Dienstag, 5. Juli 2011

2. Abschnitt: Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit (4)

Als sicher anzusehen wäre ein anderer Verlauf dessen, was das junge Sowjetrussland als „Interventions- und Bürgerkrieg“ erlebte. Wahrscheinlich wäre dieser Krieg mit weniger weißem Terror und damit weniger rotem Gegenterror zu Ende gegangen.
Sicher hätte auch das, was wir als „Versailler Vertrag“ und seine Umsetzung kennen, anders ausgesehen. Und es kann natürlich nicht bezweifelt werden, dass dieses Werk eines imperialistischen Kriegsendes für die in Deutschland an der Macht gebliebenen Rüstungskonzerne die „Munition“ geliefert hat, in breiten Volksschichten eine Remilitarisierung zu akzeptieren.
Sicher ist drittens, dass eine richtige Volksmacht zum Aufbau des Sozialismus die Entwicklung des „Nationalsozialismus“ - also real des Faschismus – verhindert hätte.
Als sicher kann angesehen werden, dass es den Weltkrieg Nummer 2 nicht in der uns bekannten Art gegeben hätte (mit der deutschen Kriegsschuld also).
Zu diesen Punkten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit kommen solche mit hoher Wahrscheinlichkeit. Der wesentlichste darunter ist die Erwartung, dass auch in anderen europäischen Ländern positivere Entwicklungen wahrscheinlicher gewesen wären. Ich denke da u.a. an das Schicksal der ungarischen Räterepublik oder die italienische Entwicklung zum ersten „Faschismus an der Macht“. Da ließe sich viel spekulieren.
Entscheidend ist etwas Anderes: In der realen Geschichte hatte 1922 ein Anlauf zum Sozialismus auf einem Stück Welt überlebt, dem zu diesem Zeitpunkt auf dem Gebiet der „Produktivkräfte“ nur minimale Ansätze für eine überlebensfähige sozialistische Gesellschaft zuzubilligen waren. Überlebt hat das Gebilde wegen seiner räumlichen Ausdehnung. Eine Welt von Hinterweltbauern, die teilweise auf einem Entwicklungsniveau verharrten, das die deutschen Bauern zur Reformationszeit bereits überwunden hatten. Dem standen ein paar dünn gesäte Leuchttürme des Fortschritts gegenüber. Weltweit isoliert, gezwungen aus eigener Kraft in einen Rundum-Fortschritt zu rasen. Und durch Krieg und Nachkrieg waren selbst frühere Wirtschaftsteile zerstört, während eigentlich ein autarktes System hätte aufgebaut werden müssen. Alles selber machen von allen Rohstoffen, alle Grundindustrien bis hin zu allen Endfertigungen / Bedürfnisbefriedigungen … mit einem Minimum an Fachkräften. Auf der anderen Seite erwartete man von dem einzigen „Sieger“ in den Reihen der sozialistischen Bewegung Führung in jeder Ebene.
Nun stelle man sich vor, neben dem Rohstoffland Russland hätte wenigstens die – wenn auch vom Krieg zurückgeworfene – Industriemacht Deutschland gestanden. Für den Mathematiker wäre das ein Entwicklungsvergleich wie wenn man 4 x 4 x 4 x 4 neben 2 x 2 x 2 x 2 setzt. Anfangs nur doppelt gute Ausgangsposition, aber bald stünde es 256 : 16! Allein was die gegenseitige wirtschaftliche Befruchtung beträfe...  

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