Mittwoch, 6. Juli 2011

2. Abschnitt: Hebamme Geschichte und ihre Ungeschicklichkeit (5)

Aber dazu wäre ja noch etwas Anderes gekommen: Eine objektiv bessere Ausgangslage auch für innere Demokratie. Wie war die Wirklichkeit? Ein alleiniger Riese konnte gleichberechtigte Mitsprache höchstens simulieren lassen. Es war doch irgendwie selbstverständlich, dass eine Macht, die fast 30 Jahre sich hatte irgendwie einrichten müssen, allein klar zu kommen, nach dem nächsten Krieg Schwierigkeiten mit der „Gleichberechtigung“ aller Partner haben musste, die ohne sie allesamt nicht lebensfähig gewesen wären (von der Führungsrolle der einzigen Siegerpartei ganz abgesehen).
Wie anders hätte auch das objektiv sein können, wenn von Anfang an ein Netz gegenseitiger Abhängigkeiten zum gemeinsamen Vorteil hätte entstehen können. (Ich möchte das Rapallo-Vertragswerk ja nicht auf Null setzen, aber hier geht es um die Ausgestaltung eines Wirtschaftsystems.)
Ich darf sogar auf anderer Ebene spekulieren: Ohne den deutschen Faschismus wäre die Atombombe zumindest nicht zu jenem Zeitpunkt einsatzreif gewesen. Mit der amerikanischen (hier wage ich den Ausdruck „amerikanisch-deutschen“) Atombombe aber wäre die Selbstkasteiung der Sowjetunion zum Gleichziehen (noch) nicht nötig gewesen – unmittelbar nach der Weltkriegsverwüstung des eigenen Potentials.
Aber es war ja nicht der Weltkrieg allein und die Angst danach, gleich wieder in den nächsten mit einem übermächtigen Gegner zu geraten. Es war eben die Hektik, mit der supraschnell eine sowjetische Tonnenschwerindustrie aus dem eigenen Lebensstandard herausgeschnitten worden war – wenn man die folgenden Panzerbaukapazitäten berücksichtigt zu Recht. Das hatte sowohl wirtschaftliche Folgen als auch „ideologische“: Wann hört (einmal bwährte) Tonnenideologie auf? Wann ist der Punkt gekommen, wo an die Stelle des Kommandierens, der Kommissare, die das letzte Wort haben, Wirtschafts- und Gesellschaftsdemokratie treten kann … und muss? Wenn es doch so oft nur mit Gewalt hatte gehen können …
Mensch ist Mensch – auch wenn er „Kommunismus“ leicht über die Lippen bringt. Und eine „bewährte Methode“ gibt man nicht so leicht auf.
Auf der anderen Seite steht die menschliche Anpassung: Wenn eben immer der Kommissar das Richtige gesagt hatte – allein deshalb, weil er der Kommissar war - dann betäubt das die Selbstüberwindung zum Mitdenken. Dies vor allem unter Bedingungen, wo Väterchen Zar so glatt von einem Generalissimus abgelöst worden war.
Diese Menschen „frei“ zu lassen, ihre Geschicke in eigene Hände nehmen zu lassen, ist dasselbe Risiko, wie Menschen, die Monate lang in einer finsteren Höhle gehaust hatten, ins Licht hinaus zu scheuchen. Sie werden geblendet, hilflos … in die nächste dunkle Ecke torkeln.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen