Donnerstag, 20. Oktober 2011

Die drei Wirtschaftskreisläufe oder auch Robinson kann helfen (2)

In der Realität kommt aber mindestens ein entscheidendes Element dazu: Die Gesellschaft, in gewissen Sinne die ganze Menschheit, verfügt endlich über ein handhabbares Instrument, die Bedürfnisse aller ihrer Mitglieder zu erfassen (zu kennen) und im Sinne ihrer direkten Befriedigung zu wirken (und natürlich im Sinne einer bewussten Minimierung ausufernder unsinniger Bedürfnisse). Die technische Grundlage für ein solches Konstrukt scheint mit dem „Internet“ gegeben: Im Prinzip kann schon heute jeder Mensch dieser Erde sich an seinen Computer setzen, sich in eine gigantische virtuelle Bedürfniszentrale einloggen und kundtun, welche Bedürfnisse er befriedigt zu bekommen hofft. Indem er dies öffentlich machte, machte er auch Unverschämtheiten öffentlich, denen er sich schämen müsste. Allerdings fördert das Wissen, dass einzelne Menschen sich unverschämte Wünsche erfüllen, weil sie dazu die Mittel haben, noch den Zusammenbruch einer solchen technischen Institution. Es geht ja auch nicht um die tatsächliche Machbarkeit im Augenblick sondern darum, dass es bereits technische Mittel gibt, mit denen so etwas möglich wäre. Alle Produktion im weitesten Sinn könnte „wieder“ direkt an den erfassten und bewerteten Bedürfnissen ausgerichtet werden. „Man“ weiß wieder warum man was macht … Trotz des entscheidenden Unterschieds, dass der urgesellschaftliche „Wirtschaftskreislauf“ ungeheuer klein war und inzwischen scheinbar unüberschaubar groß geworden ist.
Das Wissen, was für welches und wessen Bedürfnis getan wird, ging mit fortschreitender Teilung der Arbeit, vor allem der Verselbständigung der geistigen Elemente des Arbeitslebens, allmählich verloren. Die Wirtschaftsbeziehungen, die sich nun durchsetzten, kann man „klassenbildend“ nennen. Ihre höchste Ausprägung haben sie im „Kapitalismus“ - Beziehungen der Warenwirtschaft, die Marx analysierte. Sie haben im Vergleich zu den beiden anderen zwei einschneidende Unterschiede, weshalb ein von letztendlichen Bedürfnissen zu unterscheidender zweiter Wirtschaftskreislauf entstand. Also seine gesamten Gesetze berühren menschliche Bedürfnisse als Ursprung allen menschlichen Handelns direkt überhaupt nicht mehr und sie beruhen darauf, dass die Menschen, die etwas tun, was eigentlich Bedürfnisse befriedigen soll, diese Bedürfnisse nicht kennen. An die Stelle der eigentlichen Bedürfnisse sind die „gesellschaftlich anerkannten“ getreten, was praktisch heißt die „bezahlbaren“.
Das mathematische Konstrukt ist dabei etwas verwirrend: Bei den sich gegenüberstehenden zwei Hauptseiten des Konflikts entscheidet immer die schwächere. Also entweder würde Produziertes nicht bezahlt werden können oder etwas, was bezahlt werden könnte, kann nicht produziert werden. Der letztere Fall ist der seltenere. Tausende bezahlte Wünschelrutengänger beschwören die Möglichkeit, dass das freie Spiel der chaotisch wirkenden Kräfte einen Ausgleich zwischen Produktion und Konsumtion herstellte. Trotzdem verhungern Millionen Menschen auf der Erde, weil sie nicht in Besitz von allgemeinem Äquivalent kommen, weil sie keine Arbeit (vorfinanziert) bekommen, um etwas in dem großen Kreislauf Verwertbares einzubringen.
Das System Kapitalismus kann das Problem der Bedürfnisbefriedigung nicht lösen – ich meine natürlich im Weltmaßstab, also nicht beschränkt auf ein paar Teilkreisläufe, die sich jeweils auf Kosten des Rests (der Welt) vollsaugen können.
Es ist richtig: Das System hat es in seinen Glanzecken besser funktioniert als die Ansätze des Sozialismus. Aber die Unerfüllbarkeit von Bedürfnissen einer „Überschussmenschheit“ ist Bedingung des ganzen Systems – es wechselt im Höchstfall, wer zur Gruppe eben dieser „Überschussmenschheit“ gehört. Im Wesen der Planung eines kommunistischen Versorgungssystems liegt die beständig steigende Annäherung an die umfassende „Vollversorgung“.
Wesen und Erscheinung der damit zusammenhängenden Vorgänge sind durch Marx nicht nur in „Das Kapital“ schlüssig dargestellt. Nur irrig ist, diesen Übergangsfall menschlicher Entwicklung so darzustellen, als ginge alle Wirtschaft mit der Warenwirtschaft los. Das war Hunderttausende Jahre nicht so und wird – vorausgesetzt, die Menschheit übersteht die Presswehen der neuen Gesellschaft – Millionen Jahre nicht mehr so sein. Ihr „Kreislauf“, der alle Vorgänge über ein abstraktes allgemeines Äquivalent, also das Geld, steuert, verschwindet wie eine abgenutzte Schlangenhaut.

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