Es wäre mir sicher möglich gewesen,
nach der 8. Klasse aufs Gymnasium zu wechseln. Diese Einrichtung
hatte aber den Ruf, nur etwas für strebsame Mädchen zu sein.
Außerdem hatte ich keinerlei Berufsziel. Allein auf die Frage, was
ich NICHT wollte, hätte ich eine Antwort gehabt: Mein Geld mit
körperlicher, besonders handwerklicher Arbeit zu verdienen. Aber
positiv etwas wollen?!
Mein Vater hatte sich dafür
eingesetzt, dass ich einen der drei Ausbildungsplätze zum
„Wirtschaftskaufmann mit Abitur“ in seinem Betrieb bekam. Mutter
und Schwester waren Verkäuferinnen, also im Handel, Vater arbeitete
in der Großhandelsgesellschaft „Waren täglicher Bedarf“. Die
Ausbildung interessierte mich … nicht. Aber wenigstens war ich
„untergebracht“. Ich durchlief in der Ausbildung die
verschiedensten Abteilungen und Bereiche des Betriebes (bzw. eines
Betriebes in Ausbildungskooperation), der für die Versorgung
Schwerins mit Waren des täglichen Bedarfs zuständig war. Ich wurde
dann als Sachbearbeiter in der Süßwarenabteilung übernommen. Kein
Traumjob, aber zumindest kam ich mit den Kollegen zurecht und die mit
mir.
Doch das Verderben wartete schon: die
Einberufung zum Grundwehrdienst bei der „Nationalen Volksarmee“.
Um die Rolle des „Ehrendienstes“ bei den „bewaffneten Organen“
rankten sich viele Legenden. Die wichtigste: Nur wer sich freiwillig
wenigstens für drei Jahre verpflichtete, bekäme einen Studienplatz.
Ich hatte zwar noch immer keine Vorstellung, WAS ich eventuell
studieren könnte, aber das irgendwann tun zu können, wollte ich mir
nicht verbauen. Aber dafür zur Armee?! Eher nicht! Also begann ich
die Pflicht-Dienstzeit mit der Absicht nicht aufzufallen. Stattdessen
leistete ich mir erst einen kleinen Unfall und sorgte dann mit
regelmäßigen Fingern im Rachen für Erbrechen. Schließlich wurde
ich nach einem halben Jahr ins zivile Leben entlassen. Problem: Ich
war nun ein Jahr zu früh in Freiheit. Der Betrieb musste mich zwar
wieder aufnehmen (so war das halt in der DDR), aber der Platz in
meiner Abteilung war besetzt. Der einzige freie im Betrieb war einer
in der Kosmetik-Reklamationsabteilung. Klar, dass ich so schnell wie
möglich irgendwo anders hin wollte. Ich ahnte noch nicht, welche
psychischen Schäden die Armeezeit hinterlassen hatte und wie lange
die Schreibblockade anhalten würde, also nahm ich noch einen Anlauf
in Richtung Schreiben … Dass ich als
„kulturpolitisch-künstlerischer Mitarbeiter für künstlerisches
Wort beim Kreiskabinett für Kulturarbeit“ alles besonders gut
machen wollte, war klar. So wurde der Ausflug in die Welt der
Kulturorganisation natürlich zum Fiasko. ...
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