Sonntag, 17. Juli 2011

3. Abschnitt: Einmal Toast zum Frühstück oder Nonsens zwischendurch (1. Fortsetzung)

1. Fortsetzung
Die Verwunderung setzte erst zu Weihnachten ein. Dieses Fest führte Jahr für Jahr Fetzen der versprengten Familie für unumgängliche diplomatische Akte zusammen. Mein Sohn beklagte sich wie erwartet über seine Probleme beim Studium und ich wies ihn darauf hin, dass das alles viel leichter zu ertragen wäre, wenn er denn endlich eine zu ihm passende Freundin fände (es stellte sich heraus, dass sein „Studienproblem“ in einer bestand, die ihn gerade hatte abblitzen lassen) und er würde das schon packen. Ein Gespräch unter Männern also, und es war nur ganz natürlich, dass ich ihm väterlich ermunternd auf die Schultern klopfte. Erst viel später wurde mir bewusst, dass ich mit der linken Hand zugeschlagen hatte.
Man stelle sich meine Verblüffung vor, als mir mein Sohn vielleicht eine halbe Stunde später ohne Vorwarnung erklärte, er habe sich das genau überlegt und er habe beschlossen, er würde Kommunist. Wörtlich genau dies!
Bis zu diesem Augenblick war die einzige politische Rolle, für die er sich je interessiert hatte, die des Magiers in „World of Warcraft“. Selbst ich hatte ihn im Unterschied zu den meisten anderen Menschen, mit denen ich zu tun gehabt hatte, nicht mit Politischem belästigt. Mir schadete es mir eher, dass ich Zusammenhänge in der Welt, in Deutschland und so weiter verstand. Wissen quält und über die Leser der BLÖD-Zeitung hätte Jesus sicher gesagt, dass glücklich sei, wer da arm sei am Geiste. Warum also sollte ich meinem Sohne nicht ein Stück Glück gönnen – noch dazu, wo er mir an fast allen Tagen des Jahres fern war und ich ihn deshalb nie hätte beschützen können?
Und nun begann er mir einen Vortrag zu halten! Ich neigte ja schon immer dazu, andere penetrant bekehren zu wollen. Dass mich nun jemand mit fast exakt meinen eigenen Worten zu bekehren versuchte, war mir bisher aber noch nicht begegnet. Dass dieser Jemand mein erwachsener Sohn war, machte die Vorstellung nicht weniger verwirrend. Mir fiel vor Schreck nichts Besseres ein, als ihn zu loben für seinen Entschluss und dass mich das freue, aber er solle gut aufpassen: Dieser Entschluss mache ihm sein Leben nicht leichter. Das war bestimmt nicht das Klügste, aber viel wichtiger war, dass in diesem Augenblick das Telefon klingelte, meine Ex uns einen schönen Tag wünschte und … der Höhenflug damit vorüber war. Erst beim Einschlafen fiel er mir wieder ein. Aber ein Spirituosenschlaf verhinderte allzu gründliche Grübelei.

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