Nun muss man natürlich immer zwei Seiten sehen:
Auf der einen Seite die manipulierten „Bedürfnisse“, die „der Markt“ erst schafft, fördert, verstärkt – die in dem Moment zu schrumpfen beginnen, in dem es keinen Markt mehr gibt. (Man darf also auch keine DDR-Verhältnisse als Maßstab heranziehen, wo natürlich direkt und indirekt diese Mechanismen bestimmend blieben und der (die) „etwas Besseres“ war, der (die) die echten Lewis aus dem Westen hatte.)
Auf der anderen Seite werden natürlich auch im Kommunismus Bedürfnisse vorsätzlich geweckt. Das setzt bereits im frühen Kindesalter an. Da es in der Absicht der Gesellschaft liegt, ihre Mitglieder zu allseitig entfalteten Persönlichkeiten zu entwickeln, wird auch der Umfang frühkindlicher Ausprägung musischer, mathematischer, sportlicher, wissenschaftlicher, handwerklicher und immer wieder künstlerischer Empfindsamkeit eine ganz andere praktische Wertschätzung entgegengebracht, als wir das bisher je erlebt haben (obwohl die DDR-Verhältnisse Keime in diese Richtung enthielten). Also nicht in jedem Menschen im Kommunismus wird ein Supertalent entdeckt werden – worin auch immer. Aber es werden anteilig viel mehr Kräfte aufgewandt, um Talente zu wecken und entfalten, vor allem jedoch wird in der Breite die Aufnahmebereitschaft für verschiedenartige „Sinnes-Reize“ erhöht werden. Die Genussfähigkeit kann gezielt verstärkt werden (und das nicht nur durch Techniken des Kamasutra).
Um sich vorstellen zu können, dass und vielleicht ansatzweise wie so etwas geht, ein ganz praktisches Beispiel: Wer Musikstücke hört, unterliegt „Mechanismen“. Das Gehör ist Gewohnheiten unterworfen. Wer auf eine Musikrichtung fixiert ist, wird „schön“ finden, was dem Gewohnten ähnelt. Dies prägten zu großen Teilen Entwicklungszeiten, an die wir uns nicht mehr erinnern können. Oft sind wir aber auch bereit, unterbewusst ein Musikstück eher als „schön“ zu empfinden, wenn es uns als „Hit“ vorgestellt wird oder wenn Freunde es stark finden usw. Mit einer verengten Weltsicht verengt sich auch die Aufnahmefähigkeit für Schönes. Es geht dabei sowohl um das aktive Produzieren von „Schönem“ als auch einfach das Genießen dessen, was andere gemacht haben – wobei das eine nicht streng vom Anderen getrennt werden sollte: Der, der schon selbst Gedichte geschrieben hat, hört und liest auch die Machwerke Anderer anders als der, dem das abgegangen ist.
Vielleicht kann man sich ein winziges Startbild machen, wenn man das System der Sportförderung in der DDR auf alle Bereiche der Persönlichkeitsentfaltung ausdehnte. Also eine Wechselwirkung von „Breitensport“ und „Leistungssport“. Dass dabei nicht jeder „Sport“ mögen wird, ist Element seiner besonderen Persönlichkeit. Um eine solche Entscheidung aber treffen zu können, muss er natürlich in Berührung mit dem „Sport“ gekommen sein.
Oder anders: Bach nicht zu „mögen“, weil man nur Bohlen kennt, ist genauso doof wie umgekehrt. Letztlich ist auch Punk zuerst Abgrenzung gegen etwas, was einem suspekt ist.
Die Abgrenzungen kommen im Kommunismus fast von allein … aber mit der erworbenen Fähigkeit, das der eigenen Persönlichkeit am ehesten Entsprechende aus eine breiten Vielfalt auszuwählen. Zumindest was Musik angeht wäre dies heute technisch bereits gut umsetzbar, stößt aber gerade hier auf marktbedingte Schranken.
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