Gedanken
zu Gesetzen, nach denen sich Menschen richten, ohne sie
aufgeschrieben zu haben
Moritat vom Tal der Blinden
Oh,
höret die Geschichte, was einst geschehen ist.
Es
hatte angefangen vor unbekannter Frist.
Vielleicht
war es das Wasser, vielleicht die schlechte Luft:
Wer
lange lebt im Tale, gewöhnt sich an den Duft.
Wer
lange lebt im Tale, gewöhnt sich an den Duft.
Es
ist, wie schlimm, geschehen, dass niemand mehr was sah,
von
seinem grünen Tale, der Sonne, wunderbar.
Bald
wurde dort geboren ein jedes Unschuldskind
mit
eben jenem Makel: Die Augen waren blind.
Mit
eben jenem Makel: Die Augen waren blind.
Jedoch
der Kreis der Menschen hat später es geschafft,
zu
sehen ohne Augen durch Ohr und Geisteskraft.
Sie
fanden eine Höhle für ihre Sicherheit.
Der
Sonne Licht und Bilder - längst nur Vergangenheit.
Der
Sonne Licht und Bilder - längst nur Vergangenheit.
Die
Schönheit der Geschlechter als Bild sich schnell verlor;
doch
durch der Finger Spitzen war warm sie wie zuvor.
Das
Tal war abgeschieden, die Höhle unbekannt.
In
Hunderten von Jahren kein Mensch sie wiederfand.
In
Hunderten von Jahren kein Mensch sie wiederfand.
Ein
Flugzeug, das schon brannte, gab den Piloten frei.
Am
Fallschirm ging er nieder ins Tal der Blindenei.
Der
Mann sah dort ein Mädchen beim Höhleneingang stehn.
Das
hatte blonde Haare, war blass, doch wunderschön.
Das
hatte blonde Haare, war blass, doch wunderschön.
Der
Mann ging hin es küssen, es blieb leicht zitternd stehn.
Er
haucht ihr in die Ohren, wie herrlich, dich zu sehn.
Sie
hat ihn nicht verstanden, was er damit gemeint.
Doch
weil sie Liebe fühlte, sich zart mit ihm vereint.
Doch weil sie Liebe
fühlte, sich zart mit ihm vereint.
Die
Andren sind gekommen bald in der Abendstund´.
Das
Paar gab voll Entzücken die reine Liebe kund.
Man
hat sehr wohl empfunden des Mannes Eigenheit.
Doch
war man noch gewogen der Liebe Mächtigkeit.
Doch
war man noch gewogen der Liebe Mächtigkeit.
Der
Mann war voll Entsetzen: Ihr seid ja alle blind!
Verstand
nicht ihre Worte vom Fühlen zart im Wind.
Er
fand der Blindheit Wurzel, er fand der Rettung Weg.
Doch
niemand ist gegangen auf seinem lichten Steg.
Doch
niemand ist gegangen auf seinem lichten Steg.
Du
kannst das Mädchen haben, doch bist du krank, kannst sehn.
Wie
willst du wie wir fühlen; wie willst du uns verstehn.
Du
sollst ein Unsrer werden, von Krankheit ganz geheilt.
Nur
wer wie wir so blind ist, voll Glück im Tal verweilt.
Nur
wer wie wir so blind ist, voll Glück im Tal verweilt.
Die
Liebe war so mächtig, das Universum fern.
Der
Mann hatte das Mädchen so wie die Sonne gern.
Am
Tage seiner Hochzeit die Augen waren leer.
Er
ließ vom Weib sich führen; er nahm es noch nicht schwer.
Er
ließ vom Weib sich führen; er nahm es noch nicht schwer.
In
all den spätren Jahren hat Fühlen er gelernt,
doch
blieb trotz größter Mühe von allen er entfernt.
Es
wurd ein Kind geboren, das in die Höhle schaut.
Zuerst
war es mit Fühlen und dann mit Seh´n vertraut.
Zuerst
war es mit Fühlen und dann mit Seh´n vertraut.
Die
Eltern wollten hüten das fehlerhafte Kind.
Das
war nicht wie die Andern, zwar hörend, doch nicht blind.
Die
Eltern hießen´s schweigen, so lang es möglich war.
Doch
wuchs, entdeckt zu werden alltäglich die Gefahr.
Doch
wuchs, entdeckt zu werden alltäglich die Gefahr.
Der
Mann ist fortgegangen, das Kind hat ihn geführt.
Es
hat die Welt gesehen, es hat die Kraft gespürt.
Doch
denkt es an die Mutter, der Mann denkt an sein Weib,
von
dem er fortgezogen trotz Flehen, bitte bleib,
von
dem er fortgezogen trotz Flehen, bitte bleib.
Nun
kann der Mann nicht sehen in seiner eignen Welt.
Gar
mancher stellt ihm Beine, zu sehen, wie er fällt.
Er
möchte gerne retten, sein Weib, von Liebe still,
und
dass sie letzten Endes auch selber sehen will,
und
dass sie letzten Endes auch selber sehen will.
Erinnerst
du dich noch, wie du „Geschichte“ gelernt hast? Als Abfolge von
Ereignissen, bei denen große Persönlichkeiten zur rechten Zeit am
rechten Ort waren oder eben nicht? Mit Daten, an denen die
Entscheidungen Einzelner den weiteren Gang der Dinge in die eine
oder andere Richtung lenkten? Kennst du Brechts „Fragen eines
lesenden Arbeiters“? (Wenn nicht, google jetzt schnell nach!)
Worauf kam es deinem Geschichtslehrer an? Dass du große
Zusammenhänge nachvollziehen kannst oder dass du Fakten griffbereit
hast, was wann wo war? Hältst du den Gang der bisherigen Geschichte
für das Ergebnis von den Naturgesetzen vergleichbaren
Entwicklungsgesetzen? Nein? Wenn aber ja … denkst du, die
Geschichte geht dann mit gleicher Naturnotwendigkeit weiter? Und …
wohin? Ich habe ja schon damit begonnen, dir etwas zum Thema
„Gesetze“ aufzuschreiben. Lass mich daran anknüpfen …
In
der Masse, sagen wir der „Menschheit“, wirkt, was jeder Einzelne
von uns macht, chaotisch. Von dem Moment an, in dem es eine
„menschliche Gesellschaft“ gab, wirkten in materialistischem
Verständnis die Entwicklungsgesetze so, dass diese chaotischen
Handlungen zu einem letztlich notwendigen (allerdings nur
theoretisch vorherbestimmbaren) Ergebnis führten … nämlich den
Verhältnissen, die wir heute haben. Egal, wer diese Gesetze erkannt
hat. Irgendein einzelner Mensch, eine Gruppe von Menschen oder die
ganze Menschheit. Oder ob überhaupt einer.
Alle
gesellschaftlichen „Gesetze“ haben ihre Wurzel in Mechanismen,
mit denen die Natur ihre eigene Existenz erhält. Die wirken weiter,
obwohl der Mensch sie erkennen und damit beeinflussen könnte, erst
einmal noch (aber nicht nur) deshalb, weil er sie nicht erkannt hat.
Insofern ist es wichtig, solche Gesetze, Naturregeln, genau zu
erforschen. Mit der Herausbildung der menschlichen Intelligenz hat
sich die Natur eigentlich die Kraft geschaffen, mit der sie sich
bewusst selbst regeln könnte. … Siehst du: Schon lachst du, wenn
du die Menschen zum Maßstab nimmst, die du erlebt hast. Aber hast
du nicht auch schon welche erlebt, die Verantwortung für ihre
Umwelt entwickelt haben? Wenn ich nicht vorschnell verallgemeinern
darf, dann darfst du das aber auch nicht.
Sagen
wir, es findet sich ein Mensch, der auf andere glaubhaft wirkt,
wodurch auch immer.
Sagen
wir weiter, dieser Mensch behauptet, dass wenn alle anderen Menschen
zu einem von ihm bestimmten Zeitpunkt in einen See steigen, so wird
der ewige Schöpfer der Welt machen, dass dieses Gewässer über
seine Ufer tritt.
Sagen
wir, genug andere Menschen handeln, wie dieser eine es ihnen sagte.
Was
passiert? Das Gewässer tritt tatsächlich über sein Ufer. Der
Mensch hat ein „Wunder“ eines angeblichen Schöpfers bewiesen,
das gar keines war. Er hat etwas vorausgesagt, dass unter den von
ihm genannten Bedingungen notwendig so eintreten musste.
Stellen
wir weiter fest: Wären nicht genug Menschen, der Wunderverkündung
glaubend, ins Wasser gestiegen, so wäre der Wasserspiegel nicht
gestiegen, also das vorher verkündete Wunder ausgeblieben. An der
Existenz der naturgesetzlichen Wasserverdrängung hätte sich nichts
verändert. Ihr hätten nur die Voraussetzungen gefehlt, wirklich
wirksam zu werden.
Die
Kraft der Idee (der Übereinstimmung seiner Erkenntnis mit dem
tatsächlichen Handeln seiner Mitmenschen) des Mannes hat,
unabhängig, ob ehrenwert begründet oder nicht, zu einer sichtbaren
Veränderung geführt.
Nun
meckere nicht! Was heißt hier eine „einfache“
Wasserverdrängung? Falsch!!! Es geht in diesem Beispiel darum, dass
die vorangegangene „Prophezeiung“ des Mannes das Handeln der
anderen Menschen und dieses wiederum das Auftreten eines
Naturgesetzes hervorrief, das potentiell immer vorhanden war, ist
und sein wird – unter bestimmten Voraussetzungen …
Nun
sind eben „gesellschaftliche Gesetze“ solche, die immer erst
durch das Handeln von Menschen wirken. Das Handeln des Menschen
erwächst wie das Denkniveau, auf dem es beruht, aus dem
„Entwicklungsstand der Produktivkräfte“. Beim heutigen
Durchschnittsdeutschen würde unser Prophetenspiel nicht
funktionieren - der kennt die Wasserverdrängung aus der Schule gut
genug, um den „Propheten“ zu belächeln. (Heute müsste er also
fragen „Wollen wir einmal zeigen, dass wir diesen See über sein
Ufer treten lassen können?“)
Bei
unserem Beispiel bliebe es gleich, ob der Mann die anderen betrügen
will, um zu Macht zu kommen, oder ob er den Menschen zeigen will,
welche Macht sie über die Naturgewalten haben. Entscheidend ist, er
hat über die Wasserverdrängung nachgedacht, die richtigen Schlüsse
gezogen … und über das Handeln der Massen die beabsichtigte
Wirkung wirklich eintreten lassen.
Dies
ist eine, wenn auch zugegeben etwas makabre, Verbildlichung von
Marxens Satz „die Theorie wird zur materiellen Gewalt,
sobald sie die Massen ergreift.“1
Gäbe
es die Wasserverdrängung nicht, hätte der Mann sie nicht erkennen
und ausnutzen können. Die Gesetze in der menschlichen Gesellschaft
kann man natürlich nur beim Handeln der Menschen beobachten, weil
sie ja eben die Gesetze sind, nach denen sich dieses Handeln richtet
… und das heißt, du solltest sie kennen, wenn du wissen willst,
ob das, was du willst, zum Schluss auch herauskommen kann.
Der
moderne Marxismus steht gerade vor diesem Problem.
Die Entwicklung der Materie führt vom Niederen zum Höheren. Das ist ein „Naturgesetz“ der Dialektik. Das Höhere gegenüber dem Kapitalismus wäre dabei (denken zumindest die Kommunisten) der Kommunismus, aber sobald die Menschen meinen, sie wären schon in diesem Gewässer gewesen (was ein Trugschluss ist) und der Wasserspiegel ist nicht gestiegen, wollen sie nicht „noch einmal“ hinein. Bekommt die Masse nicht aus einer neuen Richtung einen Anstoß zum erneuten Tun unter neuen Bedingungen, tritt das alte Gewässer nie über seine Ufer und verfault. Diee Menschheit geht unter.
Die Entwicklung der Materie führt vom Niederen zum Höheren. Das ist ein „Naturgesetz“ der Dialektik. Das Höhere gegenüber dem Kapitalismus wäre dabei (denken zumindest die Kommunisten) der Kommunismus, aber sobald die Menschen meinen, sie wären schon in diesem Gewässer gewesen (was ein Trugschluss ist) und der Wasserspiegel ist nicht gestiegen, wollen sie nicht „noch einmal“ hinein. Bekommt die Masse nicht aus einer neuen Richtung einen Anstoß zum erneuten Tun unter neuen Bedingungen, tritt das alte Gewässer nie über seine Ufer und verfault. Diee Menschheit geht unter.
Marx
hatte es in dem Punkt leichter. Er war noch in der Rolle des Mannes,
der zu „Unschuldigen“ sprach. Ihn bremste „nur“, dass
„natürlich“ die Gegner der von ihm gewollten Entwicklung alles
unternahmen, damit sein Wort einfach nicht genug Menschen für das
richtige Handeln erreichte.
Das
tun ihre modernen Nachfolger heute immer noch. Die „Erben“ der
Macht im Kapitalismus unternehmen natürlich weiter alles, um ihre
„Erbschaft“ zu bewahren. Und ihre Möglichkeiten sind gewachsen.
Unter anderem nutzen sie die Begrenztheit des „gesunden
Menschenverstandes“. Der nur mit solchem ausgestattete Betrachter
sieht eine Menge Menschen, so wie sie gerade sind und wie er sie gut
verstehen kann. Die verhalten sich nicht so, dass man mit ihnen
„Kommunismus machen“ könnte, und der Betrachter schlussfolgert
vereinfachend: „DIE Menschen sind eben so.“ und „Kommunismus
kann man nicht machen.“ Okay, du auch ...
Übersiehst
du dabei dabei nicht aber, dass du eben heutige Menschen vor Augen
hast? Wenn du dir vorzustellen versuchst, dass der gläubige Mensch
vor 700 oder der „unberührte“ Indianer vor 300 Jahren ganz
Anderes als „vernünftig“ angesehen haben, dann erscheint es
hoffentlich eher vorstellbar, dass unsere Nachfahren in 300 oder 700
Jahren ganz anders denken werden, als wir uns das ausmalen können …
Einmal unterstellt, es gäbe dann noch welche.
Das
Dumme ist, dass wir uns heute in einer Chaos-Welt befinden. Ohne
eine Wertung abgeben zu wollen, ob Marx und Engels die richtigen
Voraussagen getroffen haben, was den Weg angeht, so ist doch eines
sicher: Der von ihnen beschriebene Zielpunkt der menschlichen
Entwicklung, den sie Kommunismus nannten, ist davon abhängig, dass
möglichst viele Menschen tatsächlich in jenen „See“ der
Geschichte hineinsteigen. Wirklich handeln. Bleiben zu viele am
Rande stehen – zum Beispiel mit der Entschuldigung, sie wären ja
schon drin gewesen und der Wasserspiegel sei nicht angestiegen, sie
hätten sich nur nass gemacht dabei – dann bleibt die notwendige
Weiterentwicklung der Menschheit einfach aus.
Nun
weiß die Wissenschaft, dass es eine allgemeine tendenziell
gerichtete „Entwicklung“ gibt. Damit meine ich nicht den
„Marxismus-Leninismus“. Der hat solche Erkenntnisse „nur“
zusammengetragen, zu einem Weltanschauungssystem verdichtet und vor
allen Dingen ihre Anwendbarkeit auf die menschliche Gesellschaft
dargestellt. Ich meine hier die Dialektik als System von
Zusammenhängen und Methode, an die vereinzelten Zusammenhänge
heranzukommen. Ich mache dir keinen Vorwurf daraus, wenn du noch
nichts Richtiges von Dialektik gehört hast. Wer hätte es dir
beibringen sollen? Zum Erhalt des Bestehenden gibt es mehrere
Mittel. Damit, dass unruhige Geister das System ablehnen, müssen
die Herrschenden rechnen. Wenn die dann wirksam genug geimpft sind,
dass sich ja sowieso nichts außer Kleinigkeiten ändern lässt, sie
also eine Weltanschauung des verzweifelten Achselzuckens entwickelt
haben, dann bleibt alles wie es ist … und die Kritiker dürfen
sogar ihre Meinung sagen ...
Wobei
… Eigentlich wäre der Marxismus das richtige System für
denkaktive Menschen. Das war nicht als Kritik gedacht. Gegen dich
schon gar nicht. Leider ließen sich Denkfaule mit ihm die Erklärung
der Welt kaugerecht in den Mund schieben. In der Vergangenheit wurde
häufig „das Kind mit dem Bade ausgeschüttet“. Man bildete sich
ein, dass wenn es „objektive Gesetze“ gibt, also Zusammenhänge,
die unabhängig von einer bewussten Absicht notwendig und
wiederholbar in einer bestimmten Weise auftreten, dann siege der
„Fortschritt“ zwangsläufig. Richtig. Es gibt diese Gesetze.
Aber sie heben sich oft gegenseitig auf. Und genau das haben auch
viele „Marxisten“ übersehen. Marxismus ist – wie jedes
Denksystem – bedroht von verkrustendem Dogmatismus auf der einen
und verfälschendem Revisionismus auf der anderen Seite. Dabei musst
du ihn als Handwerkszeug verstehen, um die Zusammenhänge in der
Welt zu erfassen. Dann kannst du sie gestalten, indem du die
Bedingungen herstellst, unter denen sie sich wunschgemäß
entwickelt (wie unser Prophet oben). Ich bin der Möchtegern-Prophet
… und du hast vielleicht einen neuen Impuls, durch den Massen den
faulenden See über sein Ufer treten lassen.
Das
Grundgesetz der Dialektik ist (wahrscheinlich) das einzige echte
„Universalgesetz“. Es besagt, dass alle Formen der Materie sich
in Bewegung, Veränderung befinden, sich nur als „Einheit und
Kampf von Gegensätzen“ erklären lassen. Bedingungslos. Wobei der
Ausdruck „Kampf“ missverständlich ist: Er ist nicht so zu
verstehen, dass die eine Partei die andere besiegt und dann allein
übrig bleibt, sondern es wird immer neu die Ausgewogenheit sich
dabei selbst verändernder und einander bedingender Faktoren eines
Ganzen hergestellt. Also solche Systeme wie Masse-Energie oder
Atomkern-Atomhülle. Die Seiten der Systeme sind ohne die andere
nicht das, was sie sind.
Eine
zweite Ebene sind „Relativgesetze“. Wie leicht wäre die Welt zu
verstehen, gäbe es nur lauter eindeutige und wiederholbare
Wenn-dann-Beziehungen. Es gibt zwar eine Unmenge solcher
gesetzmäßigen Zusammenhänge, sie treten aber in den seltensten
Fällen für sich allein auf. Also zu jedem Wenn-dann kommt meist
noch ein „… und-wenn-dann …“ mitunter sogar ein
„...aber-wenn-dann-auch ...“.
Die
meisten Relativgesetze sind deshalb nur erkennbar, wenn man von
allem „Störenden“ abstrahiert. Man muss alle Bedingungen, die
notwendig sind, damit eine Ausgangslage zu einer konkreten Endlage
wird, kennen und als gegeben annehmen oder herstellen. Die
„Störungen“ sind aber eben in der Wirklichkeit immer da.
Die
dritte und problematischste Ebene nenne ich „Trendgesetze“. Hier
bewegen wir uns auf philosophischen Höhen. Solche Trendgesetze
versuchen nämlich eine „gesetzmäßige Ordnung“ in komplexe
Zusammenhänge als Ganzes zu bringen.
In
der Dialektik sind das zum Beispiel das Gesetz der „Negation der
Negation“ und das vom „Umschlagen von Quantität in eine höhere
Qualität“, letztlich eben die Behauptung einer
Entwicklungsrichtung vom „Niederen“ zum „Höheren“.
Prinzipiell sind auch das alles „objektive Gesetze“. Im
Gegensatz zur Universalität aller Bewegung ist das Auftreten dieser
Gesetze aber immer an Bedingungen gebunden. Fürs große Ganze
stimmen sie, aber konkret praktisch überlagern sich verschieden
gerichtete Trends, heben sich im Einzelfall sogar auf. Erst „letzten
(!) Endes“ setzt sich der Trend durch. (Im Gegensatz zu
Chaostheorien, bei denen sich solche Trends im Ganzen letztlich alle
gegenseitig aufheben.)
Du
hast ja Recht. Man kann lange darüber streiten, was wobei eine
„höhere Qualität“ sein soll. Und vielleicht werden wir uns nie
einig. Ich mache dir zumindest zwei Angebote. In der Natur könnte
es die größere Vielfalt der Informationsverarbeitungsformen sein
oder die wachsende Sicherheit der Selbsterhaltung von Systemen durch
immer mehr Elemente, die Störungen der Harmonie des Ganzen
ausgleichen können. Und nun schau dir die Masse der
unterschiedlichen Formen von Leben an, die zusammen ein System
bilden. Schon das interessante Phänomen des „intelligenten
Lebens“ wirft ein Grundproblem dabei auf: Als denkende Lebewesen
sind wir Menschen natürlich überzeugt, eine höhere Qualität der
Existenz von Materie zu sein. Darüber können ganze Bierfässer
leer diskutiert werden. Nehmen wir die Behauptung als richtig an, so
bedeutete dies, dass sich alle Materie erst in Richtung Leben und
dann in Richtung intelligentes Leben bewegen müsste (ohne
allerdings niedere Stufen zu beseitigen).
Ja,
und genau das sagt das „Gesetz“ wirklich aus. Aber eben nur als
Trend, als prinzipielle Richtung. Wir haben bisher real im gesamten
erreichbaren All noch keine unwiderlegbaren Spuren von fremdem Leben
entdeckt. Zumindest im Moment fehlt uns jede Nachricht kluger
Aliens.
Jedes
„Wenn ..., dann …“ (also Relativgesetz) gilt immer dann, wenn
das „Wenn …“ vorhanden ist. Die Menge der einander
widersprechenden Einzelzusammenhänge ist bei den Trendgesetzen aber
so groß, dass man eben nur sagen kann, dass es, (unterstellt, dass
das Universum unendlich ist) dort irgendwo weiteres intelligentes
Leben geben muss. (Und dass es im Laufe weiterer Milliarden Jahre
Entwicklung insgesamt häufiger intelligentes Leben geben wird –
was aber vom Verschwinden intelligenter Lebensformen in einzelnen
Galaxien wie der Milchstraße begleitet sein kann. Als intelligentes
Alien würde ich der Menschheit eine solche Untergangsprognose
stellen.)
Das
heißt nicht, dass es solches Leben im Umkreis von 100 Lichtjahren
um die Erde gäbe. Das heißt nur, dass prinzipiell zwischen
Intelligenzen gegenseitig befruchtende Kommunikation möglich ist
beziehungsweise aus Sicht der Menschheit
möglich werden könnte.
Es
geht mir hier nicht um Spekulationen. Es geht mir um eine
Besonderheit von Trendgesetzen: Der grundsätzliche Trend, über den
sich „Höheres“ letztlich durchsetzt, wird ergänzt und
überwuchert von einer zahlenmäßig weit überlegenen Zahl von
Einzelvorgängen, bei denen entweder der dialektische Sprung noch
nicht eintritt oder aber eine bereits eingeleitete Entwicklung zum
Höheren abbricht und im Chaos versinkt … wie auch immer das
konkret aussehen mag …
Und
dies gilt für ALLE Trendgesetze. Auf einen Fall, in dem sich eine
höhere Entwicklungsstufe durchsetzt, kommen zig Fälle, die so
lange im Hamsterrad kreisen bis sie absterben. Aber wenn man zum
Beispiel die Erdgeschichte betrachtet, ist eben neben aller
Masse von untergegangenen Lebensformen schon die Menschheit
entstanden - mit der Potenz, das Zusammenwirken von Lebensformen
bewusst zu harmonisieren.
Die
Anfangsstufe aller Entwicklung ist eine Natur, die ihre „Harmonie“
ohne jeden Vorsatz Beteiligter rein durch das Zusammenwirken von
immer mehr chaotischen Kräften auf immer höherer Stufe neu
herstellt.
Die
erste Negation dieses Zustands ist das Auftreten des Homo sapiens.
Schon unsere Urahnen wirkten mit Vorsatz auf ihre Umwelt ein und
veränderten sie. Vom Trend her veränderten sie sie gemäß ihres
Vorsatzes, also die beabsichtigte (Teil-)Wirkung trat immer
wahrscheinlicher ein. Allerdings waren alle diese vorsätzlichen
Eingriffe Störungen der Harmonie des Gesamtsystems Natur, das sich
in veränderter Struktur wieder neu herausbildete. (Manche
Landschaften blieben aber „zerstört“.)
Die
Notwendigkeit zum Übergang zur nächsten Stufe ist von dem Moment
an gegeben, in dem „der Mensch“ in das Gesamtsystem Erd-Natur so
allumfassend eingreifen kann, dass eine Wiederherstellung eines
natürlichen „harmonischen Systems“ nur unter
(Wieder-)Ausschluss der Menschen möglich wäre. (Sicher wäre ein
harmonisches Miteinander von Ratten und bestimmten Mikroorganismen
auch innerhalb einer radioaktiv verseuchten Atmosphäre denkbar.)
Allerdings gehören in die Gruppe solcher Systemeingriffe auch
längerfristig wirkende wie ein die Erdoberfläche modifizierendes
verändertes Klima und die direkte (vor allem aber indirekte)
Erschaffung von (aus menschlicher Sicht) universalen
(Anti-)Schädlingen. (Genetische Manipulationen, Krankheiten usw.)
Also ist eine neue Verantwortung herangereift, sobald die
unmittelbare Vernichtungstechnik in Händen einzelner Menschen das
Potential enthält, die Menschheit als Ganzes zu eliminieren.
Ich
mag an dieser Stelle nicht darüber nachdenken, was wichtiger ist:
Die Möglichkeit des Menschen, bewusst mit seinem und dem Leben
seiner Mitmenschen umzugehen, und dass kein Mensch mehr aus
„natürlichen“ Ursachen heraus vorzeitig sterben müsste, oder
die Wirklichkeit, dass trotzdem Massen verhungern und verdursten,
beim Gebären krepieren und Ähnliches, was im weiten Sinn für
einige Menschen ein herausgehobenes Leben ermöglicht. Ja, ich bin
überzeugt, inzwischen besitzt „die Menschheit“ bereits die
technischen Möglichkeiten, „vernünftig“ in und mit ihrer
Umwelt zu leben.
Egal:
Ein höheres Stadium der Entwicklung der Materie ist es, wenn eine
intelligente Form die Harmonie ihrer Umwelt vorsätzlich herstellt.
Sie muss sie also erkennen und als Gesamtsystem bewusst
beeinflussen. Dass dies kein Zustand, sondern wie in der
„ursprünglichen“ Natur ein immer währender Prozess ist, sollte
klar sein. Immer wieder sind neue einzelne Zusammenhänge zu
erkennen und einzuordnen ins beabsichtigte Ganze.
Du
als Pessimist sagst, das kommt nie. Damit akzeptierst du aber, dass
wir uns möglichst schnell noch den Mars ansehen sollten: Früher
oder später haben wir die Erde so zugerichtet, dass unsere Kinder
keine Kinder mehr haben werden. Nie mehr. Die Erde würde der
nächste Mars.
Wir
haben etwas erlebt, was die Idee des Kommunismus diskreditiert hat,
und wir Deutschen haben dabei eine negative Hauptrolle gespielt. Die
Produktionsverhältnisse entsprechen dem Entwicklungsstand der
Produktivkräfte?! Dies ist das (ökonomische) Hauptgesetz aller
menschlichen Geschichte?! Das bedeutete logisch auch, dass es
Produktionsverhältnisse geben kann, die sozusagen „zu früh“
geschaffen werden. Das bedeutet doch aber nicht, auf die Revolution
zu verzichten, sofern die äußeren Bedingungen gerade günstig
sind. Das waren sie eben wegen des schrecklichen Weltkriegs. Dass
die technische Entwicklung bis 1990 noch gar nicht reif gewesen sein
könnte für die Entfaltung des Sozialismus, können wir jetzt
erahnen, weil wir jetzt besser wissen, welche „Produktivkräfte“
für einen „richtigen“ Sozialismus / Kommunismus nötig wären.
Und wenn wir wissen, dass wir sie heute haben, dann ist das ein
Grund zur Hoffnung auf einen erfolgreicheren Neuanfang. Denn jetzt –
das möchte ich im Folgenden behaupten – sind die Produktivkräfte
reif, sofern man das allgemein sagen kann. Meiner Meinung nach hat
längst die Zeit begonnen, wo wir zwangsläufig in eine von mehreren
möglichen Katastrophen hineinsteuern, wenn wir diese
Produktivkräfte in den Händen zerstörerischer
Produktionsverhältnisse belassen.
Noch
etwas Grundsätzliches: Die Klassengesellschaften hatten etwas
gemeinsam. Es gab einen Grundwiderspruch zwischen den Hauptklassen
in ihrer gegensätzlichen Stellung im gesellschaftlichen
Reproduktionsprozess, nämlich dass die einen im Wesentlichen
besaßen, womit sie die anderen zu ihnen fremden Handlungen zwingen
konnten. Dieser eine grundlegende Widerspruch ist im Kommunismus
weggefallen. An seine Stelle treten Widersprüche zwischen den
vielen Menschengruppen mit unterschiedlicher Stellung im
Reproduktionsprozess. Diese lösen sich ja nie auf. Es ist auch
nicht pauschal zu sagen, wie „positiv“ oder „negativ“ sie im
einzelnen wirken werden. Denn der Stolz auf eine besondere eigene
Leistung grenzt an „Standesdünkel“ … und dann wäre er
negativ. Es ist also immer wieder neu ein „Kunststück“, jeder
vollbrachten Leistung die nötige öffentliche Anerkennung zu
vermitteln.
Und
es gibt einen sich wieder offen entfalteten Widerspruch: Auf der
einen Seite stehen alle individuellen Möglichkeiten und
Fähigkeiten, auf der zweiten alle vielfältigen individuellen
Hemmnisse, diese Möglichkeiten zu entfalten, auf der dritten
Seite(!) das erreichte Niveau der allgemeinen und einzelnen
Bedürfnisse, auf der vierten das Niveau ihrer Befriedigung und
mindestens auf der fünften „Seite“ stehen die neuen
Bedürfnisse, die sofort erwachsen, sobald vorige befriedigt worden
sind. Dies ist sehr mangelhaft dargestellt. Es soll nur eines
aufzeigen: Man wird im Kommunismus ein grundsätzlich neues Bild vom
Gesetz der Einheit und dem Kampf der Gegensätze entwickeln. An die
Stelle einer A-B-Beziehung treten mehrdimensionale Beziehungsmuster,
die unauflösbar bleiben und deren „Harmonie“ darin besteht,
dass sie nicht in ein Niveau zurückfallen, auf dem sie nur durch
den „Sieg“ einer Seite aufgelöst werden können.
Die
(Produktions-)Verhältnisse, die unser Zusammenleben bestimmen,
müssen dem Niveau der „Produktivkräfte“ entsprechen. Ich
behaupte, dass sie dies heute schon nicht mehr tun und demzufolge
geändert werden können und müssen. Woran man dies ersehen kann,
sollte noch genauer betrachtet werden. Ich bin fest davon überzeugt,
dass wir da zu gleichen Schlüssen kommen.
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