergewohnheiten werden bewusster aus individueller Selbstdisziplin erwachsen. Hier sollte man nicht vergessen, wie gesellschaftliche Gegebenheiten Gewohnheiten beeinflussen: Ein Teil des „Hortens“ heute beruht ja auf der Annahme, ein Sonderangebot / „Schnäppchen“ erwischt zu haben (erwischen zu müssen) oder etwas billiger zu bekommen, wenn man mehr davon nimmt usw. Dies fällt weg. Die Kombination eines unbeschränkten „Internets“ mit rechnergestützter Planung von Produktion und Verteilung gleicht im Normalfall jeden Mangel relativ kurzfristig aus. ...  

Donnerstag, 13. Dezember 2012

Kapitelanfang Ameisen


Wir dürfen uns Kommunismus nicht als Masse gleichgeschalteter Arbeitswütiger vorstellen - am besten noch unter Kontrolle eines Überwachungsprogramms, das bei fleißiger Arbeit Glückshormone freigibt.

Um etwas zu veranschaulichen, gebrauchen wir oft künstlerische Bilder (Metaphern) aus dem Tierreich. Natürlich stimmen die nie. Wer als „Ochse“ bezeichnet wird, ist im Regelfall zeugungsfähig und Mensch geblieben. Allerdings werden den Tieren bestimmte markante Eigenschaften zugeschrieben, die dann die menschlichen karikieren.
Das ist nicht nur bei den Ameisen problematisch. Sie als Sinnbild für Fleiß zu benutzen, ist gewagt. Nicht dass sie „faul“ wären, aber „Fleiß“ setzte einen Vorsatz voraus. Den kann man der einzelnen Ameise beim besten Willen nicht zuschreiben – auf jeden Fall nicht mehr als beliebigen anderen Tieren, die das jeweils Nötige tun, um ihre Art zu erhalten. Wenn man aber das „Unermüdliche“ hervorhebt, mit dem sich die einzelne Ameise in den „Dienst“ ihres Volkes fügt, mit der sie an ihrem Platz im Sinne ihrer Gemeinschaft wirkt, dann wird es zu einem verleumdenden Bild, sobald man es auf künftige kommunistische Verhältnisse anwendet.

Das einzelne Tier weiß ja überhaupt nicht, was es tut. Es ist auf Arbeiter, Soldat usw. „programmiert“ und arbeitet dieses ihm zugeteilte Programm ab. Es ist eben nur ein natürliches ähnlich einem Computerprogramm. Der einzelne Mensch im Kommunismus weiß dagegen sehr wohl um die Funktionsweise der Gesamtgesellschaft und seine Rolle darin. Er kann sie relativ frei wählen und nach seinen aktuellen persönlichen Bedürfnissen auch wechseln.

Arbeitseifer und unermüdliches Schaffen sind dabei nur zwei Arten unter vielen, sich einzubringen. Sicher wird es die geben, aber sie werden nicht die vorherrschenden sein. Genauer: Nur bei denen, denen gerade „Arbeit“ besonders viel Spaß macht, denen sie DIE Erfüllung bedeutet. Wozu sonst baute man immer bessere „Roboter“, die selbst „Roboter“ fertigen, um alles Stupide zu minimieren? ...

Mittwoch, 12. Dezember 2012

Kapitelanfang DDR (4)


Ohne den DDR-Staat abzulehnen (allerdings auch ohne ihn kritiklos anzunehmen) fand ich eine Nische genau für mich. Nur hatte mein „Nischendasein“ Formen, die nicht nur ihrer Zeit weit voraus waren, sondern heute schwer vorstellbar sind. Gut … Die organisatorischen Voraussetzungen für hohe Eigenständigkeit waren besonders günstig, u.a. war meine Abteilung außerhalb des Betriebes untergebracht, aber das war nicht das Entscheidende.
Meine Aufgabe war eine Dienstleistung für das Kombinat. Der Außenhandelsbetrieb war zuständig für die Auslandstätigkeit aller Kombinatsbetriebe. Alle ihre „Reise- und Auslandskader“ hatten vor ihrer ersten Auslandsdienstreise (und dann rhythmisch) einen Lehrgang zu absolvieren. Dessen Inhalt war in allgemeinen Ministeriumsplänen festgehalten - ein geballtes Gesamtstudium Außenwirtschaft, Weltanschauung und Menschenqualität / Benehmen in der Öffentlichkeit in einem. So viel also, dass auf jeden Fall abgewichen, sprich: gestrichen werden musste. Was, blieb den Bedingungen vor Ort überlassen. Ich hatte die tatsächlichen Lehrgänge zu planen und diese Planung praktisch umzusetzen. Dabei hatte ich freie Hand, wo (in der DDR) ich welche Dozenten gewann. Es wäre überhaupt nicht aufgefallen, hätte ich einige Tage nur Privatangelegenheiten erledigt. Da wäre ich eben auf Dozentensuche gewesen.
Das Maß an Kreativität bei der Arbeit war sehr hoch. Ich hätte zwar auch ohne anzuecken etwas „zum Abhaken“ machen können, aber gerade weil ich es selbst wollte, jagte ich laufend Verbesserungen hinterher. Seltsamerweise schlug das besonders die schwächsten Glieder der Abteilung in den Bann: Vier „Verantwortungsträger“ teilten sich eine Sachbearbeiterin / Schreibkraft, die nach Bedarf für jeden von uns Hilfsarbeiten zu erbringen hatte. Die erste war dabei oft in Gedanken (und am Telefonhörer) beim Bändigen ihrer pubertierenden Tochter (sie war allein erziehend) – also „abwesend“. Ihr Ruf war demzufolge: Faul, quatscht viel, hat von nichts Ahnung … usw.
Ich nutzte sie zum Ideentest und für organisatorische Aufgaben sehr komplexer Art. Ergebnis: Sie blühte allmählich auf. Sie entwickelte Vergnügen an der (Mit-)Lösung von Problemen, die nicht von vornherein lösbar schienen. Sie brachte sich in immer beeindruckenderem Umfang in die Arbeit ein. Schließlich wuchs in ihr Stolz darauf, was WIR geschafft hatten. Bei ihrer jüngeren Nachfolgerin noch mehr. Während sie von den Anderen behandelt wurde wie jemand, von dem man wenig hielt, konnte sie sich neben mir voll entfalten. ...

Dienstag, 11. Dezember 2012

Kapitelanfang Bedürfnisanstalt


 Wie „realistisch“ ist eine Formel „Jedem nach seinen Bedürfnissen“?
Ich gehe an die Sache heran wie der Indianer, der sagte, Mensch kann nicht besitzen ein Stück von Mutter Erde, und der trotzdem, nein, gerade deshalb schonend mit all dem umgegangen ist, was diese Mutter Erde ihm gewährte.
Dass ich die Frage aufwerfen muss – auch linke Kritik zwingt mich dazu – liegt eben an unserem Denken, das von aktuellen Verhältnissen, also unserem Verständnis ausgeht. Noch einmal: Nach kommunistischen Prinzipien zusammenzuleben, setzt Bedingungen voraus, die wir zuvor schaffen müssen - solche, die uns teilweise noch seltsam vorkommen, und solche, die heute einige Menschen bereits angedacht haben.

Wir müssen beim Grundproblem beginnen, was „Bedürfnisse“ sind und wie sie entstehen. Unterscheiden sollten wir „elementare Bedürfnisse“ und solche „gesellschaftlicher Natur“. Elementare Bedürfnisse sind von der Natur vorgegeben. Wenn der Körper Energie braucht, dann „produziert“ er Hunger, wenn Flüssigkeit erforderlich ist, Durst; „irgendetwas“ muss gegen das Frieren gemacht werden, die Fortpflanzung der Menschheit ist mit sexuellen Reizen verbunden, ohne dass ein einziger Sexualpartner auf der ganzen Welt dabei an die „Fortpflanzung der Menschheit“ denkt.

Alle anderen Bedürfnisse sind „gesellschaftliche“ - selbst solche, die sich auf die Qualität der Befriedigung der elementaren beziehen. Dem Hunger ist es egal, ob er durch Fleisch eines toten Rehs, Kartoffeln, Reis … oder Kaviar gestillt wird. Es gibt natürlich Übergänge. Für eine „Rundumentwicklung“ wäre es das Beste, sich abwechslungsreich zu ernähren und regelmäßig auf bestimmte Inhaltsstoffe zu achten. Die elementarer Bedürfnisse müssen für den Kommunismus weltweit auf relativ hohem Niveau befriedigt werden können. Es darf im weitesten Sinne niemand „hungern und frieren“ – und zwar bedingungslos kein Mensch. Es gibt seriöse Untersuchungen, dass dies bereits heute technisch machbar ist. Wenn ein gebildeter Europäer von „Bedürfnissen“ spricht, denkt er aber meist nicht an die elementaren. Er geht bereits davon aus, dass die befriedigt sind, weil er es im Gegensatz zu Bewohnern der „dritten Welt“ nicht anders kennt.

Schwieriger ist es mit den gesellschaftlich beeinflussten Bedürfnissen. Dort wirken Mechanismen, die wir uns heute schwer wegdenken können, um den Kommunismus zu verstehen, aber zumindest teilweise wegdenken müssen. Den wichtigsten dabei nenne ich vereinfachend „Neid“. ...  

Montag, 10. Dezember 2012

Kapitelanfang Beförderung


Nehmen wir uns des Deutschen liebstes Kind, das Auto, vor. Ich möchte hier keine SF-Fantasie ausufern lassen. Niemand kann im Einzelnen voraussagen, wie das Verkehrssystem in kommunistischer Zukunft aussehen wird. Sicher werden über die künftigen „Straßen“ keine heutigen Personenkraftwagen fahren. Es gibt aber Grund, unseren Nachfahren etwas zuzubilligen, das die „Auto“ nennen könnten, also etwas, was individuell ist und selbst fährt (oder fliegt), also wirklich selbst fährt.
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Zwangsweise keine Möglichkeit zu haben, persönlich das „Steuer in die Hand zu nehmen“ oder „Gas zu geben“ widerspräche zwar kommunistischem Individualismus, aber auch heute reichte den meisten, ein Ziel anzugeben und den „Rest“ erledigte der „Fahrroboter“, ausgestattet mit Systemen zur Fahrstrecken-Optimierung und zur Unfall-Vermeidung. Dies entspräche dem Kernziel der kommunistischen Gesellschaft, das Wohlbefinden aller seiner Mitglieder zu erhalten. Keine Ahnung, was gegen groben (jugendlichen?) Unfug gemacht werden wird. Oder ob die „Straßen“ eventuell irgendwann in der Luft liegen könnten. Die Menschen werden sich einiges einfallen lassen, wenn es nicht mehr um Profit geht, sondern um Vergnügen am Kreativ-Sein, gelegentlichen Spaß am selber Steuern eingeschlossen ...

Bei solchen Systemen muss zuerst entschieden werden, wo welche „Anbindung“ geschaffen wird, große Startinvestitionen müssen durch die Gesellschaft getragen werden (heute über Steuern). Das verführt unter kapitalistischen Vorzeichen verschiedenste Gruppen, auf Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Lobbyarbeit. Die Modellrechnungen für die gesamtgesellschaftlich günstigste Variante sind schwer überschaubar und leicht manipulierbar. Man darf eben nicht nur vergleichen, ob ein fahrendes Elektroauto weniger Abgase ausstößt als ein fahrender Diesel. Man müsste mindestens die Vorstufen einbeziehen, also die Aufwendungen und Schädigungen, bevor Strom aus der „Zapfsäule“ kommt. Solange es letztlich um den Profit der Beteiligten geht, wird jeder genau die Aspekte herausgreifen, die sein Einzelinteresse wie Allgemeinwohl aussehen lassen ... das letztlich darunter leidet.

Bleiben wir beim „Auto“-Verkehr. Heute unterscheiden wir streng zwischen „Individual-Verkehr“ und öffentlichem. Bei dieser Unterscheidung wäre im Sinne der menschlichen Gemeinschaft der öffentliche Verkehr vorzuziehen. Es wäre günstiger für „die Umwelt“ im engsten und weiteren Sinn, wenn in Berlin die S- und U-Bahnen in kürzeren Takten und unentgeltlich führen. Man könnte sich entschieden angenehmer durch die Innenstadt bewegen – übrigens auch die, die im Moment in ihren Wagen steigen. Das wären noch Maßnahmen des Sozialismus, die relativ schnell erste Entlastungen brächten.

Kommunistisch wäre dies noch nicht. ...  

Sonntag, 9. Dezember 2012

Kapitelanfang Plan


Betrachten wir den Kauf eines DDR-PKW mit seinen astronomischen Wartezeiten und die Geschäfte mit eben diesen Wartezeiten mit einer heute produzierten „Brille“, könnten wir daraus schließen, die „Markt-Wirtschaft“ wäre der „planwirtschaftlichen“ überlegen. Zumindest ist das in diesem Bereich nicht so leicht zu widerlegen wie beispielsweise bei der medizinischen Versorgung, wo das Streben nach „Maximalprofit“, ja „Wirtschaftlichkeit“ überhaupt, den eigentlichen Versorgungszweck „Gesundheit“ direkt behindert, das Hauptziel, (höchste) Gewinne zu machen, das vorgebliche Ziel, alle Menschen bestmöglich gesund zu machen, fast ausschließt – und umgekehrt.
Ich habe ja schon darauf hingewiesen: Der entfaltete Kommunismus wird eine Gesellschaft aus lauter „Ausnahmen“, Sonderfällen usw. sein. Er wird sich administrativen Pauschalierungen entziehen. Da wird es neben „rein kommunistischen“ sowohl bewährte als auch neu entdeckte marktähnliche Regelungen geben. Das heißt aber nicht, dass ein so grundsätzlicher Bereich wie die Versorgung mit den Dingen des täglichen Lebens vorkommunistisch bleibt. WARUM funktionierte denn so manches zu DDR-Zeiten nicht und konnte es auch nicht? Das erklärt hoffentlich, warum sich das in einer „neuen DDR“ und danach nicht wiederholen wird.

Früher wurde viel vom „objektiven“ Charakter des Marktgesetzes theoretisiert. Praktisch waren oft dieselben „Theoretiker“ der Meinung, die Marktgesetze durch administrative Maßnahmen außer Kraft setzen zu können, ja sie sogar außer Kraft gesetzt zu HABEN, weil sie – wie falsch – nur im Kapitalismus gelten würden. Nun war das, was in „sozialistischen“ Schaufenstern ausgepreist herumlag, genauso „Ware“ wie das beim Kapitalisten im Land nebenan.
Wir wollen aber statt zur letzten Menschheitskatastrophe zu einem funktionierenden kommunistischen System kommen. Dafür benötigen wir praktische Voraussetzungen. Eine habe ich bereits hergeleitet: Die Entwicklung zum Kommunismus kann erst beginnen (!), wenn keine Systemkonkurrenz mehr besteht. Das liegt nicht daran, dass grundsätzlich kapitalistisch besser versorgt würde, sondern der unterschiedlichen Ziele wegen: ...

Samstag, 8. Dezember 2012

Kapitelanfang DDR (3)


Es wäre mir sicher möglich gewesen, nach der 8. Klasse aufs Gymnasium zu wechseln. Diese Einrichtung hatte aber den Ruf, nur etwas für strebsame Mädchen zu sein. Außerdem hatte ich keinerlei Berufsziel. Allein auf die Frage, was ich NICHT wollte, hätte ich eine Antwort gehabt: Mein Geld mit körperlicher, besonders handwerklicher Arbeit zu verdienen. Aber positiv etwas wollen?!
Mein Vater hatte sich dafür eingesetzt, dass ich einen der drei Ausbildungsplätze zum „Wirtschaftskaufmann mit Abitur“ in seinem Betrieb bekam. Mutter und Schwester waren Verkäuferinnen, also im Handel, Vater arbeitete in der Großhandelsgesellschaft „Waren täglicher Bedarf“. Die Ausbildung interessierte mich … nicht. Aber wenigstens war ich „untergebracht“. Ich durchlief in der Ausbildung die verschiedensten Abteilungen und Bereiche des Betriebes (bzw. eines Betriebes in Ausbildungskooperation), der für die Versorgung Schwerins mit Waren des täglichen Bedarfs zuständig war. Ich wurde dann als Sachbearbeiter in der Süßwarenabteilung übernommen. Kein Traumjob, aber zumindest kam ich mit den Kollegen zurecht und die mit mir.
Doch das Verderben wartete schon: die Einberufung zum Grundwehrdienst bei der „Nationalen Volksarmee“. Um die Rolle des „Ehrendienstes“ bei den „bewaffneten Organen“ rankten sich viele Legenden. Die wichtigste: Nur wer sich freiwillig wenigstens für drei Jahre verpflichtete, bekäme einen Studienplatz. Ich hatte zwar noch immer keine Vorstellung, WAS ich eventuell studieren könnte, aber das irgendwann tun zu können, wollte ich mir nicht verbauen. Aber dafür zur Armee?! Eher nicht! Also begann ich die Pflicht-Dienstzeit mit der Absicht nicht aufzufallen. Stattdessen leistete ich mir erst einen kleinen Unfall und sorgte dann mit regelmäßigen Fingern im Rachen für Erbrechen. Schließlich wurde ich nach einem halben Jahr ins zivile Leben entlassen. Problem: Ich war nun ein Jahr zu früh in Freiheit. Der Betrieb musste mich zwar wieder aufnehmen (so war das halt in der DDR), aber der Platz in meiner Abteilung war besetzt. Der einzige freie im Betrieb war einer in der Kosmetik-Reklamationsabteilung. Klar, dass ich so schnell wie möglich irgendwo anders hin wollte. Ich ahnte noch nicht, welche psychischen Schäden die Armeezeit hinterlassen hatte und wie lange die Schreibblockade anhalten würde, also nahm ich noch einen Anlauf in Richtung Schreiben … Dass ich als „kulturpolitisch-künstlerischer Mitarbeiter für künstlerisches Wort beim Kreiskabinett für Kulturarbeit“ alles besonders gut machen wollte, war klar. So wurde der Ausflug in die Welt der Kulturorganisation natürlich zum Fiasko. ...

Freitag, 7. Dezember 2012

Kapitelanfang Pflicht


Für mich ist der entfaltete Kommunismus eine Welt der tatsächlich maximalen Freiheit jedes Einzelnen. Wirkliche Freiheit jedes Einzelnen. Heute gibt es nur juristische Chancengleichheit. Praktisch sind die Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Lebenswege schon bei der Geburt eines Menschen unterschiedlich verteilt. Also unabhängig von seinen Talenten. Teilweise sogar entgegen seinen Talenten. Da kann es sein, dass jemand, der für eine leitende Aufgabe eigentlich nicht gut geeignet wäre, mit dem Geld seiner Vorfahren zum Chef gedrillt wird, während einem genialen Menschenführer nur die Karriere als Gangsterboss offensteht.
Es ist mitunter auch ein extrem langer Weg, für sich selbst herauszufinden, was man am liebsten Sinnvolles machen will … und ob man dafür wirklich ausreichend gut geeignet ist. Diese Suche darf nicht nur Millionärskindern vorbehalten bleiben. Meinen individuellen Platz gefunden zu haben sehe ich als natürliche Voraussetzung dafür an, mich wirklich gern mit meinem speziellen Vermögen ohne Druck in die Gesellschaft einzubringen.
Die Welt des entfalteten Kommunismus wird meist für fast jeden einzelnen Menschen einen sinnvollen Lebensplatz zu bieten haben, bei dem der Nutzen für die Gemeinschaft mit dem für sein individuelles Wohlbefinden in Einklang gebracht werden kann, er wird also nicht nur süchtig nach Glück sein, er wird auch ohne schädigende Nebenwirkungen seine ganz persönliche Portionen genießen können. Davon bin ich überzeugt. Das wird allmählich der Regelfall werden. Was ist aber mit den Fällen, in denen das nicht gelingt? Der ganze heutige Staatsapparat scheint ja darauf ausgerichtet, jedem einzureden, er sei ein Sonderfall, der an seinem eigenen Schicksal schuld ist. Die Masse der Bürger dieses Landes würde sich deshalb zu Äußerungen hinreißen lassen wie „Wegen mir brauchte es keine Polizei zu geben. Aber vor den paar Verbrechern möchte ich schon geschützt werden.“
Dass nicht gleich alles Notwendige von jemandem gemacht werden wird, hat verschiedene Gründe: Zuerst einmal den Charakter der Arbeiten selbst. Dazu kommt die natürliche Individualität, sprich: Unterschiedlichkeit der Menschen. So, wie in der Natur eben weiße Hasen geboren werden, obwohl sie normalerweise nicht überleben können, damit bei veränderter Umwelt schon angepasste Hasen da sind, fallen auch Menschen aus dem Rahmen. ...  

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Kapitelanfang DDR (2)


Ich war für ein freundliches Verhältnis zur „Nationalen Volksarmee“ der DDR nicht geeignet. Beispielsweise war meine Sportbegeisterung nie so groß, dass mich Körperertüchtigung gelockt hätte, und als emotional egozentrischer Anarchist war mir unterordnender Gehorsam zutiefst zuwider. (In einem krankhaften Anfall von Übermachtssadismus spielte ich mit 14 einmal meinem engsten Freund gegenüber einen SS-Mann: Ich zwang den schwarz Gelockten durch brutale Gewalt dazu „Ich bin eine dumme Judensau!“ auszurufen, um freizukommen … und ich könnte nicht sagen, vor wem ich mich nachher mehr ekelte: vor ihm, der sich derart demütigen ließ, oder vor mir, dass ich zu so etwas fähig gewesen war …) Rund wurde meine Grundhaltung zum Thema Armee aber erst dadurch, dass es in der Klasse bei den Auseinandersetzungen mit der Staatsbürgerkundelehrerin einen einzigen Schüler gab, der nach dem Lehrerinnenmund gerecht werdenden Antworten suchte. Dieser Speichellecker mit mäßigem geistigen Niveau strebte an, Offizier zu werden. Ich konnte ihn mir sehr gut in preußischen Stiefeln vorstellen. Das schon vorher geprägte Bild, Körperkraft zeigten die, denen es an Geisteskraft mangelte, wurde untermauert – nur eben auf höherer Ebene. Auch ich bin nicht frei von Vorurteilen ...
Die Stabü-Lehrerin hat bei mir dann doch etwas bewegt. Im Nachhinein tut sie mir leid. Es war mir ein teuflisches Vergnügen, den ungeliebten „Rotlicht“-Unterricht zu sprengen. Hier konnte ich spitzfindigste Raffinesse an die Front werfen. Ich hatte die meisten Schulbücher schon vor Beginn der Unterrichtsjahre überflogen. Im Staatsbürgerkunde-Lehrbuch fiel mir dabei etwas auf: Außer bunten Bildchen gab es Kästchen mit Zitaten der „Klassiker“ des Marxismus-Leninismus, die ich sozusagen als die Verkündigung Moses ansah (so waren sie wohl auch gemeint), während der eigentliche Text das profane Bla-Bla war. Das Gute daran: Es ließen sich in dem profanen Zeug Widersprüche zu Gottes, Pardon: Marxens, Kernsätzen in den Kästchen finden. Also sprengte ich Stunden mit Beweisversuchen, dass das, was wir gerade als wunderbare Wirklichkeit unserer größten DDR aller Zeiten erklärt bekommen sollten, gar nicht das war, was der große Marx sich als sozialistische Gesellschaft vorgestellt hatte. Widerspruch als Denksport.
Die intelligenten Mitschüler verfolgten die Diskussionen mit Vergnügen und unterstützten mich nach bestem Wissen. Die weniger intelligenten freuten sich, dass die Stunden nicht als langweilige Lernstunden versandeten. Nur eben jener Möchtegern-Offizier mühte sich um Unterstützung der Lehrerin. Die war von uns Jungen begeistert. Weil wir so offen Interesse zeigten, ...  

Mittwoch, 5. Dezember 2012

Kapitelanfang Musik


 Also ich ärgere mich, wenn ich ein Lied auf Youtube nicht anhören darf, obwohl es jemand dort hochgeladen hat – egal ob mit oder ohne Video. Das hat nun weniger mit Robinson, sondern eher mit Kommunismus zu tun ...

„Sowie nämlich die Arbeit verteilt zu werden anfängt, hat Jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist Jäger, Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muß es bleiben, wenn er nicht die Mittel zum Leben verlieren will - während in der kommunistischen Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden. …“
(vgl. ANHANG)

So hat das Marx einmal formuliert, als er ausnahmsweise ins Science-Fiktion-Fach hinüber gewechselt war. Seine pathetischen Worte „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!" werden häufiger benutzt, um den Kommunismus zu kennzeichnen. Sie klingen so allgemein, dass sie heute noch als „hoffentlich zutreffend“ durchgehen können. Und? Geht das mit heutigen „Bedürfnissen“? Eher nicht. Aber in ein paar hundert Jahren werden ganz andere Bedürfnisse normal sein. Dass jeder alle seine Fähigkeiten in den Dienst der Gesellschaft stellen könnte, ist trotzdem zu hoch geträumte Fantasie?! Nur weil die Formulierungen missverständlich sind.
Die Aussage mit den Jägern und Fischern wird von heutigen Marx-Jüngern meist verschämt verschwiegen – und sei es aus Angst, ihren Guru lächerlich zu machen. Das passiert, wenn man das Zitat aus dem Zusammenhang reißt oder wörtlich nimmt. Kein Mensch wird sich heute ernsthaft künftige Kommunisten als Jäger und Fischer vorstellen. ...

Dienstag, 4. Dezember 2012

Kapitelanfang Robinson


Bürgerliche Ökonomen versuchen oft Milchmädchen-Wirtschafts-Erklärungen, bei der um wenig Ecken Denkende sagen, ja, das verstehen wir. Sie verkürzen dabei die abstrakten Zusammenhänge von Kapital und Gesamtwirtschaft auf das hübsche Bild von Robinson Crusoe. Bei vielen Wirtschaftsbeziehungen geht das nicht, weil die nur existieren, wenn so viele Handelnde im Prozess auftreten, dass die einzelnen nicht direkt wissen und beeinflussen können, was aus ihren Produkten wird beziehungsweise wie ihre gekauften Waren zu ihnen kommen. Aber wir haben ja Fantasie, um auch für uns aus dem „künstlerischen Bild“ etwas zu machen.

Ich musste viel von Karl Marx lesen. Sein produktionsfixiertes Denksystem hatte Vor- und Nachteile. Das kommt gerade in seinem Hauptwerk „Das Kapital“ zum Ausdruck: Die Welt, die er zu erklären versucht, rankt sich um den Begriff der „Ware“. Der reicht zwar aus, um einen Kapital-Ismus mit seiner Herkunft und seinem Niedergang zu erklären, aber nicht für die Einordnung des (entfalteten) Kommunismus. Dafür muss jeder Klassenhorizont verlassen werden. Also alles, was Warenwirtschaft erklärt, wie „Tauschwert“ oder „abstrakte Arbeit“. In der kommunistischen Welt gibt es nämlich nur noch eine Vielzahl konkreter Arbeiten. Da hilft der Robinson wirklich mehr:

Die „Wirtschaft“ kennt drei Arten von Kreisläufen.
Der innerste ist der elementare oder Robinson-Kreislauf: „Der Mensch“ als konkretes Einzelwesen hat Bedürfnisse, die zu befriedigen sind, die er selbst kennt und befriedigen möchte, einen natürlich vorgegebenen Zeitfonds, in dem er dies kann und muss, und eine gesellschaftliche Qualität dieses Zeitfonds. Selbstverständlich sind die Bedürfnisse selbst auch gesellschaftlich bestimmt. Sie erwachsen nur zum kleineren Teil „der Natur“, zum größeren dem, was „der Mensch“ kennt. Also als er die Nutzung des Feuers nicht kannte, fraß er, womit er seinen Hunger stillen konnte. Er hätte mit Messer und Gabel nichts anfangen können, schiss bestimmt neben dem Fressplatz und es gab nichts, wo und warum er hätte Staub wischen können. Wie sauber jemand heute seine Wohnung haben möchte, ist auch ein kommunikatives Problem. Es erwächst unter anderem aus dem Grad der Peinlichkeit, wenn Besucher „Sau“ mit Fingern aufs Regal schreiben (könnten). Das konnten die Höhlenbewohner noch nicht. ...

Montag, 3. Dezember 2012

Kapitelanfang Gesetze


Was ist „Geschichte“? Die Abfolge von Ereignissen, bei denen große Persönlichkeiten zur rechten Zeit am rechten Ort waren oder eben nicht? Daten, an denen die Entscheidungen Einzelner den weiteren Gang der Dinge in die eine oder andere Richtung lenkten? Mich beeindruckten Brechts „Fragen eines lesenden Arbeiters“. (Google kennt´s) Worauf kommt es einem Geschichtslehrer an? Dass man das Wesen großer Zusammenhänge nachvollziehen kann oder Fakten griffbereit hat, was wann wo war? Ist der Gang der bisherigen Geschichte das Ergebnis von den Naturgesetzen vergleichbaren Entwicklungsgesetzen? Nein? Wenn aber ja … geht dann die Geschichte mit gleicher Naturnotwendigkeit weiter? Und … wohin?

Innerhalb der „Menschheit“ wirkt, was jeder Einzelne von uns macht, chaotisch. Von dem Moment an, in dem es eine „menschliche Gesellschaft“ gab, wirkten in materialistischem Verständnis die Entwicklungsgesetze aber schon so, dass diese chaotischen Handlungen zu einem letztlich notwendigen (allerdings nur theoretisch vorher bestimmbaren) Ergebnis führten … nämlich den Verhältnissen, die wir heute haben. Egal, wer diese Gesetze erkannt hat. Irgendein einzelner Mensch, eine Gruppe von Menschen oder die ganze Menschheit. Oder ob überhaupt einer.
Alle gesellschaftlichen „Gesetze“ haben ihre Wurzel in Mechanismen, mit denen die Natur ihre eigene Existenz erhält. Die wirken weiter, obwohl der Mensch sie erkennen und damit beeinflussen könnte, erst einmal noch (aber nicht nur) deshalb, weil er sie nicht erkannt hat. Insofern ist es wichtig, solche Gesetze genau zu erforschen. Mit der Herausbildung der menschlichen Intelligenz hat sich die Natur eigentlich die Kraft geschaffen, mit der sie sich bewusst selbst regeln könnte. Man könnte in Gelächter ausbrechen, wenn man die „heutigen Menschen“ zum Maßstab nimmt. Aber übernehmen nicht auch heute Menschen Verantwortung für ihre Umwelt? Wir sollten nicht vorschnell verallgemeinern.

Sagen wir, es findet sich ein Mensch, der auf andere glaubhaft wirkt, wodurch auch immer.
Sagen wir weiter, dieser Mensch behauptet, dass wenn die anderen Menschen zu einem von ihm bestimmten Zeitpunkt in einen See steigen, der ewige Schöpfer der Welt machen wird, dass dieses Gewässer über seine Ufer tritt.
Sagen wir, genug andere Menschen handeln, wie dieser eine es ihnen sagte.
Was passiert? Das Gewässer tritt tatsächlich über sein Ufer. Der Mensch hat ein „Wunder“ eines angeblichen Schöpfers vorgeführt, das gar keines war. ...

Sonntag, 2. Dezember 2012

Kapitelanfang DDR (1)


Ich bin Individualist. Hielte ich „Kommunismus“ für eine verordnete Gleichmacherei im Sinne einer „Kollektivierung“, wäre er keine für mich wünschenswerte Zukunftsvorstellung. Für Massenparaden vorbei an einem Großen Vorsitzenden bin ich nicht gemacht. Weder möchte ich jemand kollektiviert wissen noch kollektiviert werden. Ich habe meine eigene Sicht darauf, was „vernünftig“ ist. Die muss man nicht teilen. Aber schon als penetrant aufdringlicher Schüler konnte ich es mir nicht verkneifen, dazwischenzurufen und den Finger vor lauter vorlauten Fragen oben zu behalten. Und heute bin ich eingebildet genug, mir das weiter zu gönnen … und wieder anzuecken. Vielleicht kann ich der Fantasie eines Lesers auf die Sprünge helfen …
Was ich erlebt habe, kann ich nicht ändern. Ich habe es eben genau so erlebt, auch wenn es zu den Erfahrungen Anderer nicht passt. ...
Keine Ahnung, wie ich geworden wäre, wäre meine Familie nicht im Frühjahr vor Abschluss der ersten Klasse in die Stadt gezogen. Zuvor war ich als Außenseiter regelmäßig verprügelt worden. Das wichtigste Gefühl meinen künftigen Mitschülern gegenüber war deshalb anfangs die nackte Angst. Um keinen Preis wollte ich wieder so isoliert sein wie zuvor.
Die Rolle des Chefs war vergeben, die des Klassenkaspers frei, und wenigstens in den folgenden drei Jahren füllte ich sie fantasievoll aus. Den Unterricht zu stören fiel mir nicht schwer und die dümmsten Kinderwitze verwandelten sich in meinem Mund in lange Geschichten. ...  

Samstag, 1. Dezember 2012

Kapitelanfang Hebamme ...


Geschichte verläuft insgesamt nach „Gesetzen“. Dass es gekommen ist, wie es dann wirklich kam, lässt sich mit ihnen begründen. Das ändert nichts daran, dass es an vielen Punkten in einigem hätte anders kommen können, der ganze Rest in andere, auch vernünftig zu begründete Bahnen eingeschwenkt wäre, von denen manche uns wesentlich besser getan hätten.
Für mich hätte so einiges im vergangenen Jahrhundert anders gekommen sein sollen. Das mag mancher vielleicht genauso sehen. Aber wenn ich sage, was ich für die schlimmste Katastrophe halte, da werde ich bestimmt wenig Zustimmung finden. Und das, obwohl wir unter den Nachwirkungen leiden und vielleicht irgendwann irgendwelche Aliens sagen werden, damit begann das Ende der Menschheit.
Nach meinem Verständnis ist diese größte Katastrophe der jüngeren Menschheitsgeschichte die Niederlage der Novemberrevolution in Deutschland. Hoffentlich liegt das nur daran, dass ich eben Deutscher und damit gewohnt bin, in meiner Heimat den Mittelpunkt des Universums zu sehen.
Der „Sieg“ der russischen Oktoberrevolution, genauer: die Art, in der er nur möglich geworden und in der bereits der Keim für sein Ende enthalten war, krankte nämlich am deutschen Scheitern.
Reisen wir gedanklich gut 100 Jahre in der Zeit rückwärts. Selbst bürgerliche Historiker geben mitunter zu, dass damals „Kapitalismus“ herrschte, ja „Imperialismus“. Wir wissen um dessen aggressives Wesen, seine gesetzmäßig ungleichmäßige Entwicklung und die Deutschland als Zu-spät-Kommer dabei zugefallene Rolle, eine vollzogene Aufteilung der Welt ändern zu wollen. Aber eigentlich brachte jeder imperialistische Staat konkrete wirtschaftliche Hoffnungen in seine Kriegspolitik ein. Krieg war zwangsweise Folge der Vollendung des „Imperialismus“: Nach Jahrzehnten des Wettlaufs, bei dem relativ wehrlose Völkerschaften unter die jeweilige koloniale Herrschaft gerieten, war nun alles so weit aufgeteilt, dass nur noch eine Umverteilung möglich war. Dass der Weltkrieg begann, war notwendige Folge dieser Entwicklung. Die Katastrophe lag erst in seinem Verlauf und einem Ende, in dem bereits die Keime für den nächsten Weltkrieg ruhten. Dieses Kriegsende, wie es ausgesehen hat und was hätte kommen sollen oder müssen, ist das Problem. ...

Freitag, 31. August 2012

Zum Start

1. Die ist ein Literaturblog. Es beansprucht künstlerische Freiheit.
2. Der Autor distanziert sich von jeder Form von Rassismus, Terrorismus und Herabwürdigung anderer Menschen.
3. Unsere Welt ist nicht so gut, dass wir nicht moralisch verpflichtet wären, sie verbessern zu wollen.
4. Dieses Blog steht auf dem Boden des Grundgesetzes und einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Er verstößt gegen keine Gesetze und hat dies auch nicht vor. Sollte dies ausnahmsweise doch der Fall sein, sollten wir uns bemühen, diese Gesetze zu ändern.


                             ???  Ein Gespenst geht um  ???


Was kann ich, Slov ant Gali, mir mit meinem heutigen Wissen unter "Kommunismus" vorstellen und warum?
Ein Buch darüber ist noch im Entstehen. Einige Textpassagen werden sicher noch wesentlich verändert, einige gestrichen ... Hier also ein Blick in die Arbeitsstufen ...

Dienstag, 14. August 2012

Zu Fragen der Bedürfnisse und des Bedürfnisses nach Arbeit (überarbeitet)


Wie „realistisch“ ist eine Formel „Jedem nach seinen Bedürfnissen“?
Ich gehe an die Sache heran wie der Indianer, der sagte, Mensch kann kein Stück von Mutter Erde besitzen, und der trotzdem, nein, gerade deshalb schonend mit all dem umgegangen ist, was diese Mutter Erde ihm gewährte.
Dass ich die Frage aufwerfen muss – auch linke Kritik zwingt mich dazu – liegt eben an unserem Denken, das selbst bei Linken von aktuellen Verhältnissen, also unserem Verständnis ausgeht. Also immer wieder: Nach kommunistischen Prinzipien allgemein zusammenzuleben, setzt Bedingungen voraus, die wir zuvor schaffen müssen - solche, die uns teilweise sogar seltsam vorkommen, und solche, die heute einige Menschen bereits angedacht haben.

Wir müssen beim Grundproblem beginnen, was „Bedürfnisse“ sind und wie sie entstehen. Unterscheiden sollten wir „elementare Bedürfnisse“ und solche „gesellschaftlicher Natur“. Elementare Bedürfnisse sind von der Natur vorgegeben. Wenn der Körper Energie braucht, dann „produziert“ er Hunger, wenn Flüssigkeit erforderlich ist, Durst; „irgendetwas“ muss gegen das Frieren gemacht werden, die Fortpflanzung der Menschheit ist mit sexuellen Reizen verbunden, ohne dass ein einziger Sexualpartner auf der ganzen Welt dabei an die „Fortpflanzung der Menschheit“ denken muss.


Alle anderen Bedürfnisse sind „gesellschaftliche“ - selbst solche, die sich auf die Qualität der Befriedigung der elementaren beziehen. Dem Hunger ist es egal, ob er durch Fleisch eines toten Rehs, Kartoffeln, Reis … oder Kaviar befriedigt wird. Es gibt natürlich Übergänge. Für eine „Rundumentwicklung“ wäre es das Beste, sich abwechslungsreich zu ernähren und regelmäßig auf bestimmte Inhaltsstoffe zu achten. Das Niveau der Befriedigung elementarer Bedürfnisse muss für den Kommunismus weltweit auf relativ hohem Niveau gesichert sein. Es darf im weitesten Sinne niemand „hungern und frieren“ müssen – und zwar bedingungslos kein Mensch. Es gibt seriöse Untersuchungen, die dies bereits heute technisch für machbar halten. Wenn ein gebildeter Europäer von „Bedürfnissen“ spricht, denkt er aber meist nicht an die elementaren. Er geht bereits davon aus, dass die befriedigt sind, weil er es im Gegensatz zu Bewohnern der „dritten Welt“ nicht anders kennt.

Schwieriger ist es mit den gesellschaftlich beeinflussten Bedürfnissen. Dort wirken Mechanismen, die wir uns heute schwer wegdenken können, um den Kommunismus zu verstehen, aber zumindest teilweise wegdenken müssen. Den wichtigsten dabei nenne ich vereinfachend „Neid“. Ich würde es für den heute entscheidendsten Antrieb nach dem Elementaren ansehen, dass viele Menschen etwas deshalb besitzen möchten, weil sie wissen, dass Andere es schon haben. Dieser „Neid“ lässt sich in Marxscher Weise noch weiter auseinandernehmen: Zuerst muss ein begehrbares Gut vorhanden sein. Das Begehren nach kernlosen Apfelsinen hielt sich in Grenzen, solange alle wussten, dass es keine gab. (Die störenden Kerne regten „nur“ die Fantasie an, wie schön es wäre, wenn es kernlose Früchte gäbe).
Zum Wesen klassenorientierter Marktwirtschaften gehört das bewusste Wecken des Besitz-Begehrens. Der, der ein beliebiges Gut zur Profit bringenden Ware machen will und muss, will unabhängig von allem Anderen (und sei es die Gefährdung der Gesundheit der Käufer), dass genau sein Gut Anerkennung als Ware findet, er es verkaufen kann. Deshalb drängt er es potentiellen Kunden auf verschiedene Weise auf. Durch die gesellschaftlichen Verhältnisse unterliegt jeder Mensch (in jeder Gesellschaft) einem andauernden Anpassungsdruck. (Besonders drastisch ist dieser Druck natürlich dort, wo man besonders eng einer Normen bildenden Gruppe angehört, wenn die Anderen zum Beispiel wissen, wer das gerade angesagte Handy NICHT hat.)

Nun wächst Neid zuerst einmal aus dem Wissen um tatsächliche Ungleichheit. Die erste Folge der Ausbeutungsverhältnisse im Feudalismus war keine Revolutionsbewegung, sondern der allgemeine Wunsch, auch zu DENEN zu gehören. Wie in den alten Märchen: Das Ideal heißt da Prinzessin, Prinz, (guter) König. Aber erscheint es nicht einleuchtend, dass immer weniger es für erstrebenswert halten, eine Prinzessin zu sein, wenn a) es keine Prinzessinnen gibt, b) keine Hochglanzpostillen höfische Welten als erstrebenswert darstellen, c) keine wesentlichen Gruppen sich nach einem unerfüllten „besseren“ Leben sehnen müssen und d) es alternative Ideale gibt?

Oder Mode: Sie ist von „Markt-Bedürfnissen“ bestimmt: Damit möglichst viel verkauft wird, muss man dem Kleidungsstück ansehen, aus welchem Jahr es stammt. Das hat zur Folge, dass viele das jeweils Neueste kaufen, um nicht als „unmodern“ abgestempelt zu werden. Ich behaupte nicht, das dies im Kommunismus vollständig verschwindet. Es wird aber zurückgedrängt durch die mehr oder weniger dezente Betonung der speziellen Individualität der Einzelnen. Die Zahl derer, die selbst etwas zu ihnen Passendes kreieren, wird drastisch zunehmen. Die Möglichkeiten, solch eigene Kreationen auch umzusetzen, sind ja nicht beschränkt. Sich Ideen zu beschaffen ermöglicht das Medium Internet genauso wie die Schaffung einer eigenen „Modegemeinde“ - die dann eine eigene Produktions- und Vertriebskette organisiert. Das kostet nichts außer Ideen und etwas Zeit … und ist eine Frage des Selbstbewusstseins – für die sich Kleidenden, wenn sie eine echte „Stumphusen“ tragen, und für die Stumphusen, dass sie eben „die Stumphusen“ ist. Neu ist nur, dass die normale Massenproduktion aussehen darf wie die Stumphusenkollektion … aber nicht muss, weil kein materieller Status gezeigt wird. ...

Es gibt also manipulierte „Bedürfnisse“, die „der Markt“ erst schafft, fördert, verstärkt und die in dem Moment zu schrumpfen beginnen, in dem es keinen Markt mehr gibt. Man darf keine DDR-Verhältnisse als Maßstab heranziehen, wo natürlich direkt und indirekt der Marktblick nach Westen bestimmend blieb und der (die) „etwas Besseres“ war, der (die) das hatte, was andere haben wollten.
Auf der anderen Seite werden wir natürlich auch im Kommunismus Bedürfnisse vorsätzlich wecken - nur eben andere. Das setzt bereits im frühen Kindesalter ein. Da es in der Absicht der Gesellschaft liegt, dass sich ihre Mitglieder zu allseitig entwickelten Persönlichkeiten entfalten, wird auch der frühkindlichen Ausprägung musischer, mathematischer, sportlicher, wissenschaftlicher, handwerklicher und immer wieder andersartiger künstlerischer Empfindsamkeit eine ganz andere praktische Wertschätzung entgegengebracht, als wir das bisher je erlebt haben (obwohl die DDR-Verhältnisse in diese Richtung gingen). Also nicht in jedem Menschen im Kommunismus wird ein Supertalent entdeckt werden – worin auch immer. Aber es werden anteilig viel mehr Kräfte aufgewandt, um Talente zu wecken und zu entfalten, vor allem jedoch wird in der Breite die Aufnahmebereitschaft für verschiedenartige „Sinnes-Reize“ erhöht, die Genussfähigkeit gezielt verstärkt werden.
Hier ist sicher am leichtesten zu begreifen, dass das kein abschließend harmonischer Prozess ist. Das tatsächliche Niveau jedes Einzelnen wird unterschiedlich weit hinter den Möglichkeiten zurückbleiben und jeder muss sich mit seinen Mängeln auseinandersetzen. Das wird jeder auf eigene Weise tun. Im Trend aber werden die Möglichkeiten jedes Einzelnen immer mehr erkannt und „ausgereizt“ ...


Um sich vorzustellen, dass und vielleicht wie so etwas geht, ein ganz praktisches Beispiel: Wer ein Musikstück hört, unterliegt unterbewussten „Mechanismen“. Das Gehör ist nicht allein, aber auch Gewohnheiten unterworfen. Wer auf eine Musikrichtung fixiert ist, wird eher „schön“ finden, was dem Gewohnten ähnelt. Dies prägten zu großen Teilen Entwicklungszeiten, an die wir uns nicht mehr erinnern können. Oft sind wir aber auch bereit, unterbewusst ein Musikstück eher anzunehmen, wenn es uns als „Hit“ vorgestellt wird oder wenn Freunde es stark finden usw. Mit einer verengten Weltsicht verengt sich auch die Aufnahmefähigkeit für Schönes. Es geht dabei sowohl um das aktive Produzieren als auch einfach das Genießen dessen, was andere gemacht haben. Das schließt ein, Harmonien in vordergründigen Disharmonien zu entdecken, Auseinandersetzungen als kreativ annehmen zu können. Das erklärt zum Beispiel mit, warum immer wieder neu Elterngenerationen den Musikrichtungen ihrer Kinder so skeptisch gegenüberstehen, sie häufig nicht einmal als Musik akzeptieren. Wer dann nachfragt, merkt, denen ist es mit ihren Eltern genauso gegangen, und eigentlich müsste ihnen einleuchten, wenn der nächste Stil für die spätere Generation … und immer weiter so fort ...

Vielleicht kann man sich ein winziges Startbild machen, wenn man das System der Sportförderung in der DDR auf alle Bereiche der Persönlichkeitsentfaltung ausdehnte. Also eine Wechselwirkung von „Breitensport“ und „Leistungssport“. Dass dabei nicht jeder „Sport“ mögen wird, ist Element seiner besonderen Persönlichkeit. Um eine solche Entscheidung aber treffen zu können, muss er natürlich in Berührung mit dem „Sport“ gekommen sein. Oder anders: Bach nicht zu „mögen“, weil man nur Bohlen kennt, ist genauso doof wie umgekehrt.


Die Abgrenzungen kommen im Kommunismus fast von allein mit der erworbenen Fähigkeit, das der eigenen Persönlichkeit am ehesten Entsprechende aus einer breiten Vielfalt auszuwählen. Zumindest was Musik angeht, wäre dies heute technisch bereits gut umsetzbar, stößt aber gerade hier auf marktbedingte Schranken.
Es ist einfach etwas Anderes, nach dem Erwerb der nächsten Sache zu „streben“ und, kaum, dass man sie erworben hat, nach der nächsten, als „sich rundum zu entfalten“.

Nicht alle Menschen werden irgendwo super sein – genau das würde ja dem Grundsatz der Vielseitigkeit widersprechen -, aber man kann es „Synergie-Effekt“ nennen, was jene „allseitig entwickelten Persönlichkeiten“ für die Gesellschaft erbringen werden: Leonardo da Vinci hat die Qualität der Leistungen auf einem Gebiet auch aus der Vielseitigkeit der verwirklichten Interessen auf anderen Gebieten gewonnen, Goethe war kein „Genie“ der Farbenlehre … aber seinen Leistungen als Dichter hat die Beschäftigung mit Farben sicher nicht geschadet usw.
Die Zeit der Universalgenies ist zwar vorbei. Die Zeit der vielseitigen Menschen aber bricht erst mit der kommunistischen Gesellschaft an – und diese Menschen werden „modern“ sein. Ihretwegen wird es wenig bedeutsam sein, ob alle mitmachen – es reicht, wenn, mit einem schrecklichen heutigen Wort bezeichnet, die „Leistungsträger“ in den Superkreativen ihre Vorbilder sehen. Anerkannte Vorbilder aber besitzen Sogwirkung. Insofern kommen Schul-Coaches (um nicht „Lehrer“ zu sagen) viel größere Bedeutung zu. Sie sind eine von mehreren Gruppen, die darauf achten müssen, dass sich Jugendgruppen keine ihre Mitmenschen missachtenden Idole wählen.

Wir sind heute zu wenig in der Lage, „Neben-Fähigkeiten“ zu nutzen und schätzen. Selbst ein „Partylöwe“ ist eben mehr als ein Nichtsnutz. Praktisch ist er doch jemand, der für Augenblicke die Laune seiner Mitmenschen zu verbessern vermag. Vielleicht ist das genau die Laune, die ihnen bisher (leicht übertrieben) für die nächste Erfindung gefehlt hat?!
Wir haben es mit einer total anderen Welt zu tun: Wenn wir das Wirken der dann bereits funktionierenden Roboter berücksichtigen, so bleibt an Tätigkeiten, die wir heute im weitesten Sinne als Arbeit bezeichnen, weniger als acht Stunden übrig … pro Woche. Sofern es sich dabei um Arbeiten handelt, die nicht von „zu Hause“ aus erledigt werden können, die also die körperliche Anwesenheit des „Arbeitenden“ erfordern, lohnt sich ein Arbeitsweg aber erst bei einer ausreichend langen Arbeitszeit.

Es gibt mehrere Lösungen:
Für einen Teil der Menschheit wird die „klassische“ Arbeit zu einem „Luxus“, um den sie sich bemüht, weil sie darin den Weg zu ihrer Selbstentfaltung sieht. Dazu gehören die wachsenden Anteile von Umlernzeiten, in denen die, die keine Fachidioten sein möchten, ihre Fähigkeiten in den unterschiedlichsten Bereichen erweitern.
Vereinfachend sage ich „für einen anderen Teil der Menschheit“ (obwohl dies oft dieselben Menschen sein werden) beginnt die freie Suche nach erfüllender Tätigkeit in Künsten im weitesten Sinne. Die Übergänge zwischen dem, was wir heute in „Hobby“ und „Kunst“ unterteilen würden, werden fließender. Da jeder sich dazu bekennen kann, was er so treibt, finden sich auch weltweit gleich Gesinnte zusammen. Letztlich erfüllen sie füreinander, aber eben auch für andere die „Funktion“, Freude zu bereiten. In verschiedenartigsten Umfelden begegnen sich Menschen und kommunizieren.


Insofern verselbständigt sich auch die Kommunikation als solche. Sich frei mit anderen Menschen auszutauschen ist wieder normaler Bestandteil des Lebens – weil es keinen gesellschaftlichen Beschränkungen unterliegt. Keine Kommunikation ist im Gegensatz zu den vorkapitalistischen „Gemeinschaften“ durch die Natur oder wie im Kapitalismus durch ein entfremdetes Arbeits- und Erwerbsleben erzwungen: Der Urmensch brauchte seine Gruppe zum Überleben. Die Gruppenmitglieder hingen aneinander und mussten daraus das Beste machen. Der Bauer im Feudalismus war an seine Scholle „gefesselt“ und musste ein Verhältnis zu seinen Nachbarn schaffen. Im Kapitalismus muss „man“ bestimmte „Kommunikation“ treiben, um seinen Gelderwerb zu sichern (und andere einschränken). Der Mensch im Kommunismus kann zu jedem Mitmenschen bewusst seinen Weg suchen … oder es bleiben lassen: sich in eine Internet-Gemeinde einfinden, jemanden ansprechen, jemanden besuchen, jemanden auf Veranstaltungen treffen … oder eben bei einer Arbeit, die beide von vornherein interessant finden – sonst hätten sie sie nicht gewählt. Er kann der Masse seiner Mitmenschen aber auch bewusst aus dem Weg gehen. Er wird sich aber tendenziell nicht selbst aus aller Gesellschaft isolieren, weil dies die Lebensfreude mindert …

Andererseits hatte begleitende Kommunikation einen eigenen Wohlfühleffekt, bevor sich die kapitalistisch reine entfremdete Arbeit durchsetzte. Viele Menschen hatten eben Vergnügen daran, sich bei ihren Handarbeiten mit den Nachbarn zu unterhalten. Der Ertrag war nicht akkordhoch, aber die Stressschäden der Beteiligten waren wohl deutlich geringer. Das wird im Kommunismus wieder normaler sein ...


Und eines darf man nicht vergessen: Jedem Menschen steht frei, Dinge zu tun, die wir heute „direkte Demokratie leben“ nennen würden. In vielen Foren wird man Fragen des „gesellschaftlichen Zusammenlebens“ diskutieren und letztlich entscheiden, Projekte, die „Investitionen kosten“, Entscheidungen, die von Bedeutung nicht nur für Wenige sind. Im Prinzip kann jeder ein solches Forum gründen oder sich einem anschließen. Es wird nur der organisatorischen Sicherheit wegen Schlichterräte und Sprecher geben. Weltweit, regional und fachbereichsbezogen. Ich hatte schon begründet, dass die Masse an Möglichkeiten verhindert, dass jeder überall mitredet und damit jede Entscheidungsfindung zähflüssig ermüdend wird. Man wird sich entscheiden müssen, wo man kompetent sein und mitreden will.
Einen Bereich habe ich noch nicht angesprochen: die Fortpflanzung. Noch mehr als in den anderen Lebensbereichen überlagern sich Gemeinschaftliches und zutiefst Persönliches. Als gesellschaftliche Frage muss gemeinschaftlich geklärt werden, wie Wirrköpfen der heutigen Art „Deutschland schafft sich ab“ der sachliche Boden entzogen wird. Die neue Frage hieße in etwa „Was ist Menschheit für die nächsten Jahrhunderte?“ Das könnte das größte „Forum“ überhaupt sein. Die Entscheidung für oder gegen Kinder wird auch heute noch durch Existenzängste beeinflusst. Die Pille bedeutet erst einmal die technische Möglichkeit, bewusst zu planen und entscheiden. Wie wenig „frei“ bisher trotzdem entschieden wird, belegen heute „Planungen“ in China und Indien. Entweder erzwingt administrativer Druck einer Führungsgruppe die für die Entwicklung künftiger „Harmonie“ als notwendig angesehene Ein-Kind-Ehe oder materielle Traditionen und Existenzängste bewirken Massenabtreibungen von Mädchen. Letzteres als „Nebeneffekt“ der technischen Möglichkeit, frühzeitig das Geschlecht des Ungeborenen (und andere Eigenheiten) zu wissen.
Doch auch für den Kommunismus ist die Frage legitim, wie viele Menschen „vernünftigerweise“ auf der Erde leben sollten, also wie viele Milliarden für die Umwelt Erde eine Katastrophe wären – selbst, wenn die Versorgung solcher Massen gesichert wäre.


Kinder sind im Kommunismus nur noch im Dreieck von Liebe, Verantwortung und „Individualität“ zu sehen. Nichts wird letztere von Natur aus so eindeutig ausdrücken wie eigene Kinder. (Individualität ist auch die Fähigkeit und Bereitschaft zu dauernder Verantwortung für Andere.) Man wird sich viel freier für oder gegen das Kinder-Bekommen und -Aufziehen entscheiden.
Wenn wir unterstellen, dass die kommunistische Gemeinschaft nicht mehr an heute eingeleiteten ökologischen Katastrophen zu leiden haben wird (zum Beispiel massenweisen genetischen Schädigungen durch radioaktive und andere Umweltbelastungen), also dass der Untergang der kapitalistischen Verhältnisse „weich“ gelingt, wird sicher eine weitere „Senioren-Generation“ entstanden sein: die Ururgroßeltern. Während eine bewusste Manipulation der Kinderzahl in beide Richtungen vorstellbar ist – also Kampagnen „Schafft euch mehr oder schafft euch weniger Kinder an“ – kann die kommunistische Gesellschaft beim Umgang mit älteren Menschen nur in eine Richtung denken: weg mit Krankheiten und Verfall. Da ist auch Erfolg wahrscheinlich: Die lebenden Menschen werden älter und sind länger zu umfassender Aktivität fähig. Wenn die Familien weiter gleich viel Kinder bekämen, würde die Weltbevölkerung noch einmal sprunghaft anwachsen.
Dies macht unter anderem den Weg freier für vielfältigere Lebensentwürfe, also auch zu solchen, in denen „egoistischerweise“ keine Kinder vorkommen, „man“ sich dann in angenehmem Umfang „nur“ um biologisch fremde Kinder kümmert.
Spaß haben, nur um für den Moment Spaß gehabt zu haben, lässt die Betroffenen verkümmern. Aber auch Workaholics sind deformierte Persönlichkeiten. Auf Dauer kann es ja nicht gesund sein, sich mit Arbeit betäuben zu wollen ... Je mehr wir bereits als Kind gelernt haben, womit wir uns alles beschäftigen könnten (ohne damit gequält worden zu sein), umso mehr wollen wir es später auch wirklich ausprobieren. Als eines von vielem gehört die „Kommunikation“ mit Kindern dazu. Wie gesagt: unabhängig von biologischen Beziehungen werden Kinder eine Vielzahl von Partnerschaften erleben, die mit Beziehungen zu „Großeltern“ und guten Tanten und Onkeln vergleichbar sind.


Die Entfaltung des Bedürfnisreichtums der heranwachsenden Menschen bekommt einen total neuen Stellenwert, sobald sie nicht, zumindest im „normalen“ Einzelfall, existenzielle Probleme heraufbeschwört. Bei allen Problemen, die Kinder auch bedeuten, ist eines weg: Die Frage, wie soll ich sie / müssen die mich versorgen. Sie steht allein im großen Rahmen „Menschheit“, also überspitzt: Wenn jede Familie 10 Kinder bekäme, bliebe dann genug Sauerstoff zum Atmen? Die Kinder sind trotzdem einer der wenigen verbleibenden Zwänge. Wer auch immer die Bezugspersonen sein mögen, es müssen welche da sein. Das können biologische Eltern genauso gut sein wie Wahleltern, eine Mehrpartnergemeinschaft oder anderes. Nur relativ stabil müssen diese Beziehungen sein.

Ich reibe mich hier an dem konventionellen Familienbild, das auch Friedrich Engels vertrat. Wahrscheinlich wird es im Kommunismus etwas geben, das den Namen „Familie“ verdient. Aber selbst dabei ist eine Mann-Frau-Beziehung mit dazugehörigen Kindern eine unter vielen Formen. Inwieweit „Wohn- und Lebensgemeinschaften“ eine große Rolle spielen werden, ist von unserem Horizont aus schwer zu bewerten; wahrscheinlich in einer neuen Zweckgemeinschaft von Individuen eine größere als heute.
Der Mietkostendruck ist genauso weggefallen wie wirtschaftliche Abhängigkeiten verschiedenster Art innerhalb konventioneller Ehen. Warum sollten kommunistisch lebende Menschen nicht als Totalindividualisten leben, vor allem aber wohnen? Also jeder Einzelne hat einerseits einen kleinen Bereich allein für sich, der sich andererseits leicht verbinden lässt mit unterschiedlich ausgerichteten „Gemeinschaftsräumen“ unterschiedlicher Sympathie- und Zweckgemeinschaften? Das wäre eine Komplexlösung für große Wohnobjekte.
Letztlich muss man ja alles neu denken: Wie viele Einfamilienhäuser mit großen Gärten es gibt, regelt heutzutage „der Markt“. Nun wäre es eine grausige Zukunftsvision, wenn das von Marx beschworene Verschwinden des Unterschieds von Stadt und Land so aussähe, dass die bewohnbaren Teile der Erde von einer einförmigen ewigen Stadt inmitten von „Futtermittelwerken“ bestünde. Und diese Stadt bestünde wiederum aus lauter Einfamilienhäusern. Jedem sein kleines Glück. Es wäre schon heute ernüchternd, auszurechnen, wie viel „Lebensraum“ jedem einzelnen heutigen Menschen zustünde.


Die Wohnverhältnisse spiegeln die Lebensverhältnisse wider. Die aber können die kommunistischen Menschen bewusst gestalten. Sie haben ja jenen Büro- und Arbeitsstress nicht mehr, nach dem sie eine Schrebergartenidylle zum Abtauchen brauchten. Man kann mehr ausprobieren. Warum keine Gemeinschaft einer Wohnblocketage? Es ist vieles leichter, wenn es nur noch darum geht, wer welchen geliehenen Gegenstand vergessen hat zurückzugeben, aber nicht mehr etwas gestohlen werden kann. Man kann also den Nachbarn eher trauen. Es bedarf nur der Anstöße zusammenzukommen. „Facebook“ ähnliche Netzwerke ohne Hintergedanken und mit der Aussicht auf mehr. Eben ohne Druck, sich aus einem anderen Grund für eine Variante zu entscheiden als seine individuelle zu finden. Heute merkt man erst später, ob man auf Abzocker oder eine Form der Prostitution hereingefallen ist. Umzüge werden nur noch ein Problem, weil sie organisatorisch Mühe bereiten. Aber wir müssen nicht unbedingt mit allem möglichen Hausrat umziehen – wir nehmen nur mit, was uns persönlich besonders wichtig ist, die Grundausstattung kann in der neuen Wohnung bereitstehen.

Auch hier gibt es eine klare Trennung: Jeder hat überall das, was zweckmäßig ist. Er machte sich in der großen Gemeinschaft „unmöglich“, wenn er nicht sorgsam damit umginge.
Wir stoßen immer wieder auf bestimmte Grundpfeiler des Zusammenlebens. Da die Menge der Sanktionen klein ist, verbindet sich das riesige Maß an individueller Freiheit mit gesellschaftlicher Offenheit. Es ist (wieder) selbstverständlich, dass man weiß, was bei den Anderen los ist. Nur so kann Verhalten missbilligt werden, das das Gemeinschaftsleben schädigt. Weil man viel miteinander zu tun hat, wird zur harten Strafe, wenn die anderen mit einem nichts zu tun haben wollen ...


Aber kann jemandem Arbeit überhaupt ein Bedürfnis sein? Sehen wir uns gründlich um, fallen uns Leute auf, die auch ohne den ganzen Kommunismus-Kram wirklich Arbeiten gehen, weil sie das, was sie da machen, gern machen. Ich spitze das sogar noch zu: Es gibt auch in der Gegenwart zwar wenige, aber doch einige Firmen, die sich sogar eine Arbeitsorganisation leisten, als hätten sie schon den Kommunismus erreicht. Im Wesentlichen kommen und gehen die Mitarbeiter dort wie sie wollen.

Das Ganze nennt sich Holacracy. Das ist der Name für eine in bestimmten „kapitalistischen“ Unternehmen tatsächlich umgesetzte „kommunistische Organisation“ der Arbeitsabläufe. Viele der dabei verwendeten Begriffe und Überlegungen sind allerdings nur mit virtuellen Kneifzangen anzufassen.

Es geht um Organisation von Arbeit. Nicht hierarchisch organisierte Abläufe, sondern „Getting Things Done Methode“, also einfach Formen der Selbstfindung von Strukturen, die nur darauf ausgerichtet sind, dass zum Schluss das Beabsichtigte herauskommt.
Wenig verwunderlich finde ich, dass die ersten praktischen Erfahrungen aus einer Software-Firma stammen. Ähnliche Tendenzen gibt es überall dort, wo die geistige Verantwortung des einzelnen „Mit-Arbeiters“ für das Gesamtprodukt besonders groß ist.


Mit der Verwunderung begeisterter Kinder suchen Betrachter bestimmter Insellösungen dem Beobachteten wissenschaftliche Namen zu geben. Gibt es so etwas wie eine „kollektive Intelligenz“, mitunter auch „Schwarmintelligenz“ genannt? Unerklärlicherweise funktioniert es, dass sich dabei Teams / Kollektive zielobjektbezogen selbst „Leitungsebenen“ wählen. Also etwas schräg ausgedrückt: Die Mitarbeiter bestimmen, wer wann in welchem Umfang über sie zu bestimmen hat.
In so „anarchisch organisierten“ Firmen bestehen meist nur minimalste Anforderungen an einzuhaltende Arbeitszeiten, Anwesenheit und anderen äußeren Druck. Das Merkwürdige: Es bricht nirgendwo „Anarchie“ aus. Zwar kommen und gehen die Kollegen, „wie es ihnen gefällt“, aber sie arbeiten dabei nicht weniger sondern bewusst mehr. Die Betrachter stehen vor einem Rätsel: Ohne Kontrolle, Stechuhren oder Ähnliches, ohne, dass man irgendeine Form bemerkte, in der sich die Kollegen gegenseitig kontrollierten … verhalten sich alle, als kontrollierten sie sich mit einem unsichtbaren Mechanismus eben doch. Dies war dann der Ansatz, solche biologischen Vergleiche wie „Schwärme“ heranzuziehen, bei denen sich „irgendwie“ die Einzelwesen sehr effektiv in ihrem Verhalten am Kollektiv, der Masse, dem Schwarm orientierten. Da müsse eine besondere „Intelligenz“ wirken, meinten die in ihrer Denkwelt Befangenen und wunderten sich noch über etwas Anderes: Der tierische „Schwarm“ ersetzte individuelle Intelligenz, bei Menschen fiel dies „Organisationsprinzip“ (?!) besonders bei intelligenzintensiven Tätigkeiten auf.


Ohne dies soziologisch oder auf welche Weise auch immer auszudeuten, können wir durchaus einige Schlussfolgerungen für künftige Gemeinschaften ziehen. Dabei müssen wir uns allerdings vor Verallgemeinerungen hüten, wie man sie mitunter bei occupy-Aktivisten antrifft. Die vorliegende Klassensituation – und wir müssen bei jeder Betrachtung davon ausgehen, was gerade da ist – produziert vorsätzlich in dem hier gedachten Sinn „dumme“ Menschen. Das ist kein Werturteil, sondern nur Ausdruck dafür, dass den meisten Menschen nicht wirklich all die Denkstrukturen vermittelt werden, um für ein Ganzes mitzudenken. Wer die Gesellschaft als Ganzes nicht begreift, kann zumindest bezogen auf diese „Gesellschaft als Ganzes“ in keine Richtung steuern. Jener seltsame „Schwarmeffekt“, nämlich dass eine Gruppe wesentlich bessere Ergebnisse erbringt, als dies der Summe der einzelnen Mitglieder nach möglich zu sein scheint, setzt immer eine „elementare Gemeinsamkeit“ voraus. Also wenn jeder das Gesamtziel „weiß“, organisiert sich die Masse so, dass die Aussicht auf Erreichen des Ziels am größten ist – in gewisser Hinsicht tatsächlich „spontan“.

Aber zur Perspektive.
Schon im Sozialismus ist die „Notwendigkeit“ weggefallen, dass „der einfache Mann“ die Funktionsweise der Gesellschaft nicht versteht, weil er sie dann radikal ändern wollte. Er soll sich im Gegenteil fürs Ganze verantwortlich fühlen, soll die Solidarität mit ihm individuell fremden Menschen als nützlich begreifen. Also die Voraussetzung des Kommunismus wäre, dass die dort lebenden Menschen wirklich möglichst gut begriffen haben, wie ihre Gemeinschaft funktioniert. Gleichzeitig fallen jene Elemente des Zusammenlebens weg, die uns unmittelbar korrumpieren könnten.
Unter solchen Vorzeichen, versuchte ich schon anzudeuten, verändert sich auch der technische Charakter der Arbeiten. Tätigkeiten mit vorsätzlicher Verantwortung wie bei den Holacracy-Beispielen nehmen zu, solche, bei denen abgestumpfte Massen die Kommandos Macht besitzender Vorarbeiter ausführen, verschwinden allmählich. So wie Fließbänder, denen Arbeiter getaktete Handreichungen machen müssen, durch vollautomatisierte Abläufe ersetzt sein werden.

So wie solche vereinzelten Organisations-“Wunder“ unter den heutigen Bedingungen der durch die Warenwirtschaft geprägten Menschen Insellösungen bleiben werden, so beweisen sie gerade in ihrer Existenz im eigentlich ungeeigneten Umfeld, dass sie bei geeignetem zur „Normalität“ werden könnten. Sie werden aber auch dann nicht die einzige Form des Zusammenarbeitens sein.

Diesem scheinbar Positiven steht etwas Anderes gegenüber. Wir dürfen trotz eventuell ähnlicher Erscheinungen das Wesen einer Sache nicht vergessen. In unserem Sinn besteht das Wesen der Beziehung der Masse der Menschen zur „Arbeit“ darin, dass sie dem einzelnen zur Entfaltung seiner Persönlichkeit, seiner Schöpferkraft, seiner Anerkennung durch andere wünschenswertes Lebensfeld geworden ist. Sie wurde ihm deshalb Bedürfnis, weil der einzelne hier am deutlichsten zeigen kann, dass er ein würdiges Mitglied der Gemeinschaft ist – sich selbst nutzen, indem man anderen nutzt.
Das ist eine galaktisch weit entfernte Beziehung, erlebt man dies unter aktuell sich herausbildenden kapitalistischen Vorzeichen. Hier muss der „Ausgesourcte“, das frei schwebende Humankapital innerhalb einer Wolke von Bestätigung durch die Vermarktung ihrer Leistungsfähigkeit Suchenden, sich in ewiger Existenzangst freiwillig extra intensiv ausbeuten lassen. Die Vereinzelten bilden sich ein, in ständigem Überlebenskampf gegen andere Prekäre, ihre Kreativität, ihr Ich zu entfalten, verzichten dabei aber nur eine sichere Perspektive. Die „kommunistischen Clouds“ beginnen ihre Flüge bei eben dieser sicheren Perspektive. Sie müssen nicht nach Überlebensaufträge hasten, um sich eine private Rente kaufen zu können. Sie können wirklich in jedem Punkt ihres Lebens aus- oder umsteigen. Das wohl wichtigste Unterscheidungswort lautet (Existenz-)Angst. Genau die wird sie nicht treiben. Deshalb wird die Katastrophe für die „Zweiten“ kleiner sein. Sie werden eben nicht „leer ausgehen“, sondern „dazugehören“ ...
Eine insgesamt reiche Gesellschaft kann sich eine allgemein größere Vielfalt von Bedürfnissen erlauben. Das schließt „Sonderbedürfnisse“ nicht aus. Entscheidend wird aber sein, in einem extrem langfristigen Prozess eine Bedürfnisstruktur auszubilden, die wirklich den Ausdruck „allseitig entwickelte Persönlichkeit“ rechtfertigt.





Samstag, 11. August 2012

Auf zur Beförderung ...


Nehmen wir uns des Deutschen liebstes Kind, das Auto, vor. Ich möchte hier keine SF-Fantasie ausufern lassen. Niemand kann im Einzelnen voraussagen, wie das Verkehrssystem in kommunistischer Zukunft aussehen wird. Sicher werden über die künftigen „Straßen“ keine heutigen Personenkraftwagen fahren. Es gibt aber Grund, unseren Nachfahren etwas zuzubilligen, das die „Auto“ nennen, also etwas, was individuell ist und selbst fährt (oder fliegt). Diese „Autos“ wären wahrscheinlich wirklich welche: Sie führen also selbst.

Zwangsweise keine Möglichkeit zu haben, persönlich das „Steuer in die Hand zu nehmen“ oder „Gas zu geben“ widerspräche zwar kommunistischem Individualismus, aber ich denke, auch heute reichte den meisten, ein Ziel anzugeben und den „Rest“ erledigte der „Fahrroboter“, ausgestattet mit Systemen zur Fahrstrecken-Optimierung und zur Unfall-Vermeidung. Dies entspräche dem Kernziel der kommunistischen Gesellschaft, das Wohlbefinden aller seiner Mitglieder zu erhalten. Keine Ahnung, was gegen groben (jugendlichen?) Unfug gemacht werden wird. Oder ob die „Straßen“ eventuell irgendwann in der Luft liegen könnten. So viel werden sich die Menschen einfallen lassen, wenn es nicht mehr um Profit geht, sondern um Vergnügen am Kreativ-Sein. Auch gelegentlichen Spaß am selber Steuern ...

Bei solchen Systemen muss ja entschieden werden, wo welche „Anbindung“ geschaffen wird, große Startinvestitionen müssen durch die Gesellschaft getragen werden (heute über Steuern). Das verführt unter kapitalistischen Vorzeichen verschiedenste Gruppen, auf Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Lobbyarbeit. Die Modellrechnungen für die gesamtgesellschaftlich günstigste Variante sind schwer überschaubar und leicht manipulierbar. Man darf als Beispiel eben nicht nur vergleichen, dass ein fahrendes Elektroauto weniger Abgase ausstößt als ein fahrender Diesel. Man müsste mindestens die Vorstufen, also die Aufwendungen und Schädigungen, bevor Strom aus der „Zapfsäule“ kommt, einbeziehen. Solange es letztlich um den Profit der Beteiligten geht, wird jeder genau die Aspekte herausgreifen, die sein Einzelinteresse wie Allgemeinwohl aussehen lassen. Eben jenes Allgemeinwohl, das dabei leidet.


Bleiben wir beim „Auto“-Verkehr. Heute unterscheiden wir streng zwischen „Individual-Verkehr“ und öffentlichem. Bei dieser Unterscheidung wäre im Sinne der menschlichen Gemeinschaft der öffentliche Verkehr vorzuziehen. Es wäre günstiger für „die Umwelt“ im engsten und weiteren Sinn, wenn in Berlin die S- und U-Bahnen in kürzeren Takten und unentgeltlich führen. Man könnte sich entschieden angenehmer durch die Innenstadt bewegen – übrigens auch die, die im Moment in ihren Wagen steigen. Aber wohlgemerkt: Das wären Maßnahmen des Sozialismus, die relativ schnell erste Entlastungen brächten.

Kommunistisch wäre dies noch nicht. Pauschalantworten sind es sowieso nicht. Und es wäre eben auch nicht kommunistisch, die Besitzer geliebter fahrbarer Untersätze „zu ihrem Glück in der Gemeinschaft zu zwingen“. Die Gesamtentwicklung erlaubt uns aber glücklicherweise positiv zu spekulieren, uns zum Beispiel vorzustellen, dass die Weiterentwicklung der Kommunikationstechnik einen Großteil des Berufsverkehrs und viele Dienstreisen unnötig macht, dass Konferenzschaltungen an Videophonen das Zusammentreffen der Personen in einem Raum fast vollständig simulieren. Auch dass eine sinnvollere Standort-Logistik den Umfang der Warentransporte verringert. Je mehr Arbeitsaufgaben die Anwesenheit der Arbeitenden an einem Arbeitsort nicht mehr erfordern, per Computer / Internet von daheim aus lösbar sind, umso weniger Berufsverkehr tritt auf usw. Also ähnlich wie bei der menschenfreundlichen Gestaltung der Arbeitswelt beginnen die Überlegungen zum Verkehr der Zukunft damit, den notwendigen Gesamtaufwand zu vermindern.


Einschneidender wirkte sich unter kommunistischen Vorzeichen aber die Aufhebung des Unterschieds zwischen individuellem und öffentlichem Verkehr aus. Im Moment wird der Individualverkehr gepusht, weil die Firmen der Autoindustrie Umsatz machen wollen und müssen – und sei es dadurch, dass sie möglichst schnell die eine Baureihe durch die nächste ersetzen.

Stellen wir uns ein relativ perfektioniertes Verkehrsleitsystem vor, in dem die „Autos“ von Automaten gefahren werden. Das Ergebnis wären halböffentliche Taxen. Sie ständen ihren „Besitzern“ bei Bedarf zur Verfügung, und zwar nicht nur einem, sondern jedem im Wechsel mit anderen. Warum soll man nicht vor Verlassen der Wohnung den Wunsch, nach XY zu kommen, ins System „eingeben“ und draußen taucht dann ein Automat als „Chauffeur“ auf? Das braucht doch Freaks nicht daran zu hindern, ihren speziellen Lieblingswagen zu hüten und nur den zu nutzen. Aber für die Masse der Bürger ist heute schon das Auto nur ein Nutzgegenstand. Denen wäre lieber, sie könnten ein „Taxi“ nehmen und hätten zum Beispiel nie Probleme mit Werkstätten oder technischer Überprüfung. Das Verkehrsleitsystem schlösse ein, dass die „Taxistände“ bedarfsnah lägen – also so wie bei heutigen Taxen an Bahnhöfen morgens in Wohnnähe usw. Solche parkraumfreundlichen „Taxen“ könnten sogar allmählich eingeführt werden. Es muss nur immer darauf geachtet werden, dass jede Verabsolutierung ohne Ausnahmen in Einzelfällen „ungerecht“ und demzufolge nicht „kommunistisch“ wäre.

Sich einen eigenen PKW anzuschaffen, um einmal in Urlaub zu fahren, ist eigentlich absurd. Wer sollte etwas dagegen haben, eine große Reise anzumelden und auch hier steht der „Chauffeur“ pünktlich vor der Tür? Macht heute nur deshalb keiner, weil´s so teuer ist.


Das sind alles Systemlösungen, bei denen der Aufwand, sie funktionierend zu betreiben, bereits heute vertretbar wäre – nur nicht der Aufwand, sie aufzubauen. (Und natürlich ist das Ziel des Ganzen, die Menge der Verkehrsmaschinen insgesamt zu reduzieren, „wirtschaftsfeindlich“.)
Nun stelle ich aber immer wieder neu die naive Frage: Wie viele hoch komplizierte Raketensysteme werden heute gebaut, die, technisch veraltet, umgehend durch neuere ersetzt werden? Wie viel unwiederbringliches menschliches Potential verschlingen die nutzlos? Ein einzelner Flugzeugträger kostet Milliarden. „Unser“ Verkehrssystem optimierte ganz nebenbei die Kraftstoffversorgung. Im Gegensatz zu gesellschaftlichen Aufwendungen für Flugzeugträger und Vergleichbares sinken die Kosten, sobald das (zugegebenermaßen aufwändige) Verkehrssystem arbeitet.

Und der „Fortschritt“ ohne gesellschaftliche Änderungen verschärft doch weltweit die Probleme nur weiter. Wann sehen die Autofahrer ein, dass ihr Leben ohne Parkprobleme einfacher wäre? Falsche Frage! Richtige Frage: Wann wäre das Leben von „Autofahrern“ einfacher? Wir bedürfen keiner totalen technischen Revolution. Es muss nicht erst das „Beamen“ oder Ähnliches erfunden werden. Prinzipiell sind selbst für die Fahr-Automaten technische Lösungen vorstellbar; sie bedürften nur eines langen Ausreifens. Aber mit dem muss eben begonnen werden – und er bedeutete eine ganz andersartige Automobilindustrie, richtiger: es bedürfte an ihrer Stelle einer „Verkehrsindustrie“. Heute wäre die besonders in Deutschland nicht erwünscht. Sie bedeutete nämlich eine stark reduzierte Zahl zu produzierender Autos insgesamt.
Der Verkehr in seiner Vielfalt ist eines der Probleme, die durch gemeinschaftliches Denken wesentlich optimiert werden könnte. Das schließt sowohl ein, insgesamt Ressourcen einzusparen als auch es jedem Einzelnen angenehmer zu machen, an einem Wunschzeitpunkt zu einem Wunschort zu kommen … weltweit gedacht. Das könnten wir, wenn wir nicht durch Privatbesitz beschränkt dächten.