Donnerstag, 23. Juni 2011

1. Abschnitt: Wie ich trotz und wegen der DDR (17)

Darf man mir verübeln, dass ich das vergnüglich fand? Aus einer spontanen Tageslaune heraus landet einer auf einem Pädagogenplatz – und noch dazu auf dem des grausigen Rotlichtbestrahlers für unschuldige Kinder? Ich kann es nur für meinen Fall sagen: Ja, so anarchisch habe ich Staatsbürgerkundelehrer werden können. Und mir ist nie ein „Stasi“-Schlapphut mit dem Wunsch nach einer „Verpflichtung“ begegnet (und aus anderen Gründen auch nicht) – ja, ich war nicht einmal Mitglied oder „Kandidat“ der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Das war nicht Bedingung (wäre wegen des Aufnahmeverfahrens auch nicht möglich gewesen, da ich kein Jahr irgendwo fest haften geblieben war). Später habe ich mich darum bemüht, dies zu ändern. Das war schwieriger. Ich nahm es allerdings auch ernst mit der Auswahl meiner Bürgen. Ich hatte meine Freiheit voll ausgereizt und erwartete nicht von vornherein, dass man ausgerechnet mir Vertrauen entgegenbrächte – brachte man aber.
Probleme gab es eigentlich überwiegend mit Kleingeistern. Während die Freiheiten genossen, die wir in der „Sektion Marxismus-Leninismus“ bei der praktischen Ausgestaltung des Studiums und im Ausreizen unserer Meinungsbildung hatten, beobachteten wir bei den Studenten der Geschichtssektion Anderes. Dort wurde schulmäßig gegängelt. Ich entschied jedenfalls sehr frei darüber, welche Veranstaltungen ich tatsächlich in Anspruch nahm, und viele der Gedankengänge, mit denen uns unsere Professoren „bearbeiteten“, hätte nach heute üblichem DDR-Bild deren sofortiges Verschwinden in „Stasi-Knästen“ zur Folge haben müssen.
Einzig die „Freiheit“ zum Drogen“konsum“ hatten wir nicht – ich glaube aber nicht, dass mir da etwas entgangen sein könnte. Klar wäre ich gern auch einmal durch die andere Hälfte der Welt gereist, aber durch die Länder des Ostens zu reisen war auch bereichernd, wenn man die Augen offen hielt.
Darauf komme ich noch zurück.
Für meinen Gesamtweg war dann ein anderer Bruch Ausschlag gebend: Klar, ich konnte mich hinter den Stimmbändern verstecken. Aber eigentlich bin ich nie auf dem Weg zu einem guten Lehrer gewesen. Was den Umgang mit Schülern anging, bin ich eben eher „Coach“ oder Geistes-“Trainer“ für interessierte Gruppen als ein Massen dressierender Lehrer. An der ersten Einsatzschule nach dem Studium war ich aber der einzige Staatsbürgerkundelehrer, der alle Schüler der Schule in dem Fach zu unterrichten hatte – ohne die meisten je kennen gelernt zu haben.
Vielleicht hätte man mir meine „Anfangsprobleme“ kameradschaftlich verziehen. Aber eine Kollision mit der Parteisekretärin der Schule vernichtete meine Position. Meine scharf antimilitaristischen Auffassungen, die natürlich nicht vor menschenfeindlichen Umgangsformen innerhalb der NVA Halt machten, stießen bei der „150prozentigen“ Genossin, deren beide Söhne begeisterte Offiziere waren, auf machtvolle Ablehnung. So etwas wie mich konnte man nicht auf erst sich entwickelnde Persönlichkeiten loslassen.
Als sich mein Scheitern immer klarer abzeichnete, schien mir die Konsequenz klar: Ich war im Kreis der Versager gelandet. Meiner damaligen Partnerin (und dann langjährigen Ehepartnerin) verdanke ich die Chuspe, mich kreuz und quer zu bewerben, also auch für Aufgaben, die anspruchsvoller als Lehrer erschienen. Ich wollte etwas – und ich bekam schon wieder eine Chance. Ohne recht zu ahnen, was mich erwartete, landete ich im Bildungsbereich eines Außenhandelsbetriebes.

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