Donnerstag, 8. Dezember 2011

Welche Bereiche machen denn kommunistisches Leben für den Einzelmenschen aus?


das maß

weil wir uns
unterscheiden
sind wir gleich
alle unsere werte
zusammengezählt
ergeben bei jedem
den wert
ein mensch

heutige rechner
umgolden
etappensieger
der geschichte

sie werden
 im zeitmeer
versinken
wir lernen darin
schwimmen




Ahnst du langsam, was „Kommunismus“, also die höchste Form der angestrebten kommunistischen Gesellschaftsformation, wirklich ist? Auf jeden Fall nichts mit „Regime“. Im Moment noch etwas, worüber wir mehr nachdenken sollten. Kommunismus ist die Gesellschaft ohne „Staatsgewalt“ im herkömmlichen Sinne, die Gemeinschaft der Gleichen, die nach ihren Möglichkeiten zum Wohlbefinden der Allgemeinheit beitragen und dafür nach ihren entwickelten Bedürfnissen sich am Reichtum aller beteiligen. So zum Beispiel. Die „Gleichheit“ verstehe ich als Anerkennung der totalen persönlichen Unterschiedlichkeit, die so weit geht, dass wir uns im Sinne eines sozialen Höher oder Niedriger überhaupt nicht vergleichen können. Aber was muss dann praktisch funktionieren? Arbeit wird anders und wichtig sein, aber nicht nur:

Eine schrumpfende Bedeutung, wenn auch eine, die nie auf Null sinkt, wird wohl die Arbeit in der materiellen Produktion haben. Tendenziell sinkt die erforderliche Gesamtarbeitszeit und weiter erforderliche Tätigkeiten werden fortwährend neu von der Technik (Robotern) übernommen.

Relativ geringfügig zunehmen werden Kreativarbeiten, also solche, die entweder den Produktionsprozess weiter optimieren oder nach Lösungen suchen, wie welche menschlichen Bedürfnisse besser befriedigt werden können. Letztere werden wohl die häufigeren sein.
Arbeitsaufgaben im „Dienstleistungsbereich“ bleiben erhalten. Soweit die mit öffentlicher Gewalt verbunden sind, wurden sie hier gesondert aufgegriffen.

Der Bereich mit dem größten Umfang an „Arbeit“ wird der der Fürsorge und Kommunikation sein. Dort ist aber auch der Übergang zum „Privatleben“ besonders fließend. So hat die Kinder- und Jugendbetreuung noch Schulelemente; also zumindest wird es Situationen geben, die an heutige „Schule“ erinnern. Den verschiedenen „Unterrichts“-Elementen steht allerdings ein größerer Teil „Persönlichkeitscoaching“ zur Seite. Ein Konzept allseitig entwickelter Persönlichkeiten ist mit Schulklassen, die von einem Fachunterricht zum nächsten strömen, nicht zu bewältigen. Da müssen „Eltern“ und Coach sich fast lückenlos in der Begleitung und Anleitung der Heranreifenden gegenseitig ergänzen und ablösen. Selbst wenn die Schülerzahl weltweit kleiner als heute wäre, muss die Zahl derer, die hier Anteile einbringen, deutlich zunehmen. Zum fließenden Übergang zwischen „professionellem“ und „eher privatem“ Coachen werden auch mehr Formen der Eltern-, Großeltern- und Gruppenleiter-Anleitung gehören.

Vielleicht nicht ganz so verschwommen wird der Bereich medizinischer Versorgung und Betreuung sein. Klar: An erster Stelle stehen da professionelle Tätigkeiten. Sie sind uneingeschränkt darauf gerichtet, jeder Persönlichkeit die „Gesundheit“ zur Selbstentfaltung zu erhalten. Krankheiten sind eben auch ein „technischer Vorgang“. Ein gebrochener Arm ist nicht mit Zureden aus der Welt zu schaffen, bestimmte Viren im Wesentlichen auch nicht. Sie wirken als Schadprogramme im Körper, derer dieser innerhalb der verfügbaren Lebenszeit nicht aus eigener Kraft Herr werden kann. Dafür werden Krankenhäuser und ambulante Betreuungszentren sogar noch ausgebaut werden müssen, wo die körperliche Anwesenheit von Fachpersonal Erfolgsbedingung ist. Vom Grundbild werden also Ärzte und Pfleger(innen) sich am wenigsten von den heutigen unterscheiden – nur ihre technischen Möglichkeiten verbessern sich extrem. Flankiert wird diese technische Seite durch eine, für die es heute keinen ausreichend genauen Namen gibt. Am nächsten käme sie vielleicht dem Bild der Gemeindeschwester beziehungsweise ambulanter Betreuung. Hauptunterschied zu Bekanntem ist der verfügbare Zeitfonds. Der fließende Übergang zum „privaten Schwätzchen“ muss eingeplant sein. Diese Sozialbetreuer haben sozusagen die Verantwortung für das allgemeine Wohlbefinden eines angemessenen Kreises von bedingt Bedürftigen – was also heißt, dass es nicht nur „Berufstätige“ sein werden, sondern auch „Hobby-Partnerschaften“ / Patenschaften u. Ä. Solche fließenden Übergänge sind ja alle kein Problem, weil niemand eine (scheinbar) private Fürsorgeleistung zu Lasten eines bezahlten Jobs erbringt, sondern alle formal gleichwertig sind.

Ein besonders großer Anteil an jedermanns Lebenszeit entfällt auf Kunst im weitesten Sinne. Dabei ist nebensächlich, ob es um das aktive Künstler-Sein oder um Kunstgenuss geht. Wie immer sind die Übergänge fließend. Zum Verständnis des Problems erinnere ich an den Begriff des „Kunsthandwerks“. Es dürfte kaum Menschen geben, die nicht etwas tun werden, was zwar nicht existenzbegründend ist, aber ihnen und gleich Gesinnten Freude bereitet.

Wesentlich stärker als heute wird das Gesamtleben aller Menschen von einer Vielzahl unterschiedlicher Kommunikationsformen durchdrungen sein. Anzunehmen ist, dass sich „Videophonie“ zur Hauptform entwickelt, also Gespräche, ggf. auch Konferenzen, bei denen sich die Beteiligten nur nicht berühren und beriechen, sich aber ansonsten relativ umfassend emotional und sachlich austauschen. Wie bei dem meisten Anderen wird es schwer abzugrenzen sein, ob man sich nur privat trifft oder dort, wo dies körperlich nötig bleibt, an einem eigenständigen Arbeitsplatz auch über Privates unterhält. Viele moderne Arbeitsaufgaben sind heute schon technisch von „zu Hause“ aus lösbar. Die Hauptgegenargumente der Geheimhaltung und begrenzten Kontrollierbarkeit entfallen im Kommunismus. Eine automatische Produktionsstrecke lässt sich auch von zu Hause oder unterwegs überwachen.

Eine Sonderform der Kommunikation wird sicher die professionelle Moderation sein, die Störungen zwischenmenschlicher Beziehungen abbaut.

Besonders herauszuheben sind die „zwischenmenschlichen Beziehungen“. Sie unterscheiden sich von den heutigen wohl in erster Linie durch ihre größere Vielfalt. „Man“ wird sich wohl über keine Form des Zusammenlebens wundern, über nackte Fremde auf dem Flur, Kinder, die nicht wissen, wessen Spermien ihre Existenz begründeten, Gruppen, die sich auflösen so wie sie sich bildeten und umgekehrt … aber eben auch nicht über Menschen, die ihre Absicht, dauerhaft zusammenzuleben über eine Heiratszeremonie aus vergangenen Zeiten dokumentieren möchten und ihr ganzes langes Leben miteinander verbringen. Wahrscheinlich bewirken besiegte Krankheiten nur einen unverkrampfteren Umgang mit Sexualität.

Ein eigener Bereich ist die „Versorgung“, also das, was heute Handel heißt. Er wird nach eigenen, mit nichts Heutigem vergleichbaren Regeln funktionieren.

Ebenfalls ein eigener Bereich ist der Transport, das Reisen. Zu beiden habe ich ja extra geschrieben. Wichtig hierbei ist, dass neue Kommunikationsformen das Ausufern des Reiseumfangs blockieren könnten. Es wird sinnvoll sein, den Aufenthalt in „exotischen“ Regionen technisch perfekt zu simulieren.

Völlig Anderes als heute enthält der Ausdruck „Politik“. Es dürfte jedem selbstverständlich erscheinen, bei öffentlichen Angelegenheiten, die ihn direkt oder indirekt betreffen – einschließlich der Planung des Weltarbeitsvermögens – mitreden zu dürfen und auch mitzureden. So wie du irgendwann im Laufe des Tages dein Mailfach abrufst, wird der „kommunistische Mensch“ dies auch tun – nur dass dort eben alltäglich auch Projekte vorgestellt werden mit Links zur Vertiefung, die Entscheidungen vorbereiten, was dem einen eben mehr Freude bereitet als dem anderen. „Formaljuristisch“ sitzen die Menschen des Kommunismuszeitalters also am Computer zum gemeinsamen Klären aller Fragen von öffentlicher Bedeutung wie unsere Urahnen bei der Stammesversammlung. Nur, dass sie sich häufiger „ausloggen“, weil die Gesamtzahl der zu klärenden Fragen einfach ihren Zeitfond übersteigt und sie nach Interessen / Bedürfnissen auswählen müssen … und können … und dass sie das nicht tatsächlich im Augenblick machen müssen.

Mit allen diesen Komplexen ist der Bereich der Selbstverwirklichung verzahnt. Jeder Mensch kann fundiert hinterfragen, was und wer ihm wichtig ist im Leben und wem er wichtig ist. Das entscheidet über das Funktionieren des Systems …

Um es einmal so zu sagen: Kommunistisches Leben wird fast nur noch „Privatleben“ sein. Aber für der größten Teil der Menschen ist selbstverständlich, dass sie die Angelegenheiten der Gemeinschaft als ihre privaten auffassen, dass sie sich also an der öffentlichen Entscheidungsfindung beteiligen, dies nicht als „Einmischung“ sondern als „ihr Ding“ begreifen. Und deshalb ist auch etwas für Andere Nützliches „ihr Ding“. Insofern lässt sich das ganze Denken nur umgekehrt zum heutigen verstehen. Auch ich begann mit dem Begriff „Arbeit“. Ihn werden Künftige wohl früher oder später durch den Ausdruck „sinnvolle Tätigkeit“ ersetzen – was dann auch die gemeinschaftliche Entscheidung einschließt, was „sinnvoll“ ist. Wieder verwirrend: Diese Entscheidung betrifft sowohl alle Fragen, was überhaupt sinnvoll zu tun ist, als auch die nach dem, welche Anteile dabei die jeweiligen einzelnen Menschen erbringen wollen und können. Anders ausgedrückt: Wer mitredet, was zu erledigen ist, muss auch mitdenken, wer das wie machen soll.

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