Donnerstag, 8. September 2011

6.5. Bedürfnisbefriedigungsanstalt Kommunismus

Die Stagnation des europäischen Bevölkerungswachstums sollte nicht zu voreiligen Schlüssen verleiten. Ich klammere einmal utopische Fortpflanzungstechnologien aus. Kinder sind im Kommunismus aber nur noch im Dreieck von Liebe, Verantwortung und „Luxus“ zu sehen. Nichts wird von Natur aus so eindeutig Individualität ausdrücken wie die eigenen Kinder.
Wenn wir unterstellen, dass die frühkommunistische Gemeinschaft nicht für sehr lange Zeiträume an heute eingeleiteten ökologischen Katastrophen zu leiden haben wird (z. B. massenweisen genetischen Schädigungen durch radioaktive und andere Umweltbelastungen), also dass der Untergang der kapitalistischen Verhältnisse „weich“ gelingt, kommt relativ früh zur Kinderfrage die einer bald hinzugewonnenen weiteren „Senioren-Generationen“. Während eine bewusste Manipulation der Kinderzahlentwicklung in beide Richtungen vorstellbar ist – also Kampagnen „Schafft euch mehr oder schafft euch weniger Kinder an“ – kann die kommunistische Gesellschaft beim Umgang mit älteren Menschen nur in eine Richtung denken: weg mit Krankheiten und Verfall. Da ist auch Erfolg wahrscheinlich: Die lebenden Menschen werden älter und sind länger zu umfassender Aktivität fähig. Bei gleichbleibender Kinderzahl bedeutete dies ein deutliches Wachstum der Weltbevölkerung.
Dies macht natürlich (unter anderem) den Weg freier zu größerer Vielfalt der Lebensentwürfe, also auch zu solchen, in denen „egoistischerweise“ keine Kinder vorkommen bzw. „man“ sich (dann) in angenehmem Umfang „nur“ um biologisch fremde Kinder kümmert.
Spaß haben, nur um an einem Moment Spaß gehabt zu haben, lässt die Betroffenen verkümmern. Je mehr man bereits als Kind gelernt hat, was man alles tun könnte (ohne damit gequält worden zu sein), umso mehr wird man in seinem langen Leben auch wirklich tun wollen. Als eines von vielem gehört die „Kommunikation“ mit Kindern dazu. Wie gesagt: unabhängig von biologischen Beziehungen werden Kinder eine Vielzahl von Partnerschaften erleben, die mit „Großeltern“ und guten Tanten und Onkeln vergleichbar sind.
Die Entfaltung des Bedürfnisreichtums der neu heranwachsenden Menschen bekommt einen total neuen Stellenwert, sobald er nicht, zumindest im „normalen“ Einzelfall nicht, existenzielle Probleme heraufbeschwört. Bei allen Problemen, die Kinder auch bedeuten, ist eines plötzlich weg: Die Frage, wie soll ich die versorgen / müssen die mich versorgen. Sie steht allein im großen Rahmen „Menschheit“, also überspitzt: Wenn jede Familie 10 Kinder bekäme, bliebe dann genug Sauerstoff zum Atmen.
Die Kinder sind trotzdem einer der wenigen verbleibenden Zwänge. Wer auch immer Bezugspersonen sein mögen, es müssen welche da sein. Das können biologische Eltern genauso gut sein wie Wahleltern, eine Mehrpartnergemeinschaft und anderes. Nur stabil müssen diese Beziehungen sein.
Ich beiße mich hier mit dem konventionellen Familienbild, das z. B. ein Friedrich Engels vertrat. Vielleicht wird es im Kommunismus auch etwas geben, das den Namen „Familie“ tragen kann. Aber selbst dabei ist eine Mann-Frau-Beziehung mit dazu gehörigen Kindern nur eine der Formen. Je nach Neigung der Individuen stehen zumindest gleichgeschlechtliche Beziehungen „rechtlich“ gleich – vor allem allerdings faktisch.
Inwieweit „Wohn- und Lebensgemeinschaften“ eine große Rolle spielen werden, ist von unserem Horizont aus schwer zu bewerten. Wahrscheinlich in einer neuen Zweckgemeinschaft von Individuen.

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