Die Antwort fällt leichter, wenn man berücksichtigt, dass Marx aus der prinzipiellen Gesetzmäßigkeit der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft – die in der Vergangenheit aufgezeigt werden konnte – die Notwendigkeit und Möglichkeit der weiteren Entwicklung, einschließlich der diese Entwicklung tragenden Kraft ableitete. Die „Arbeiterklasse“, so meinte er, sei die erste Klasse, die dank ihrer Rolle in der Produktion – nämlich doppelt „frei“ zu sein (von vorgeschriebenen Abhängigkeiten und Eigentum) – die die Klassenherrschaftsverhältnisse als Ganzes beseitigen könne.
Die Arbeiterklasse entwickelte sich in der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts stürmisch … entfaltete aber außer der Pariser Commune kaum wesentliche Aktivitäten, ihrer eigenen Führungsrolle im Weltgeschehen gerecht zu werden.
Erst mit dem 1. Weltkrieg war eine „revolutionäre Situation“ am Reifen: Eigentlich verlief der Krieg für keine Seite ganz nach Wunsch. Mehr oder weniger sah es danach aus, dass die Herrschenden nicht mehr auf die bisherige Weise würden weiter herrschen können, und dass die Beherrschten nicht mehr so weiter leben konnten wie bisher. Das Mehr traf besonders für Deutschland zu, je mehr sich die Unmöglichkeit eines Sieges abzeichnete, während die Volksmassen richtige Hungersnöte durchleben mussten.
Unter diesen Bedingungen schrieb Lenin sein gern verkanntes Buch „Staat und Revolution“, in dem er das Ziel einer sich sozialistisch auflösenden Klassenmachtgesellschaft so „wissenschaftlich“, wie es zu jener Zeit maximal möglich war, beschrieb. Gern wird viel in Ausführungen hinein gedeutet, die er nur wenige Monate später machte (hauptsächlich die „Aprilthesen“), in denen er scheinbar grundsätzliche Positionen wieder korrigierte. Das hat er aber im Grundsatz eben nicht.
Wir müssen uns nämlich angewöhnen, dass zum dialektischen Denken auch das Sich-darüber-klar-Werden gehört, auf welcher Ebene wir uns gerade bewegen. Und „Staat und Revolution“ beschrieb eine Welt (!) des „Sozialismus“, auf die hin zu steuern 1916 durchaus theoretisch notwendig war (und möglich schien) – während 1917 die Kräfte miteinander rangen, die einen solchen Weg erst einleiten konnten. Nun stellten dich die Fragen auf eine Ebene, auf der man zwar Sozialismus haben wollte, aber mindestens in wesentlichen Teilen der Welt noch nicht hatte.
Noch immer blieb aber die Hoffnung: Wir (also die Bolschewiki) stehen an unserem Platz, erfüllen unsere Pflicht, andere stehen an anderen Plätzen bereit, dort die ihre zu erfüllen.
Eine besondere Rolle kam dabei Deutschland zu. Hier waren die weltgrößten Potenzen der inneren Wirtschaftskraft konzentriert. (Die Weltmacht Nummer 1, England, war durch die Ausbeutung ihrer Kolonialwelt stärker ein „Rentnerstaat“, wo den Bewohnern mehr Almosen zugeworfen bekamen.
Sowohl der relative Sieg der russischen Oktoberrevolution als auch die Niederlage aller die bürgerlichen Horizonte übersteigenden Elemente in der Novemberrevolution in Deutschland hatte zwar konkrete Gründe, beide Ergebnisse waren aber nicht so zwingend notwendig, wie beispielsweise der „Ausbruch“ des Weltkriegs (bei dem nur der Anlass, also das Datum des Beginns Zufall gewesen war.) Dass – um nur ein Beispiel zu nennen – die Kommunistische Partei Deutschlands nicht am 30.12.1917 gegründet worden war, war kein Sachverhalt, den Lenin selbst im April 1917 hätte berücksichtigen können.
Also spielen wir einmal das unwissenschaftliche Was-wäre-gewesen-wenn-Spiel und stellen Überlegungen an, was sich beim Sieg einer sozialistischen deutschen Novemberevolution für die Welt wahrscheinlich (!) alles verändert hätte.
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