Donnerstag, 6. Oktober 2011

Wortwirrwarr (4) Stalinismus – Leninismus – Marxismus (3)

Nun kommt die andere Seite der Medaille: Zum praktizierten „Stalinismus“ gehören natürlich alle bin ins Groteske getriebenen Auswüchse von Personenkult, den die Untergebenen treiben. Wenn Kindergruppen in ihrer Zusammenkunft im Präsidium einen Platz für den Genossen Stalin frei hielten, war dies einfach lächerlich. Insgesamt ist es aber das System des sich Andienens, das erst die gigantische Macht einzelne „Führerpersonen“ ermöglicht. Es gehört neben der Machtgier Einzelner eben die Akzeptanz der Anderen dazu. Und dies ließ sich leider nicht auf die Person des Josef Stalin beschränken, sondern zumindest begünstigte es die Erschleichung von Machtpositionen durch inzwischen als Feinde einer gemeinschaftlichen Gesellschaft entlarvte Verbrecher vom Typ Gorbatschows oder Jelzins.

Niemand ist auf die Idee gekommen, von „Hitlerismus“ zu sprechen, obwohl man sich doch die allergrößte Mühe gibt, diesem einen Menschen alle Schuld an allem Schlimmen (neben Stalin) zu geben. Ja, der Begriff, der das Wesen aller Erscheinungen des Systems zu fassen versucht, „Faschismus“ wird in diesem Fall durch den vorsätzlich irreführenden Ausdruck „Nationalsozialismus“ ersetzt – wieder mit dem einen Ziel, etwas unter den Hut kreativer nachkapitalistischer Gesellschaften zu schieben, was dort nicht das Geringste zu suchen hat ... Einmal ganz davon abgesehen, dass der Ausdruck „Nazi“ derart niedlich klingt, dass er bereits als Wort eine Verharmlosung der Systemverbrechen bedeutet.

Das Problem „Stalinismus“ deckt allerdings ein grundlegendes geschichtliches Phänomen auf. Ich nenne es hier einmal „Konservatismus des Faktischen“. Dies ist insofern wichtig, als es eine potentielle Bedrohung des Kommunismus darstellt.
Eine grundlegende natürliche Eigenart des Lebens ist seine Fähigkeit zur Anpassung an gegebene (und sich ändernde) Verhältnisse. Dabei nimmt der Grad der Bewusstheit der Anpassung mit dem Grad der Bewusstheit der Lebensform zu. Aber das Prinzip bleibt. Sozusagen auf eine aus dem Tierreich herausragende Intelligenz aufbauend analysiert „der Mensch“ die ihn umgebenden Verhältnisse und entwickelt Strategien, sich ihnen entsprechend zu verhalten. Das ist der urtümliche Kodex des Verhaltens. Sich bewusst revolutionär zu verhalten, also eine die eigene Person als Horizont übersteigende Erkenntnis von Notwendigkeiten als Handlungsgrundlage zu entwickeln, bedeutet einen (zumindest partiellen) Bruch mit diesem Prinzip, der normalerweise nicht von eine Mehrheit erwartet werden kann. Es ist eine Art Selbsterhaltungstrieb, sich im „Kapitalismus“ „unsolidarisch“ zu verhalten, weshalb das Verschwinden des egoistischen Grundschemas (erst) nach dem Ende der „Übergangsgesellschaften“ möglich wird. 

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