Samstag, 23. Juli 2011

3. Abschnitt: Einmal Toast zum Frühstück oder Nonsens zwischendurch (8. Fortsetzung)

8. Fortsetzung
Natürlich hätte ich schon lange als Volksredner versuchen können. Aber mir fehlte außer dem Talent, meine umfassenden Theorien in Freisprech-Schauen zu verwandeln, auch jenes leicht übersteigerte Selbstbewusstsein, auf eine Bühne zu steigen und zu erwarten, irgendwelche Massen wollten das hören, was man sagen will. Ich hatte nur das Sendungsbewusstsein verkannter kleiner Propheten, andere Menschen, nein, eigentlich die ganze Menschheit müsste von dem überzeugt werden, was ich gesagt hätte, hätte ich es denn gesagt. Die Vision, unter den gewaltigen Kräften, mit denen Menschen alles Leben auf der Erde so umfassend verändern konnten, wäre mindestens eine, die frei gesetzt die Menschheit vernichten würde, weil sie einfach zu groß waren, um an Verdienstabsichten irgendeines Privaten geknüpft zu werden. Das Wissen, dass jeden Tag ein unermesslicher Reichtum zerstört wurde – egal ob unbeabsichtigt wie z. B. durch die Folgen des fortschreitenden Klimawandels oder mit Vorsatz durch Rüstung und Krieg. Die Überzeugung, dass diese Verknüpfung längst nicht mehr nötig gewesen wäre, dass der Wissensschatz der Erde ausreichte, um jedem Menschen der Erde ein gutes Leben ohne Hunger und mit sinnvollen Beschäftigungen in angenehmem Umfang zu sichern. Anstatt dessen kämpften angeblich kluge Köpfe sogar noch darum, wie mit Lizenzen möglichst alle Anderen von ihrem Wissen ausgeschlossen werden konnten!
Aber wer sollte daran etwas ändern? Wer konnte das?
An der Stelle stockte ich. Mir schwindelte wie beim Blick vom Fuß zur Spitze eines Hochhauses. Mit meiner linken Hand konnte ich vielleicht die Lawine anstoßen, die notwendig war. Den Rest würden die Anderen machen. Immerhin gab es schon ein paar Minipropheten, bei denen es technisch leicht sein musste, ihnen persönlich auf die Schulter zu klopfen. Sie brauchten nachher gar nicht so völlig neue Reden zu schwingen, man würde ihre Veränderung vielleicht nicht einmal bemerken.


Der Rest war langweilige Routine. Ich schmückte meine Armschiene mit etwas echtem Gips und Unterschriften fiktiver Freunde und arbeitete Termin um Termin ab. Das Gemisch aus Händedruck mit der mystischen Linken und Kitzel an der Eitelkeit der Gesprächspartner wirkte Wunder. Jedem erklärte ich, dass ich genau seine Gruppierung als erstes befragte, und dass alle Absprachen vorbehaltlich der Zusage der Anderen galten, und natürlich würde es bei denen viel schwieriger werden, sie zur Vernunft zu bringen.
Ich war mir nicht sicher, ob mein Händedruck wirklich jeden Vorbehalt gegen andere aufhob. Amüsant fand ich allerdings den Gedanken, unwissentlich gerade mit einem V-Mann des Verfassungsschutz zu reden, der zu mehr Militanz und Einzelaktionen anstacheln sollte, um nachher über Militanz und Einzelaktionen in der linken Szene zu berichten. Nun würde er plötzlich selbst von der Sache überzeugt sein, gegen die er zu schnüffeln hatte – und friedlich mitmachen. Seine Vorgesetzten wären enttäuscht.


Welch vergnügliche Aussicht, im Fall eines kleinen Erfolges, also des Einzugs einer Fraktion in den Bundestag, der Bundeskanzlerin persönlich die linke Hand geben zu können und die spräche sich plötzlich für den Kommunismus aus! Nur wie lange konnte ein Mensch mit einem Gipsarm herumlaufen, ohne Aufsehen zu erregen? Und bei ersten Nachforschungen stieß ich auf ganz vulgäres Problem: Die Sicherheitseinrichtungen im Reichstag erlaubten keine metallischen Gegenstände für Besucher. Das Scharnier meines rechten Arms aber war metallisch …

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