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Donnerstag, 14. Juli 2011

2. Abschnitt: Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit

Allerdings ist es nicht immer nötig, die Zusammenhänge so komplex und verwirrend darzustellen, wie sie insgesamt wirklich sind. Wem ein Stein nach unten auf seinen Fuß gefallen ist, den interessiert weder, ob dieser Stein aus Sicht eines Australiers nach oben oder aus Sicht der Sonne in Richtung Pluto oder aus Sicht der Galaxis in Richtung ihres Mittelpunkts geflogen ist, selbst wenn alle Betrachtungen im konkreten Fall richtig wären. Den vom Stein getroffenen interessiert nur, dass er keinen Schuh angehabt hatte, Schmerzen hat, hinkt und blutet.
Halten wir also fest: Auch der so genannte gesunde Menschenverstand ist davon abhängig, was wir zuvor in den verschiedensten Formen gelernt haben. Es gibt dabei keinen Fall, bei dem nicht wenigstens ein ganz klein wenig theoretisches Wissen dabei ist. Wäre dies anders, würde jeder von uns sich heute als Erdscheibenbelatscher empfinden. (Die Sonne „geht eben auf“ ...
Wenn aber in dem, was wir – aus welchem Grunde auch immer – in dem, was wir einmal beigebracht bekommen haben, ein Fehler war, können wir daraus mit Recht ein Gebäude von „Wahrheiten“ errichten, ohne zu ahnen, dass wir die idiotischsten „Meinungen“ von uns geben. Wahr bleibt dabei nur der Zweifel. Weil wir heute wissen, wie sehr wir den Kopf über die „Meinungen“ eines Durchschnittsmenschen von vor 700 Jahren den Kopf schütteln, können wir erahnen, dass dies einem Menschen aus der Zeit 700 Jahre nach uns mit uns wahrscheinlich genauso gehen wird – nicht in allen Dingen, aber durchaus bei vielen heutigen „Selbstverständlichkeiten“. Allerdings haben wir natürlich ähnliche Schwierigkeiten über die Einzelheiten dieses Kopfschüttelns – wie ein Damaliger meine „jedem gesunden Menschenverstand widersprechende“ Weltsicht mit der Bewegung der Sonne um die Erde zurückwiese.
Anders gesagt: Wir sind leicht für dumm zu verkaufen und merken es meistens nicht. Allerdings sind wir nicht wehrlos. Es gibt natürlich immer neben jenen „Wissenschaften“ und Schulen, die uns die uns umgebende Welt als letztlich endgültig vorkauen, auch immer wissenschaftliche Zweifler. Und mit denen zusammen können wir durchaus in Geistes-Raketen steigen, um mit eigenen Augen zu sehen: Der Stein fällt für uns nicht nach oben oder unten, das macht er eben nur unter Gravitationswirkung, sondern für uns schwebt er frei im Raum. Etwas zur Entwicklung der dabei erforderlichen kreativen Fantasie kann ich vielleicht beitragen.
Also pflücken wir Äpfel vom Baum der Erkenntnis …

Mittwoch, 13. Juli 2011

2. Abschnitt: Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit

Aber man erlaube mir zuvor noch ein Kratzen an gewohntem Denken:
Das, womit wir alle Erscheinungen, mit denen wir konfrontiert werden, bewerten, nennen wir selbstbewusst den „gesunden Menschenverstand“. Das klingt so, als wäre dies „dem Menschen“ gegeben. Versuchen wir doch einmal, an eben diesem, unseren eigenen „gesunden Menschenverstand“ zu zweifeln.
Lasst mich Folgendes behaupten: Die Erde ist eine Scheibe , über der sich die Sonne bewegt.
Nein, das ist Unsinn? Gut. Einverstanden. Das weiß doch jeder, dass das falsch ist.
Aber jeder sagt doch, ohne groß darüber nachzudenken, „Die Sonne geht auf“ oder „Die Sonne geht unter“. Ist das nicht auch „falsch“? Aber entspricht das nicht unseren alltäglichen Beobachtungen?
Stellen wir uns vor, wir hätten all die Zusammenhänge von Physik und Astronomie in der Schule nicht so gelernt wie wir sie gelernt haben. Was sehen wir?
Die Sonne geht morgens auf, bewegt sich in jahreszeitlich unterschiedlichen Bahnen über den Himmel und geht auf dessen anderen Seite wieder unter. Das sieht jeder wirklich.
Nun stellen wir uns vor, wir hätten dies als richtige Beschreibung auch so in der Schule gelernt, verbunden mit der Erklärung, das alles sei der unergründliche Wille eines über dem Ganzen wachenden Schöpfers. Hätten wir daran gezweifelt? Wo kluge Leute unsere Beobachtung bestätigten?
Wie hätten wir reagiert, käme nun ein voreiliger Ketzer daher, der mit (für uns nicht nachvollziehbaren „wissenschaftlichen“ (?!)) Argumenten zu erklären versuchte, die Erde drehe sich als Kugel mit uns obendrauf um jene Sonne da? Hätten wir ihn nicht mit gutem Recht als Spinner verlacht? Hätten wir es nicht eventuell gut geheißen, wenn der Ketzer verbrannt worden wäre, da er uns doch mit seiner Darstellung unseres Schöpfers und damit unseres paradiesischen ewigen Lebens zu berauben versuchte? Können wir heute so ehrlich sein, dass wir das in eine andere Zeit hineingeboren, mit anderem Grundwissen gefüttert wahrscheinlich so gesehen hätten? Mit wirklich „gesundem Menschenverstand“?!
Dieser Ketzer, der eine für heutige Verhältnisse „Allerweltsweisheit“ verbreiten wollte, hätte auch bei uns verdammt schlechte Karten, wenn wir uns in die Denkwelt der Zeit vor 1450 zurückversetzten … Nur weil wir ein neues Weltbild in der Schule gelernt und Bilder aus der Erdumlaufbahn gesehen haben, glauben wir Anderes zu wissen … In unsere uns natürlich erscheinende Denkwelt sind also Lehren Anderer eingeflossen.
Noch einmal: Wer kann sich NICHT vorstellen, er hätte sich unter anderen Umständen als den heutigen über die Vorstellung amüsiert, dass wenn in Australien ein Stein „nach unten“ auf die Erde fällt, er euch aus unser deutschen Sicht nach „oben“ entgegengeflogen käme? Er fällt uns doch sozusagen ein Stück entgegen! Oder hat noch niemand beim Betrachten des Globusses gedacht, die „da unten“ müssten runterfallen? Wenn nun unser Lehrer gesagt hätte, ja, natürlich fielen wir „dort“ herunter …
Für unser Verständnis „mit gesundem Menschenverstand“ ist es dabei belanglos, ob in der Schule mit Absicht, also wider besseres eigenes Wissen des Lehrers oder der ganzen Gesellschaft, oder aus allgemeinem Unwissen heraus etwas gelehrt würde, was „objektiv“ den realen Zusammenhang falsch darstellt.
(Der australische Junge könnte ja mit demselben Recht verwundert sein, dass wir nicht von der Kugel herunterfallt.)

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Dienstag, 12. Juli 2011

2. Abschnitt: Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit

Der menschliche Verstand ist Computern und Naturwesen durch seine Abstraktionsfähigkeit überlegen. Zumindest im Moment noch müssen technische Systeme ALLE Eingangsdaten bewerten, um ihre Relevanz einzuschätzen. Der Verstand überblickt schneller ein Ganzes, das, worauf es wahrscheinlich ankommt, riskiert dabei allerdings eher Irrtümer. Man denke an die Anti-Spam-Codes. Wenn da Zeichen ein wenig quer daher kommen, geht man zurecht davon aus, dass sie ein „unscharf“ betrachtender Mensch trotzdem erkennt, während die Maschine erst einmal feststellt, dass es das bekannte Zeichen nicht ist. Normalerweise ist das ein Vorteil. Wie viele Lehrer müssten die Bewertung von schriftlichen Schülerleistungen aufgeben, wenn sie nicht ein Grundwissen für Zeichen und Zeichenkombinationen verinnerlicht hätten, an das sich die einzelnen Handschriften mehr oder weniger annähern. Schriebe ein Schüler allerdings in einer deutschen Klasse griechisch oder kyrillisch, versagte das Vergleichssystem. Bei arabischen oder chinesischen Zeichen reichte es wahrscheinlich bis zu einer Erkenntnis: „Da verwendet jemand arabische bzw. chinesische Zeichen.“
Was will ich damit ausdrücken? Normalerweise geht unser Verständnis von dem aus, was es kennt bzw. was es gelernt hat – wovon es also meint, dass es es kennt. Auch, wenn etwas anders ist, als das Bekannte, greifen wir zur Erklärung auf Bekanntes zurück – und finden auch etwas. Nun stehen wir aber beim „Kommunismus“ vor etwas völlig Unbekannten und Neuen. Wir müssten also alle vertrauten Pfade verlassen und uns aufmachen, die „arabischen bzw. chinesischen Schriftzeichen“ als solche zu lernen. Aber Gnade, uns begegnen Zeichenkombinationen, die wir mit unserem erlernten Zeichensatz „lesen“ können. Dann tun wir das … auf Teufel komm raus und versuchen die nicht identifizierbaren Zeichen als schlecht geschrieben auch auf Bekanntes zurückzuführen. Wir bilden uns ein, wissen wieder …
Um ein paar Eigenschaften des Kommunismus vorausahnen zu können, hätten wir als einzigen Anhaltspunkt die Zeit vor den Klassengesellschaften. Nur … wir wollen doch nicht auf die Bäume zurück! Wir können höchstens überlegen, welche Denkweisen sich durch die zurückliegenden Jahrtausende Herrschaft zwischen den Menschen verändert haben könnten, welche also demnach sich wieder „zurückbilden“ könnten, wenn die Bedingungen, die sie gefördert haben, weggefallen sein werden. Den Hauptteil aller dieser heute als „natürlich“ und „selbstverständlich“ erscheinenden Denkweisen haben ja materielle Ursachen, die durch andere ersetzt sein werden.
Ein Teil der Formen sozialer und praktischer Vernetzung von Menschen ist heute noch nicht denkbar, weil die Beziehungen, die ihnen zugrunde liegen noch nirgends vorgelegen haben.
Analogien zum „Urkommunismus“ produzieren eine unbestimmbare Zahl von Fehlern, da gerade die soziale Hauptfessel der „Ur-Menschen“ weggefallen ist: der materielle Mangel.
Also … Unser natürliches Denken versagt also bzw. bietet uns voreilige Schlüsse an, weil wir aus Bekanntem auf für uns absolut Ungewohntes zu schließen versuchen. Wir können uns also nur mit „Krücken“ behelfen: Also solche brauchen wir Fantasie und die Logik, die wir aus dialektisch-materialistischem Schlussfolgern gewinnen können.

Montag, 11. Juli 2011

2. Abschnitt: Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit

Nein, ich habe nicht vergessen, dass ich eigentlich hatte begründen wollen, warum ich das Scheitern der Novemberrevolution in Deutschland für die größte Katastrophe der Geschichte des 20. Jahrhunderts halte. Aber um es kurz zu sagen: Eben jenes Scheitern schuf damals bereits die Bedingungen, die danach allen „Realsozialismus“ am Entfalten hinderten – in gewisser Weise bis zu dessen Untergang. Aus dem Geburtsschaden des „Realsozialismus“ erwuchsen eben die meisten folgenden „Verirrungen“ in der Wirklichkeit. Dass dieser „Realsozialismus“ gewesen ist, wie er gewesen ist, macht es nun auch so schwer, einem normalen Menschen zu erklären, wo wir tatsächlich hin gewollt hatten – und warum „wir“ immer noch dorthin wollen (müssen). Denn es ist ja wohl nicht zu bezweifeln, dass wir der angestrebten Gesellschaft in den „realsozialistischen“ Staaten wie der DDR zumindest näher gekommen waren. Aber um einen Preis, der ins „rechte“ Licht gerückt das ganze notwendige Projekt diskreditiert.
Und die Perspektive Kommunismus muss eben von den Massen gewollt werden. Es reicht einfach nicht, die Stückchen des „Kapitalismus“ nicht zu wollen, die gerade am meisten weh tun. Es reicht nicht einmal, den Kapitalismus insgesamt nicht zu wollen. Man muss auch etwas Anderes, Alternatives bewusst wollen und darauf hinarbeiten. Im Chaos des wirren Handelns der Vereinzelten reproduziert sich der Kapitalismus sonst immer selbst – und zwar als sozialdarwinistische Auslese der „Stärksten“. Also mit zumindest faschistoider Tendenz. Der „Sozialstaats-Kapitalismus“, den manche wieder haben wollen, war ausschließlich als Wirkung des Teilausstiegs aus dem Chaos durch den – wenn auch mit all seinen Kainsmalen versehenen - „Realsozialismus“ untergegangener Prägung möglich. Im „realen Kapitalismus“ können nur Starke ein vorübergehendes „Gleichgewicht“ bilden. Das heißt, es müssen ausreichend Gegenkräfte organisiert wirken, um den Kapitalismus in seinem Inneren weniger „kapitalistisch“ zu machen.
Es muss dabei wenigstens unterschwellig die Systemfrage im Raum stehen. So lange es um das Erzielen von Maximalprofit geht, wäre selbst ein Erfolg gegen die „Atomlobby“ eben nur der Einstieg in die nächste Gefahr für die Menschheit, mit der sich die dicke Knete machen lässt. So viel besser waren die Machtorgane des Realsozialismus nicht als die der kapitalistischen Staaten – trotzdem gab es in allen „Ostblock“-Ländern keinen relevanten Rauschgifthandel und keine damit zusammenhängende Kriminalität, keinen Menschenhandel, kein Rotlichtgewerbe, Ludentum usw.
Derartige besondere Profitmachereien gibt es trotz ihrer juristischen und ethischen Verfolgung in kapitalistischen Grauzonen weiter, während ihnen auf anderem gesellschaftlichen Boden einfach die Nahrung fehlt.

Sonntag, 10. Juli 2011

2. Abschnitt: Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit

Normalerweise werden alle Vorgänge aber so beschrieben, als vollzögen sie sich in einem geschlossenen System. Von allem, was „draußen“ passiert, wird abstrahiert. Es verkompliziert und lenkt ab. Nun ist ein Lagerfeuer aber immer ein offenes System: Die Reaktionsprodukte und die Masse alle Energie entschwinden in den freien Raum.
Komplizierter wird die chemische Reaktion, wenn man sie in einen (Kachel-)Ofen verlegt. Hier wird das relativ offene System nur begrenzt künstlich hergestellt. Aber nun soll es Leute gegeben haben, denen war das System zu lange offen. Die drehten den Ofen zu. Nun entstand ein relativ geschlossenes System. Relativ insoweit, als dass ein Teil der Energie weiterhin nach draußen abgegeben wurde. Das war ja auch der Sinn der Sache: Nicht der Ofen sondern das jeweilige Zimmer sollte ja wärmer werden. Aber im Verbrennungsraum verschob sich das Stoffverhältnis: Es verblieb mehr Kohlendioxid im System. Da es ausreichend heiß war, konnte ein Teil der Energie dadurch chemisch gebunden werden, dass sich das CO2 mit dem Kohlenstoff verband zu Kohlenmonoxid. Ein Teil dessen verließ jenes relativ geschlossene System, drang in das wiederum relativ geschlossene System „Wohnzimmer“ … und schläferte die dort Ruhenden dauerhaft ein.
Es reagiert eben Kohlenstoff nicht bedingungslos (nur) mit Sauerstoff …
Es ist die Verallgemeinerung erlaubt, dass „man“ bei JEDER Reaktion, die man bewusst herbeiführen will, die wesentlichen Bedingungen schaffen muss, die zum Ablauf erforderlich sind. Logischerweise muss man sie dazu kennen.
Nun gibt es den Begriff „objektiv“, den ich auch gern gebrauche. Der sagt in diesem Sinne „nur“ aus, dass eine „Reaktion“ immer stattfindet, wenn alle Bedingungen gegeben sind. Naturgesetzmäßig. Also unabhängig davon, ob man sie so beabsichtigt hatte.
Um auf das Kohlenmonoxid aus dem Ofen zu kommen: Selbstverständlich kann man die Reaktion auch vorsätzlich zum Suizid oder Mord benutzen. Es ist aber nicht die Frage, mit welcher Absicht zu einem bestimmten Augenblick der Ofen zugedreht worden war, sondern dass das dann dann geschah, als die Bedingungen für die CO-Redox-Reaktion besonders günstig waren.
Zum Nachdenken über die Verwendbarkeit eines solchen Bildes für gesellschaftliche Handlungsweisen sollte noch hervorgehoben werden :Im Umgang mit dem Ofen wurde immer mit mindestens einem Vorsatz gehandelt …
Man darf das nicht mit „Determinismus“ verwechseln. Um gesellschaftliche Vorgänge zu erklären, meinetwegen auch nur die psychologische Erklärung für das Handeln eines Menschen, muss vereinfacht werden. Man vernachlässigt immer Besonderheiten, die bei einem bestimmten Vorgang nebensächlich sind oder scheinen. Baut man ein geistiges System aus solchen Vereinfachungen, ist immer richtig zu sagen, „Wenn …, dann …“ So mag zwar die „Arbeiterklasse“ in ihrem „Wesen“ die Klasse sein, die berufen gewesen wäre, längst den Weltsozialismus errichtet zu haben, aber …
Auf einige Aber können wir hier zurück greifen.

Samstag, 9. Juli 2011

2. Abschnitt: Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit (8)

Von einer gegebenen Menge Wasser gehen nämlich nie alle gleichzeitig vom flüssigen in den gasförmigen Zustand über. Man kann also unterscheiden zwischen „Revolutiönchen“ als Vorgänge bei jedem einzelnen Teilchen und der „Revolution“ als Prozess. Letztere ist für uns interessant. Sie beginnt mit den ersten gehäuften „Revolutiönchen“ und endet, wenn alles Wasser verdunstet ist.
Hübsch zu beobachten sind Probleme solcher Revolutionen beim Kochen im Topf. Dort kommt nämlich erschwerend dazu, dass die ersten Wasserteilchen, die die Siedetemperatur erreicht haben, unten, also bei der Herdplatte als Energiequelle auftreten. Die müssen nun zwischen den kühleren Teilchen hindurch zur Oberfläche, sprich: zu ihrer individuellen Revolution. Dabei erwärmen sie die anderen mit – dadurch gibt es unter Umständen „Konterrevolutiönchen“, weil ein Teil der aufsteigenden Teilchen wieder abkühlt – die meisten aber dampfen in die Freiheit ab. Es verdampfen also im offenen Topf Wassertropfen, obwohl das Wasser noch nicht kocht.
Der Ablauf dieses Revolutionsspiels lässt sich manipulieren. Durch einen Deckel. Durch Gewicht auf dem Deckel. Auf diese Weise entsteht ein geschlosseneres System. Denn ein Teil der zugeführten Energie verbleibt nicht in den zu revolutionierenden Wasserteilchen, sondern wird von der kühlen Umgebung abgezogen. Je bewegter diese Umgebung ist, umso mehr wird abgezogen. Ohne beständige Neuzufuhr von Energie hat das „Restwasser“ u. U. noch einen Moment 99, dann 98, 97 usw. Grad und Aus ist´s mit Revolution. Steht dagegen der Inhalt des Topfes unter Druck, kann ein Teil der Teilchen deutlich mehr als die „normale“ Siedetemperatur haben … und bleibt trotzdem flüssig. Dieser Teil holt dann seine Revolution mit dem Entfernen des Deckels in kürzester Zeit geballt nach. Wie lange die beiden Abläufe zu beobachten sind, ist dabei nicht die Frage. Revolution ist der ganze Vorgang, durch den aus einem Topf mit Wasser ein Topf mit Luft geworden ist.
Unser menschliches Denken abstrahiert meist davon, dass auch in der Natur alle Prozesse an konkrete Bedingungen gebunden sind. Viele dieser Bedingungen nehmen wir gar nicht als solche wahr, weil sie uns als selbstverständlich gegeben erscheinen. Das sind sie ja meist auch.
Wer denkt schon darüber nach, wenn er ein Lagerfeuer entzündet, dass die dabei sich vollziehende Hauptreaktion an mehrere „Bedingungen“ geknüpft ist. Kohlenstoff reagiert mit Sauerstoff zu Kohlendioxid, wobei die erwünschte Energie frei wird. Bedingungen?! Na, Sauerstoff und Kohlenstoff müssen da sein … und was da brennen soll, sollte trocken sein. Da hört die Durchschnittsbetrachtung aber schon auf.
… Wer käme auf die Idee, dass für diesen Vorgang mindestens noch ein „offenes System“ und demzufolge eine gewisse „Kälte“ (und das Fehlen anderer Stoffe mit ähnlichen Wirkungen wie das Wasser) gehört? Besonders die Kälte wird als „Vorsatz“ unterstellt – wir betreiben ja diese Verbrennung, um uns zu wärmen. An das „offene System“ aber denkt kaum jemand.

Freitag, 8. Juli 2011

2. Abschnitt: Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit (7)

An dieser Stelle stelle ich einfach eine Behauptung in den Raum: Alles, was wir bisher an über den Horizont des Kapitalismus Hinausweisendes erlebt haben, war im originär marxistischen Sinne noch kein „Sozialismus“, „Kommunismus“ schon gar nicht. Wenn wir schon Begriffe brauchten, dann war dies am ehesten eine maximal „abgebremste Revolution“.
Wir dürfen uns dabei „Revolution“ nicht im engsten politischen Sinn als eine „Machtergreifung“ vorstellen, Im philosophischen Sinne beschreibt der Ausdruck „Revolution“ ja den relativ schnellen Übergang von einer „Qualität“ zu einer tatsächlich grundsätzlich neuen.
Nun dürfen wir uns „schnell“ nicht aus der Perspektive eines Menschenlebens vorstellen. Bei der Frage der „kommunistischen Gesellschaftsformation“ geht es darum, eine menschliche Kultur zu erschaffen, die über 10000 Jahre „Klassengesellschaft“ mit ALLEN ihren Elementen ins Grab der Geschichte versenkt. Was die Menschheit in ihrer gesamten Entwicklung aus dem Tierreich heraus entwickelt hat, wird auf neuer Grundlage gestaltet. Die Menschheit gestaltet ihre Welt als Ganzes erstmals bewusst und vorsätzlich geplant. Erstmals kann sie das. Schon allein deshalb ist es nicht mit dem Schuss eines Panzerkreuzers getan.
In diesem Sinn kann sogar der gesamte „Sozialismus“ noch als „evolutionäre Revolution“ verstanden werden. Also es muss sich das grundsätzlich neue erst entwickeln. In ihm sind BESTIMMTE GRUNDLAGEN notwendigerweise real vorhanden, während andere sich darauf aufbauend erst allmählich ausprägen können. Das schließt nicht aus, dass entgegen Marx, Engels und Lenin selbst der Übergang vom Sozialismus zum entwickelten Kommunismus von der Form her „revolutionär“ vollzogen werden wird. (Das wäre z.B. abhängig von der Stärke der institutionalisierten Bürokratie.) Vom philosophischen Wesen her ist er es auf jeden Fall.
Schieben wir eine naturwissenschaftliche Vereinfachung ein, um die philosophischen Beziehungen von Qualität und Quantität, Revolution und Evolution zu veranschaulichen.
Der Übergang von flüssigem Wasser und Wasserdampf ist z. B. eine Revolution. Als uns das in Studentenzeiten erklärt wurde, begann die Erklärung bereits mit einer Unterstellung: Das Wasser in „Zimmertemperatur“ wird zum Kochen gebracht. So dargestellt ist der Vorgang bereits ein bewusst beabsichtigter. Diese Gerichtetheit war erforderlich, um folgende Frage aufzuwerfen: Welche aufgewandte Energie ist wichtiger: die, die gebraucht wird, um das Wasser von 20 auf 30, von 30 auf 40 … von 80 auf 90 Grad zu erhitzen oder die, die den Übergang der Wasserteilchen von ihrer flüssigen in die gasförmige Form ermöglichen? Nur der letztere Vorgang erscheint als „Revolution“ - das andere ist Evolution. Damit es aber zu einer solchen Revolution kommen kann, sind die entsprechenden Evolutionen, also die allmählichen Aufladungen der Wasserteilchen mit kinetischer Energie unumgänglich. Es gibt kein Teilchen, das direkt von 20 Grad auf Dampf umschlägt.
Um die Sache nicht zu sehr zu verkomplizieren, klammere ich jene Verdunstung aus, die aus der natürlichen Luftbewegung und der sich daraus ergebenden „Vermischung“ der Stoffe ergibt.
Trotzdem enthält das Modell bereits Haken, die auf unsere gesellschaftlichen Beziehungen / Revolutionen übertragbar sind.

Donnerstag, 7. Juli 2011

2. Abschnitt: Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit (6)

Nein, ich behaupte nicht, das dies allein die Geschichte des „Realsozialismus“ erklärt. Sobald man aber diese Aspekte weglässt, entsteht ein verzerrtes Bild.
Was liegt denn hinter uns: Lebensschreie einer Steißgeburt. Schafften wir es, etwas mehr „weltgeschichtlich“ auf die DDR und jenen damaligen „Realsozialismus“ zurück zu blicken, dann müssten wir uns eigentlich wundern, welch gewaltige Leistungen dieses unter ungünstigsten Bedingungen ans Licht gekommene Etwas erreicht hat.
In gewisser Hinsicht war diese frühe Gemeinschaft selbstmörderisch sozial. Leider war dies mit einem Haufen von zerstörten Illusionen verbunden, die ihren Teil zum Zusammenfall des Anlaufs beitrugen.
Zu den Illusionen gehörte das totale Verkennen des Gegners. Klar. Heute ist einigen in den „eigenen Reihen“ die Maske vom Gesicht gefallen. Sie haben sich als Hirngeschwülste eingebildeter Macht geoutet, waren schlicht Verräter. Mal selbstverliebt wie Gorbatschow, der sich heute darin sonnt, welch „Mächtige“ ihm die Hand geben – und der sich als Erfinder eines offenen Sozialismus feiern ließe, wäre alles anders gekommen. Mal einfach eklig und persönlich gefährlich voll Mitmenschen-Verachtung wie so ein Schabowski-Bezirkssekretär. Ohne sie wäre das Zurückdrehen des Zeitenrades nicht möglich gewesen.
Dann all die offenen und versteckten „Klassenfeinde“. Einige von ihnen schafften es sogar, in die Reihen philosophisch-politischen Unsinn in die Theorie der Staatssozialisten zu schleusen - die Floskel von der „Friedensfähigkeit des Imperialismus“ zum Beispiel. Der Expansionsdrang des Kapitalisten endet immer nur an den Mauern der Stärkeren – und bei Strafe seines Untergangs muss er nach Überwindung dieser Mauern suchen.
Leider überließen die „Klassiker“ der „marxistischen“ Weltanschauung an manchen Stellen unscheinbare, aber wesentliche Löcher im geistigen System. Eines davon war der Gedanke, dass es nicht nur den einen umfangreichen Übergangszeitraum vom Kapitalismus, also der letzten auf Ausbeutung aufgebauten Klassengesellschaft, zum Kommunismus als klassenloser Gesellschaft geben muss. Diesen einen Übergangszeitraum, den man großzügig einer gemeinsamen „kommunistischen Gesellschaftsformation“ zurechnen kann (worüber man in 50000 Jahren die Achseln zucken wird) und Sozialismus nennt.
Da Marx eben vom im Wesentlichen weltweit „gleichzeitig“ erfolgenden Austritt der durch die Arbeiterklasse geführten Menschheit aus der alten in die neue Ordnung ausging, hatte er keine Veranlassung, über den Charakter einer „Weltgesellschaft“ nachzudenken, die den Übergang erst zu diesem „Sozialismus“ vollzieht. Und Lenin wich der Systemfrage einfach aus: Als er merkte, der Sprung würde nicht wunschgerecht landen können, hielt er vorsichtshalber den „Aufbau des Sozialismus in einem Land“ für möglich. Ansonsten hätte er den Menschheitstraum grundsätzlicher „Gerechtigkeit“ in unbestimmbare Ferne verschieben müssen – in der Art, die Revolution kommt mit dem neuen Messias. Nein, das konnte er nicht verantworten - er probierte das Mögliche …
Eines aber war nicht möglich: der Sozialismus. Es konnten nur einige Teilgrundlagen für den tatsächlichen Sozialismus geschaffen werden.  

Mittwoch, 6. Juli 2011

2. Abschnitt: Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit (5)

Aber dazu wäre ja noch etwas Anderes gekommen: Eine objektiv bessere Ausgangslage auch für innere Demokratie. Wie war die Wirklichkeit? Ein alleiniger Riese konnte gleichberechtigte Mitsprache höchstens simulieren lassen. Es war doch irgendwie selbstverständlich, dass eine Macht, die fast 30 Jahre sich hatte irgendwie einrichten müssen, allein klar zu kommen, nach dem nächsten Krieg Schwierigkeiten mit der „Gleichberechtigung“ aller Partner haben musste, die ohne sie allesamt nicht lebensfähig gewesen wären (von der Führungsrolle der einzigen Siegerpartei ganz abgesehen).
Wie anders hätte auch das objektiv sein können, wenn von Anfang an ein Netz gegenseitiger Abhängigkeiten zum gemeinsamen Vorteil hätte entstehen können. (Ich möchte das Rapallo-Vertragswerk ja nicht auf Null setzen, aber hier geht es um die Ausgestaltung eines Wirtschaftsystems.)
Ich darf sogar auf anderer Ebene spekulieren: Ohne den deutschen Faschismus wäre die Atombombe zumindest nicht zu jenem Zeitpunkt einsatzreif gewesen. Mit der amerikanischen (hier wage ich den Ausdruck „amerikanisch-deutschen“) Atombombe aber wäre die Selbstkasteiung der Sowjetunion zum Gleichziehen (noch) nicht nötig gewesen – unmittelbar nach der Weltkriegsverwüstung des eigenen Potentials.
Aber es war ja nicht der Weltkrieg allein und die Angst danach, gleich wieder in den nächsten mit einem übermächtigen Gegner zu geraten. Es war eben die Hektik, mit der supraschnell eine sowjetische Tonnenschwerindustrie aus dem eigenen Lebensstandard herausgeschnitten worden war – wenn man die folgenden Panzerbaukapazitäten berücksichtigt zu Recht. Das hatte sowohl wirtschaftliche Folgen als auch „ideologische“: Wann hört (einmal bwährte) Tonnenideologie auf? Wann ist der Punkt gekommen, wo an die Stelle des Kommandierens, der Kommissare, die das letzte Wort haben, Wirtschafts- und Gesellschaftsdemokratie treten kann … und muss? Wenn es doch so oft nur mit Gewalt hatte gehen können …
Mensch ist Mensch – auch wenn er „Kommunismus“ leicht über die Lippen bringt. Und eine „bewährte Methode“ gibt man nicht so leicht auf.
Auf der anderen Seite steht die menschliche Anpassung: Wenn eben immer der Kommissar das Richtige gesagt hatte – allein deshalb, weil er der Kommissar war - dann betäubt das die Selbstüberwindung zum Mitdenken. Dies vor allem unter Bedingungen, wo Väterchen Zar so glatt von einem Generalissimus abgelöst worden war.
Diese Menschen „frei“ zu lassen, ihre Geschicke in eigene Hände nehmen zu lassen, ist dasselbe Risiko, wie Menschen, die Monate lang in einer finsteren Höhle gehaust hatten, ins Licht hinaus zu scheuchen. Sie werden geblendet, hilflos … in die nächste dunkle Ecke torkeln.

Dienstag, 5. Juli 2011

2. Abschnitt: Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit (4)

Als sicher anzusehen wäre ein anderer Verlauf dessen, was das junge Sowjetrussland als „Interventions- und Bürgerkrieg“ erlebte. Wahrscheinlich wäre dieser Krieg mit weniger weißem Terror und damit weniger rotem Gegenterror zu Ende gegangen.
Sicher hätte auch das, was wir als „Versailler Vertrag“ und seine Umsetzung kennen, anders ausgesehen. Und es kann natürlich nicht bezweifelt werden, dass dieses Werk eines imperialistischen Kriegsendes für die in Deutschland an der Macht gebliebenen Rüstungskonzerne die „Munition“ geliefert hat, in breiten Volksschichten eine Remilitarisierung zu akzeptieren.
Sicher ist drittens, dass eine richtige Volksmacht zum Aufbau des Sozialismus die Entwicklung des „Nationalsozialismus“ - also real des Faschismus – verhindert hätte.
Als sicher kann angesehen werden, dass es den Weltkrieg Nummer 2 nicht in der uns bekannten Art gegeben hätte (mit der deutschen Kriegsschuld also).
Zu diesen Punkten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit kommen solche mit hoher Wahrscheinlichkeit. Der wesentlichste darunter ist die Erwartung, dass auch in anderen europäischen Ländern positivere Entwicklungen wahrscheinlicher gewesen wären. Ich denke da u.a. an das Schicksal der ungarischen Räterepublik oder die italienische Entwicklung zum ersten „Faschismus an der Macht“. Da ließe sich viel spekulieren.
Entscheidend ist etwas Anderes: In der realen Geschichte hatte 1922 ein Anlauf zum Sozialismus auf einem Stück Welt überlebt, dem zu diesem Zeitpunkt auf dem Gebiet der „Produktivkräfte“ nur minimale Ansätze für eine überlebensfähige sozialistische Gesellschaft zuzubilligen waren. Überlebt hat das Gebilde wegen seiner räumlichen Ausdehnung. Eine Welt von Hinterweltbauern, die teilweise auf einem Entwicklungsniveau verharrten, das die deutschen Bauern zur Reformationszeit bereits überwunden hatten. Dem standen ein paar dünn gesäte Leuchttürme des Fortschritts gegenüber. Weltweit isoliert, gezwungen aus eigener Kraft in einen Rundum-Fortschritt zu rasen. Und durch Krieg und Nachkrieg waren selbst frühere Wirtschaftsteile zerstört, während eigentlich ein autarktes System hätte aufgebaut werden müssen. Alles selber machen von allen Rohstoffen, alle Grundindustrien bis hin zu allen Endfertigungen / Bedürfnisbefriedigungen … mit einem Minimum an Fachkräften. Auf der anderen Seite erwartete man von dem einzigen „Sieger“ in den Reihen der sozialistischen Bewegung Führung in jeder Ebene.
Nun stelle man sich vor, neben dem Rohstoffland Russland hätte wenigstens die – wenn auch vom Krieg zurückgeworfene – Industriemacht Deutschland gestanden. Für den Mathematiker wäre das ein Entwicklungsvergleich wie wenn man 4 x 4 x 4 x 4 neben 2 x 2 x 2 x 2 setzt. Anfangs nur doppelt gute Ausgangsposition, aber bald stünde es 256 : 16! Allein was die gegenseitige wirtschaftliche Befruchtung beträfe...  

Montag, 4. Juli 2011

2. Abschnitt: Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit (3)

Die Antwort fällt leichter, wenn man berücksichtigt, dass Marx aus der prinzipiellen Gesetzmäßigkeit der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft – die in der Vergangenheit aufgezeigt werden konnte – die Notwendigkeit und Möglichkeit der weiteren Entwicklung, einschließlich der diese Entwicklung tragenden Kraft ableitete. Die „Arbeiterklasse“, so meinte er, sei die erste Klasse, die dank ihrer Rolle in der Produktion – nämlich doppelt „frei“ zu sein (von vorgeschriebenen Abhängigkeiten und Eigentum) – die die Klassenherrschaftsverhältnisse als Ganzes beseitigen könne.
Die Arbeiterklasse entwickelte sich in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts stürmisch … entfaltete aber außer der Pariser Commune kaum wesentliche Aktivitäten, ihrer eigenen Führungsrolle im Weltgeschehen gerecht zu werden.
Erst mit dem 1. Weltkrieg war eine „revolutionäre Situation“ am Reifen: Eigentlich verlief der Krieg für keine Seite ganz nach Wunsch. Mehr oder weniger sah es danach aus, dass die Herrschenden nicht mehr auf die bisherige Weise würden weiter herrschen können, und dass die Beherrschten nicht mehr so weiter leben konnten wie bisher. Das Mehr traf besonders für Deutschland zu, je mehr sich die Unmöglichkeit eines Sieges abzeichnete, während die Volksmassen richtige Hungersnöte durchleben mussten.
Unter diesen Bedingungen schrieb Lenin sein gern verkanntes Buch „Staat und Revolution“, in dem er das Ziel einer sich sozialistisch auflösenden Klassenmachtgesellschaft so „wissenschaftlich“, wie es zu jener Zeit maximal möglich war, beschrieb. Gern wird viel in Ausführungen hinein gedeutet, die er nur wenige Monate später machte (hauptsächlich die „Aprilthesen“), in denen er scheinbar grundsätzliche Positionen wieder korrigierte. Das hat er aber im Grundsatz eben nicht.
Wir müssen uns nämlich angewöhnen, dass zum dialektischen Denken auch das Sich-darüber-klar-Werden gehört, auf welcher Ebene wir uns gerade bewegen. Und „Staat und Revolution“ beschrieb eine Welt (!) des „Sozialismus“, auf die hin zu steuern 1916 durchaus theoretisch notwendig war (und möglich schien) – während 1917 die Kräfte miteinander rangen, die einen solchen Weg erst einleiten konnten. Nun stellten dich die Fragen auf eine Ebene, auf der man zwar Sozialismus haben wollte, aber mindestens in wesentlichen Teilen der Welt noch nicht hatte.
Noch immer blieb aber die Hoffnung: Wir (also die Bolschewiki) stehen an unserem Platz, erfüllen unsere Pflicht, andere stehen an anderen Plätzen bereit, dort die ihre zu erfüllen.
Eine besondere Rolle kam dabei Deutschland zu. Hier waren die weltgrößten Potenzen der inneren Wirtschaftskraft konzentriert. (Die Weltmacht Nummer 1, England, war durch die Ausbeutung ihrer Kolonialwelt stärker ein „Rentnerstaat“, wo den Bewohnern mehr Almosen zugeworfen bekamen.
Sowohl der relative Sieg der russischen Oktoberrevolution als auch die Niederlage aller die bürgerlichen Horizonte übersteigenden Elemente in der Novemberrevolution in Deutschland hatte zwar konkrete Gründe, beide Ergebnisse waren aber nicht so zwingend notwendig, wie beispielsweise der „Ausbruch“ des Weltkriegs (bei dem nur der Anlass, also das Datum des Beginns Zufall gewesen war.) Dass – um nur ein Beispiel zu nennen – die Kommunistische Partei Deutschlands nicht am 30.12.1917 gegründet worden war, war kein Sachverhalt, den Lenin selbst im April 1917 hätte berücksichtigen können.
Also spielen wir einmal das unwissenschaftliche Was-wäre-gewesen-wenn-Spiel und stellen Überlegungen an, was sich beim Sieg einer sozialistischen deutschen Novemberevolution für die Welt wahrscheinlich (!) alles verändert hätte.  

Sonntag, 3. Juli 2011

2. Abschnitt: Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit (2)

Dieses Kriegsende, wie es ausgesehen hat und was da hätte kommen sollen oder müssen, ist das Problem.
Dazu muss ich einen Ausflug in die verschachtelte Welt des „Marxismus/Leninismus“ wagen. Dies ist nämlich für Vereinfacher der Name eines Systems der Weltanschauung. Philosophie gehört dazu, politische Ökonomie und das, was manche großkotzig „wissenschaftlichen Kommunismus“ genannt wissen möchten. Eine Stufe sachlicher wäre das also der dialektische und historische Materialismus. Den kann man am kürzesten so beschreiben: Alles, was existiert, ist materiell und insoweit immer erkennbar (nur evtl. noch nicht erkannt) und dementsprechend veränderbar. Aus solcher materiellen Grundlage erwächst ein widerspiegelndes Bewusstsein, das auf seinen Ursprung zurück wirkt.
Dialektik ist eine Weltsicht in Zusammenhängen. Alles ist Gewordenes (und Vergehendes) und steht in Wechselwirkung mit der „restlichen“ materiellen Welt. Das Materielle in der menschlichen Gesellschaft sind seine wirtschaftlichen Beziehungen, die aus dem Entwicklungsstand der „Produktivkräfte“ erwachsen.
So wie die technischen Möglichkeiten einer Produktion entwickelt sind, so finden sich die Menschen in „Verkehrsverhältnissen“ miteinander wieder. Diese bilden einen Rahmen, der langfristig den Rahmen der menschlichen Entwicklung abzugeben hat, und der gesprengt werden muss, wenn er dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte nicht mehr entspricht.
Das klingt hoch verwissenschaftlicht, ist es eigentlich auch, hat aber selbst für gebildete „Marxisten“ gemeine Fallstricke. Weil die Gesetze der menschlichen Gesellschaft wirken wie Naturgesetze. Allerdings kann - so wie bei den Fallgesetzen Newtons die Erde (und der Gravitations-Gegenkörper) vorhanden sein muss - ein „gesellschaftliches Gesetz“ nur beim Handeln von Menschen in der Gesellschaft existieren und funktionieren. Das aber ist wiederum nicht ohne ein bestimmtes Bewusstsein zu haben. Und verdammt nochmal: Das sind Beziehungen, die nicht der Schulmathematik entsprechen, weil das Handeln von Menschengruppen Summe des Handelns der dazu gehörenden Menschen ist und jedes einzelne Bewusstsein durch mehr Faktoren beeinflusst wird, als für den konkreten Sachverhalt relevant wären.
Sprich: Der Marxismus erfasst den Klassenkampf als Triebkraft der menschlichen Entwicklung. Aber obwohl es Interessen gibt, die große Menschengruppen aufgrund ihrer Stellung in der materiellen Produktion objektiv gemeinsam haben, heißt dies noch lange nicht, dass sie sich dessen bewusst sind und entsprechend handeln wollen – und dann handeln sie natürlich auch nicht. So wie die Existenz von Gravitation dort belanglos ist, wo es nur einen Körper gibt.
Auf all dies muss ich wahrscheinlich näher eingehen. Im Moment aber ist die Frage wichtiger, was das mit den Katastrophen des 20. Jahrhunderts zu tun hat.

Samstag, 2. Juli 2011

2. Abschnitt: Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit

Ich erlaube mir eine Behauptung: Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert fürchterlichster Menschheitskatastrophen, unter denen (mindestens) eine immer noch die Chance hat, zu DER Menschheitskatastrophe schlechthin zu werden – einfach deshalb, weil sie außer der Frage ihrer schrecklichen direkten und indirekten Auswirkungen die ganz große Frage noch nicht endgültig beantwortet, ob es in „der Zukunft“ überhaupt noch eine Menschheit geben wird.
Nachher sind „wir“ immer klüger und für historische „Eckpunkte“ gibt es immer Gründe, die sie begründen und welche, die sie zurückweisen könnten. Insofern kann man Vieles sachlich herleiten. Nach meinem Verständnis ist die größte Katastrophe der jüngeren Menschheitsgeschichte die Niederlage der Novemberrevolution in Deutschland. Man mag mir eine gewisse nationale Verblendung vorwerfen, aber vielleicht vermag ich zu überzeugen.
Damit ich das Problem noch etwas zuspitzen kann, nenne ich die „andere Seite“ derselben Katastrophen-Medaille. Das ist nämlich der „Sieg“ der russischen Oktoberrevolution in eben der Weise, in der er möglich geworden war (und in der der Keim für sein Ende enthalten war). In einem ganz anderen Sinn als der bürgerlichen Geschichtsauffassung war die „Große Sozialistische Oktoberrevolution“ nämlich auch eine Katastrophe … wenn auch im Wesentlichen der Ereignisse in Deutschland wegen.
Reisen wir gedanklich gut 100 Jahre zurück. Selbst bürgerliche Historiker leisten sich mitunter den Luxus, zuzugeben, dass damals „Kapitalismus“ herrschte, ja „Imperialismus“. Nun brauchen wir uns nicht darüber auslassen, dass das, was heute 1. Weltkrieg genannt wird, kein unerwarteter Schicksalsschlag war, in den die unschuldigen Nationen Europas und der Welt „hineingerissen“ wurden, weil da so ein „Irrer“ einen Thronfolger ermordet hatte. Wir wissen um das Wesen des Imperialismus, seine Aggressivität, seine gesetzmäßig ungleichmäßige Entwicklung und die dabei Deutschland zugefallene Rollen als Zu-spät-Kommer, der eine vollzogene Aufteilung der Welt ändern wollte. Aber eigentlich brachte jeder imperialistische Staat konkrete wirtschaftliche Hoffnungen in seine Kriegspolitik ein. Der Krieg war eine zwangsweise Folge der Vollendung bestimmter Formen des „Imperialismus“: Nach Jahrzehnten des Wettlaufs, relativ wehrlose Völkerschaften unter die eigene Herrschaft zu bekommen (Kolonialreiche), war nun alles so weit aufgeteilt, dass nur noch eine Umverteilung möglich war. Dabei hatte Deutschland in den letzten Jahren einen besonders stürmischen Aufschwung seiner inneren Wirtschaft erlebt, ohne dass dies in Weltmachtsphären adäquat umsetzbar gewesen wäre – überall waren schon englische oder französische Krallen auf der angestrebten Beute. Dass der Weltkrieg begann, war also keine Katastrophe, sondern „notwendige Folge“ der gesellschaftlichen Entwicklung. Die Katastrophe lag in seinem Verlauf und einem Ende, in dem die Ausgangspositionen für den nächsten Weltkrieg bereits eingebaut“ waren.